Die Bibel

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Weiter-ButtonZurück-Button Die "Noch-Vorhandenheit" in der Scheol ⋅1⋅

Wir haben freilich bereits gesehen, dass das nicht bedeutet, dass man in Israel etwa mit keinerlei Fortexistenz der Verstorbenen gerechnet hätte. Man kennt zwar in klassischer Zeit keinen Glauben an ein "Fort-Leben" nach dem Tode im Sinne einer entfalteten und gefüllten Lebendigkeit. Aber man ging dennoch ganz klar von einer Art "Noch-Vorhandenheit" der Verstorbenen aus. Man rechnete mit einem schattenhaften Dasein in der שְׁאוֺל ["sche>ol"], also in einer Art "Unterwelt" (vgl. Gen 37,35; Gen 42,38; Gen 44,29. 31; Num 16,30. 33).

Und in dieser שְׁאוֺל ["sche>ol"] sind die Verstorbenen auf irgendeine Art und Weise durchaus noch vorhanden. Die שְׁאוֺל ["sche>ol"] ist also nicht nur ein rein bildhafter Ausdruck für das Totsein, sie wird durchaus als Realität verstanden.

Das belegt etwa Jes 14, eine Stelle, in der der Prophet dem König von Babel prophezeit, dass dieser über kurz oder lang in der שְׁאוֺל ["sche>ol"] landen wird. Und um dieser Prophezeiung auch den nötigen Nachdruck zu verleihen, schildert Jesaja, wie die Schatten in der Unterwelt ein regelrechtes Spottlied auf den König von Babel singen.

"Die Scheol aber drunten ist deinetwegen aufgeschreckt in der Erwartung deines Kommens. Sie jagt die Schatten auf um deinetwillen, der Erde Fürsten insgesamt; lässt von ihren Thronen sich erheben alle Könige der Völker. Sie alle heben an und sprechen nun zu dir: "Auch du bist kraftlos nun wie wir, du bist uns gleich geworden? Hinab in die Scheol fuhr deine Pracht, das Rauschen deiner Harfen. Auf Moder bist du jetzt gebettet, Gewürm ist deine Decke..."" (Jes 14,9-11.)

Dass die Toten trotz ihres Dahinvegetierens in der שְׁאוֺל ["sche>ol"] für Israel immer noch eine Realität waren, dass ihnen eine Vorhandenheit eignete, das zeigt auch 1 Sam 28,3-25. Hier geht Saul ja zu einer Totenbeschwörerin nach Endor, um den "Totengeist" Samuels nach der Zukunft zu befragen.

Aber diese Vorhandenheit der Toten war eben kein Leben mehr, keine entfaltete und gefüllte Lebendigkeit. Die Verstorbenen sind nach der Vorstellung Alt-Israels ganz vom Leben getrennt. Das Band des Lebens ist so durchgeschnitten, dass die in der שְׁאוֺל ["sche>ol"] "Vorhandenen" nicht einmal mehr die Möglichkeit des Lobpreises haben (vgl. Ps 6,6; Ps 30,10; Ps 88,10ff; Ps 115,17, Jes 38,18).

Sie werden daher, wie wir ja bereits sahen, gerne auch als רְפָאִים ["repha>im"], als Schwache, als Kraftlose, bezeichnet.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkung

1 Vgl.: Alfons Deissler, Was wird am Ende der Tage geschehen? - Biblische Visionen der Zukunft (Freiburg 1991) 103-109. Zur Anmerkung Button