Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Jahwe lenkt die Geschichte zu einem Ziel
- 1. Die Verheißungen Gottes in der Patriarchengeschichte
- 2. Das Exodusgeschehen mit dem Ziel der Landgabe
- 3. Die Davids- und Zionsverheißungen
- 4. Die Erwartung eines heilvollen "Jahwe-Tages"
Wenn wir fragen, wie wir uns die Zukunft vorstellen, dann fragen wir zuallererst nach unserer persönlichen Zukunft, nach der Zukunft des Einzelnen. Unser Blick auf die Zukunft beginnt meist mit der Frage, was aus meinem Leben, dem Leben des Individuum wohl einmal werden wird.
In Israel kommt diese Frage - wie wir bereits gesehen haben - erst spät in den Blick. Das heißt aber nicht, dass das Thema Zukunft in Israel keine Rolle gespielt hat. Wenn der Mensch des Alten Testamentes aber nach der Zukunft fragte, dann tat er dies anfangs fast ausschließlich im Blick auf das Volk. Die Frage nach der Zukunft war die Frage nach der Zukunft des Volkes.
Dass diese Frage immer schon eine wichtige Frage gewesen ist, sehen wir vor allem dann, wenn wir die Ergebnisse unserer bisherigen Überlegungen unter diesem Gesichtspunkt noch einmal durchgehen.
1. Die Verheißungen Gottes in der Patriarchengeschichte ⋅1⋅
- Abraham empfängt die Verheißung von Nachkommenschaft und Landbesitz.
- Und er soll ein Segen werden für die anderen Völker. Alle Geschlechter der Erde sollen durch ihn Segen erlangen heißt es in Gen 12,1-3.
- Auch der Stammvater Jakob erhält in Gen 28,14 die gleiche große Verheißung:
"... durch dich und deinen Nachkommen sollen alle Geschlechter der Erde gesegnet werden." (Gen 28,14)
Die Bibel trägt also bereits in die Anfänge des Volkes Israel die Botschaft von einer Zukunft ein. Diese Israel verheißene Zukunft wird dabei mit dem Wort Segen umschrieben. Und Gen 12,3 und Gen 28,14 machen sogar bereits deutlich, dass dieser Segen nicht auf Israel beschränkt sein wird. Das Verheißungswort Gottes greift bereits am Anfang auf die übrige Völkerwelt aus.
2. Das Exodusgeschehen mit dem Ziel der Landgabe ⋅2⋅
Auch das Buch Exodus mit seinem großen Thema der Führung in das Land ist ganz bestimmt von dem Gedanken, dass Gott sein Volk in das zukünftige Heil hineinführt.
Die Befreiung aus Ägypten und die göttliche Führung in das Land, jene Großtat Jahwes, war ja im Bewusstsein Israels nie nur geschichtliche Erinnerung. Sie war gleichzeitig "Voraustat" Gottes, Angeld auch der gegenwärtigen Führung Jahwes.
3. Die Davids- und Zionsverheißungen ⋅3⋅
Ganz ähnlich ist es mit der Zukunftsperspektive die für Israel im Königtum lag. Wenn in 2 Sam 7,16 der Prophet Natan zu David sagt...
"... dein Haus und dein Königtum sollen immerdar vor mir Bestand haben. Dein Thron soll für immer fest gegründet sein" (2 Sam 7,16),
... dann bezeugt dies den Glauben daran, dass die erreichte Gegenwart noch nicht das Ende der Führung Jahwes bedeutet. Der Bogen der Geschichte Jahwes mit Israel transzendiert die erreichte Gegenwart. Er greift in eine im einzelnen noch unübersehbare Zukunft aus.
4. Die Erwartung eines heilvollen "Jahwe-Tages" ⋅4⋅
Diese Zukunftserwartung Israels wurde dabei recht bald mit einer Erfahrung der früh- bzw. vorstaatlichen Zeit verbunden. Die Erinnerung an diese Zeit war in Israel schließlich stets präsent. Und geprägt war diese Erinnerung vor allem durch die Verteidigungskriege am Anfang der Staatenbildung.
Dabei ist es ganz wichtig, sich noch einmal vor Augen zu führen, dass die entscheidenden Kämpfe Israels gegen die Kanaanäer, wie sie uns etwa im Buch der Richter überliefert sind, tatsächlich Verteidigungskriege waren.
- So schildert die berühmte Schlacht unter Deborah bei Meggido die Abwehr der vereinigten Kanaanäerstädte des Nordens (Ri 4-5)
- und Ri 7 erzählt von der Landsicherung durch die Zurückschlagung der Midianiter beim Gebirge Gilboa.
Die Erinnerung an diese Verteidigungsschlachten war aber auch immer Erinnerung an das hilfreiche Eingreifen Jahwes. Dass Israel in diesen Kämpfen von den stärkeren Truppen der anderen Volksgemeinschaften nicht aufgerieben wurde, führte das Volk immer auf den Schutz Jahwes zurück.
Aus den Erfahrungen dieser als Gotteswunder erscheinenden Siege hat sich in Israel dann weithin die Erwartung entwickelt, dass Jahwe auch in der Zukunft in jeder Auseinandersetzung mit den bedrohenden Feindmächten siegreich eingreifen werde.
Einen solchen Siegertag Gottes über die Feinde erwarte man jeweils als "Tag Jahwes". So bedeutete der Ausdruck "Tag Jahwes" ursprünglich also die Erwartung eines Tages der großen Glorie für Jahwe und sein Volk Israel. Auf diese Hoffnung - das wissen wir aus Am 5,18-20 - hat man ganz besonders in Krisensituationen gebaut.
So können wir die frühe Zukunftserwartung Israels wohl am Besten mit folgenden Worten umschreiben: Jahwe lenkt die Geschichte seines Volkes zu einem guten Ziel.
Anmerkungen