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Weiter-ButtonZurück-Button Messianische Aussagen bei den Propheten

Ausgehend von diesem Verständnis der Heilsmittler-Rolle der Davids-Dynastie entstehen nun bei den Propheten eine Reihe von Aussagen, die einen neuen Heils-König aus dem Geschlecht Davids ankündigen.

1. Jesaja ⋅1⋅

a. Die Immanuel-Verheißung

Ich habe oben ja bereits angedeutet, dass ein wichtiger Wurzelgrund für die alttestamentliche Messiaserwartung die Weissagung vom Immanuel in Jes 7 geworden ist.

In ihrem ursprünglichen Sinn ist dieser Text ungeheuer umstritten. Aber ganz sicher scheint zu sein, dass bereits die Jesaja-Schule diese Weissagung messianisch gedeutet hat. Hinter dem Immanuel wird also der zukünftige Heilsbringer aus dem Geschlecht der Davididen gesehen.

b. Das Kind, das uns geboren ist

Dies um so mehr, als die nachfolgenden Generationen das Immanuel-Kind von Jes 7 ganz sicher mit der ausgesprochen messianischen Verheißung von Jes 9,1-6 in Verbindung gebracht haben. Es heißt dort:

"Das Volk, das im Finstern wandelt, schaut ein großes Licht; über denen, die im Lande der Dunkelheit wohnen, erstrahlt ein Licht. Du machst groß ihren Jubel und gewaltig ihre Freude. Sie freuen sich vor dir, wie man sich in der Ernte freut, wie man frohlockt beim Beuteteilen. Denn ihr drückendes Joch, die Stange auf ihrem Nacken, den Stock des Bedrückers zerbrichst du wie am Tage von Midian. Denn jeder Soldatenstiefel, der dröhnend auftritt, und jeder Mantel, der in Blut gewälzt, wird verbrannt und eine Speise des Feuers. Denn ein Kind ist uns geboren ein Sohn ist uns geschenkt; die Herrschaft ruht auf seinen Schultern. Man nennt seinen Namen: Wunderrat, starker Gott, Ewigvater, Friedensfürst. Groß ist die Herrschaft und endlos der Friede für Davids Thron und sein Königreich, das er aufrichtet und festigt in Recht und Gerechtigkeit. Von nun an bis in Ewigkeit wird die eifersüchtige Liebe Jahwes Zebaot solches tun." (Jes 9,1-6.)

In diesem königlichen Heilbringer, den hier Jes 9 ansagt, wird Israel also "das große Licht" zuteil (Jes 9,1). Dabei scheint dieser Heilbringer kein gewöhnlicher König zu sein.

Er erhält Prädikate wie

  • "Wunder-Rat",
  • "Gott-Held",
  • "Ewig-Vater"
  • oder "Friedens-Fürst",

Prädikate, die sonst nirgendwo im Alten Testament vorkommen. Das Kind, das in Jes 9 angesagt wird, wird dadurch weit über die gewöhnlichen Sterblichen herausgehoben. Durch diese Titulatur erhält es schon beinahe göttliche Hoheit und Macht.

Aber es erhält diese Macht von vorneherein für eine bestimmte Aufgabe. Weshalb die Heilsgestalt von Jes 9 mit dieser Macht ausgestattet ist, wird nämlich gleich dazugesagt: Ihre Aufgabe ist die Schaffung eines "endlosen Friedens" und die Aufrichtung des endgültigen "Rechtes". Der königliche Heilbringer von Jes 9 soll also der "Gerechtigkeit" unter den Menschen endgültig zum Durchbruch verhelfen (Jes 9,6; vgl. Jes 9,4).

c. Das Auftreten des gerechten Königs

Noch deutlicher tritt diese messianische Heilsfunktion in Jes 11,1-5 zutage. Dort wird von einem messianischen Herrscher gesprochen, dem als ständige Gabe die Fülle des Gottes-Geistes verliehen wird. Jes 11 spricht

  • vom Geist der Weisheit und der Einsicht,
  • vom Geist des Rates und der Stärke,
  • sowie vom Geist der Jahwe-Erkenntnis und der Jahwe-Furcht.

