Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Israel gelangt nur durch "Jahwe-gerechtes" Wandeln zum heilvollen Ziel

Die Zukunftserwartung Israels war also bis ins 8. Jahrhundert v. Chr. hinein von einer ungeheuren Heilsgewissheit geprägt. Man lebte - verkürzt gesagt - gleichsam nach dem Motto: "Uns Erwählten kann letztendlich nichts Schlimmes passieren."

Diese optimistische Zukunftserwartung wurde nun vorab durch die Propheten zurechtgerückt.

1. Amos ⋅1⋅

Der aus Tekoa - südlich von Betlehem - ins Nordreich gerufene Prophet Amos (ab 760 v. Chr.) mahnt Israel davor, nicht einer falschen Sicherheit aufzusitzen. Israel soll ein Volk sein, das nach dem Jahwerecht lebt. Und das bedeutet nach Amos: nach den gottverordneten Menschenrechten zu leben. Darin soll Israel leuchtendes Beispiel für alle Nachbarnationen sein. Dies ist das eigentliche Ziel der Erwählung Israels (Am 3,2.)

Amos führt dem Volk aber weiter vor Augen, dass in Israel die Menschen ihrer Rechte auf Freiheit, Besitz, gerechtem Gericht und leiblicher Unversehrtheit systematisch beraubt werden. Israel bricht demnach das gottverordnete Menschenrecht beständig. Es hat also kein Recht mehr, sich Jahwe-Volk zu nennen. So muss Amos das Todesurteil des Bundesgottes für sein Bundesvolk verkünden. Der "Tag Jahwes" wird kein Tag der Glorie sein, er ist vielmehr der Tag des Gerichtes über Israel. ⋅2⋅

Dem Volk bleibt aber auch nach Amos noch eine Hoffnung:

"Suchet das Gute und nicht das Böse, auf dass ihr am Leben bleibt, damit Jahwe der Gott Zebaot, mit euch sei, wie ihr behauptet. Hasset das Böse und liebt das Gute und haltet aufrecht im Tore das Recht, vielleicht erbarmt sich Jahwe, der Gott Zebaot, über Josefs Rest." (Am 5,14-15.)

Dennoch ist die Erwartung des Amos aufs Ganze gesehen eher düster. Dieser von ihm geschilderte Ausweg wird nämlich - so weiß der Prophet bereits - vom Volk nicht gegangen werden. Das Strafgericht ist demnach beinahe unausweichlich. Am Ende wird nach Amos nur ein Zehntel übrigbleiben (Am 5,3), nur ein Rest wird das Strafgericht überstehen. ⋅3⋅

2. Hosea ⋅4⋅

Auch Hosea, der ein Jahrzehnt nach Amos auftritt, verurteilt die Haltung der Menschen im Nordreich aufs schärfste. Während Amos jedoch den Akzent auf das Menschenrecht legte, rückt Hosea das Grundgebot - nämlich "Jahwe allein!" - in den Vordergrund.

Sein Bild vom Ehebund bringt aber, im Vergleich zu Amos, am Ende auch wieder eine zukünftige Heilszeit in den Blick. Das Strafgericht wird Israel nicht völlig zerstören. Nach Hos 2,16-17 wandelt Jahwe das Strafgericht in ein Läuterungsgericht. Und wenn das Übel aus dem Volk ausgemerzt wird, dann wird Jahwe seinen Ehebund erneuern. Die Botschaft des Hosea kulminiert in der Verheißung eines "neuen Liebesbundes".

In Hos 2,18-25 - ich habe diesen Text bereits im Blick auf das Sprechen von Jahwe als Bräutigam zitiert - wird diese Heilszukunft in einem großen, faszinierenden Endzeitgemälde näher ausgemalt und als "endzeitliche Gottesehe" in den Glaubenshorizont Israels gestellt.