Dieser Geist wird dem Spross aus Isais Stumpf, also einem Spross aus dem Geschlecht, das sich auf Isai, den Vater Davids zurückführt, verliehen werden. Und er wird ihm verliehen, damit er der gottgewollte königliche Rechtshelfer der Armen und Schwachen sein kann.

"... er richtet die Geringen in Gerechtigkeit und entscheidet in Geradheit über die Armen des Landes. Er schlägt den Gewalttätigen mit dem Stab seines Mundes und tötet den Frevler mit dem Hauch seiner Lippen." (Jes 11,4.)

Seine mitmenschliche Gerechtigkeit und Treue wird dabei sogar als "Schurz seiner Lenden" und "Gurt seiner Hüften" (Jes 11,5) bezeichnet.

Damit ist die Rolle dieses endzeitlichen Heilsbringers bei Jesaja deutlich beschrieben. Er wird der mosaischen und prophetischen Willensoffenbarung zur endgültigen Durchsetzung im Jahwevolk verhelfen. Der Messias wird dafür sorgen, dass in seinem Reich alle Menschen wahrhaft Mensch sein können.

2. Jeremia ⋅2⋅

Bei Jeremia erhält dieser messianische Heilbringer König daher auch den Namen:

"Jahwe [ist] unsere Gerechtigkeit".

Dieser Name soll sicher auch den Kontrast zwischen dem Messias und den Königen der jeremianischen Gegenwart verdeutlichen. Ganz im Gegensatz zu ihnen wird dieser Herrscher der Zukunft in seiner Person und in seinem Handeln die "Bundesgerechtigkeit" Jahwes selbst gegenwärtig setzen.

So kann Jeremia den Messias folgendermaßen ansagen:

"Siehe, Tage werden kommen, da erwecke ich dem David einen gerechten Spross; er wird als König herrschen und weise handeln und Recht und Gerechtigkeit üben im Lande." (Jer 23,5.)

3. Micha ⋅3⋅

Ganz ähnlich sagt dies auch der Prophet Micha. Die bekannte Stelle in Mi 5,1-3 lautet:

"Du aber, [Betlehem] Efrata, zwar das kleinste unter Judas Geschlechtern, doch aus dir wird mir hervorgehen, der über Israel herrschen soll. Sein Ursprung geht zurück bis in die Vorzeit, bis in längst entschwundene Tage. Darum wird er sie hingeben bis zur Zeit, da die Gebärende geboren hat und der Rest seiner Brüder zurückkehrt zu den Söhnen Israels. Und er tritt auf und regiert in der Kraft Jahwes, in der Hoheit des Namens seines Gottes, und sie werden ruhig wohnen, denn nun steht er groß da bis an die Grenzen der Erde." (Mi 5,1-3.)

Dieser Herrscher, den Micha hier verheißt wird also die Geborgenheit und die Friedensfülle Israels garantieren. Und er wird dies tun, indem er "in der Kraft Jahwes und in der Hoheit seines Namens" (Mi 5,3) regiert. Das heißt: Er wird die Verheißung des Jahwes-Namens, das "für-die-Menschen-da-sein", in Israel in die Tat umsetzen. Er wird der Willensoffenbarung Gottes zum Durchbruch verhelfen.

4. Ezechiel ⋅4⋅

Ezechiel verbindet die messianische Heilserwartung noch stärker mit der allgemeinen Erwartung des zukünftigen Heiles.

Wir haben ja bereits gesehen, dass für Ezechiel ein ganz wichtiger Aspekt der Zukunft ist, dass Gott selbst sich seines Volkes wie ein Hirt annimmt. Diese Hirtenschaft Jahwes, die ganz besonders Ez 34,11-12 zum Ausdruck kommt, wird nun in Ez 34,23 auf den "Hirten David" übertragen. Das heißt: der zukünftige messianische Heilbringer ist gleichsam die Inkarnation der Hirtenschaft Jahwes.

Ez 34,23 sagt dies folgendermaßen:

"Ich werde über sie einen einzigen Hirten bestellen, meinen Knecht David; ⋅5⋅ der soll sie weiden und ihr Hirt sein." (Ez 34,23.)

Mit diesem Hirten kehrt auch nach Ezechiel (Ez 34,24ff) der Paradiesesfriede ein, den ja auch schon Jes 11,6ff vorhergesagt hatte. Der messianische Friedensbringer wird eine Herrschaft errichten, die einem paradiesischen Frieden Raum gibt.

Wie dies geschehen kann, wie es zu diesem allumfassenden Frieden kommen wird, das schildert Ez 37,22-28. Dort wird ausgeführt, was die Herrschaft dieses messianischen Friedensbringers auszeichnet:

"... sie werden nach meinen Gesetzen wandeln und meine Gebote beobachten und sie erfüllen." (Ez 37,24).

Damit macht auch Ezechiel deutlich, was allein letztlich zum Frieden auf der Welt führen kann. Ez 37,24 verweist ganz klar auf die "Bundescharta" Jahwes. Wenn der Gotteswille wirklich realisiert wird, dann kann dieser paradiesische Zustand auch eintreten. Die Hauptaufgabe des zukünftigen Königs ist demnach - nach Ezechiel - die Realisierung der "Bundescharta" im Gottesvolk.

5. Sacharja ⋅6⋅

Die Reihe der prophetischen messianischen Königstexte schließt dann der Prophet Sacharja ab. Vor allem Sach 9,9-10 ist hier zu nennen. Eine Stelle, die deutlich aus nachexilischer Zeit stammt:

"Juble laut, Tochter Zion, jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir, gerecht und siegreich. Demütig ist er und reitet auf einem Esel, auf dem Füllen einer Eselin. Er schafft die Streitwagen fort aus Efraïm und die Streitrosse aus Jerusalem, es werden abgeschafft die Kampfbogen. Er gebietet Frieden den Völkern, und seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer, vom Strom bis zu den Enden der Erde." (Sach 9,9-10.)

Hier rückt also ein messianischer Herrscher in den Vordergrund, der als "Friedenskönig" charakterisiert wird. Er ist den Menschen zugeneigt und entsagt dem Kriegspferd und zieht auf einem Esel, dem "Friedenstier", in die heilige Stadt ein.

Damit gehört er selbst zu den עֲנָוִים ["<anawim"], d. h. zu jenen Jahwegetreuen, die als Arme und Demütige im Lande wohnen.

Mit Sach 9,9-10 sind wir nun bereits beim ersten Höhepunkt der messianischen Erwartung angelangt. An diese Stelle knüpft Jesus - und mit großer Wahrscheinlichkeit - bewusst an, wenn er auf einem Esel reitend in Jerusalem einzieht.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Vgl.: Alfons Deissler, Die Grundbotschaft des Alten Testaments (Freiburg 1972) 146-147. Zur Anmerkung Button

2 Vgl.: Alfons Deissler, Die Grundbotschaft des Alten Testaments (Freiburg 1972) 147. Zur Anmerkung Button

3 Vgl.: Alfons Deissler, Die Grundbotschaft des Alten Testaments (Freiburg 1972) 147. Zur Anmerkung Button

4 Vgl.: Alfons Deissler, Die Grundbotschaft des Alten Testaments (Freiburg 1972) 147-148. Zur Anmerkung Button

5 Die Vorstellung vom "David redivivus" zielt nicht auf die Person, sondern auf die Funktion des großen Königs. Zur Anmerkung Button

6 Vgl.: Alfons Deissler, Die Grundbotschaft des Alten Testaments (Freiburg 1972) 148. Zur Anmerkung Button