3. Jesaja ⋅5⋅

Ganz wichtig in unserem Zusammenhang ist auch der Prophet Jesaja. Wenn wir ihn nach seiner Botschaft für die Zukunft befragen, dann müssen wir schon bei seinem Berufungs-Erlebnis ansetzen. Die Berufungserfahrung Jesajas, die in Jes 6,1-7 geschildert wird, hat nämlich seine ganze Verkündigung geprägt. Der Gott des Propheten Jesaja ist der "dreimal Heilige".

a. Der "Tag Jahwes"

Vor den Augen dieses "Heiligen Israels" - wie Jesaja seinen Gott öfter nennt - kann Jerusalem und Juda aber nicht bestehen. Das Südreich war zwar zu Jesajas Zeiten nicht wie das Nordreich zum Baals-Kult abgefallen,

  • wohl aber teilte es mit Samaria das überhebliche Vertrauen auf irdische Mächte und Machtmittel.
  • Auch die schamlose Ausbeutung der Menschen durch die Mächtigen in Politik, in Wirtschaft und Gerichtswesen fand Jesaja in Juda vor.

So trat Jesaja in die Fußstapfen des Propheten Amos und verkündete den "Tag Jahwes" als den großen Gerichtstag.

"Verkriech dich in die Felsen, vergrab dich in den Staub vor dem Schrecken Jahwes, vor dem Glanz seiner Majestät, wenn er aufsteht, zu schrecken die Erde. Da werden die stolzen Augen der Menschen sich senken, und gedemütigt wird der Hochmut der Männer. Jahwe allein ist erhaben an jenem Tag. Denn der Tag für Jahwe Zebaot wird es sein über alles Stolze und Hohe und über alles, was aufragt, damit es erniedrigt wird: über alle Zedern des Libanon und über alle Eichen Baschans, über alle hohen Berge und alle ragenden Hügel, über jeden hohen Turm und jede feste Mauer, über alle Schiffe von Tarschisch und über jedes kostbare Schaustück. Da wird der Stolz der Menschen gebeugt und gedemütigt der Hochmut der Männer. Jahwe allein ist erhaben an jenem Tag." (Jes 2,10-17.)

Zwar ergeht diese große Gerichtsverkündigung zunächst gegen Jerusalem und Juda, sie gewinnt aber durch ihre Weiträumigkeit auch eine universale Dimension. Letztlich wird die ganze Israel umgebende Völkerwelt in die endgültige Beugung durch Jahwe mit einbezogen.

Dabei nimmt der Prophet die alte Vorstellung vom "großen Gottessturm" auf. Dieser bricht im äußersten Norden los und zerbricht, von verheerenden Erdstößen begleitet, erst die hohen Wälder des Libanon und des Baschan (= Golan), dann lässt er die Berge und Festungen mit ihren Riesenmauern bersten und braust die Mittelmeerküste entlang, bis er endlich zum Golf von Eilat durchstößt, um auch die "Tarschisch-Schiffe", also die großen Seeschiffe von damals, zu zerschmettern.

Diese Schilderung des Tages Jahwes reicht bereits an die späteren eschatologischen Texte der Propheten heran. Wahrscheinlich hat dieser Text die späteren Verkündigungen eines endzeitlichen Weltgerichtes sogar nicht unwesentlich beeinflusst.

b. Schear-Jaschub

Auch in Jes 7 begegnet uns solch eine eindrucksvolle Gerichtsandrohung. Es handelt sich hierbei um die berühmte "Immanuel"-Stelle, die erst in späterer Zeit den Charakter einer Verheißung erhielt. ⋅6⋅ Ursprünglich stellt das dort geschilderte Ereignis wohl eine ganz massive Drohung dar.

Geschildert wird, wie Jesaja zu König Ahas ging. Ahas war damals gerade dabei die Festungsanlagen verstärken lassen und zwar wegen des drohenden Angriffs der Könige von Damaskus und Samaria. Gleichzeitig war er entschlossen den Assyrer-König Tiglatpileser um Hilfe zu bitten. Ahas suchte also Schutz bei der Großmacht Assur.

In dieser Situation begab sich nun Jesaja zum König. Dabei nahm er seinen kleinen Sohn Schear-Jaschub mit sich. Durch die Mitnahme seines Sohnes wollte er seine Botschaft an den König unterstreichen. Der Name des Kindes hatte nämlich Symbolcharakter. Schear-Jaschub bedeutet zum einen "Rest kehrt heim". Damit wollte Jesaja zum Ausdruck bringen, dass das Vertrauen auf Mauern und den König von Assur Ahas überhaupt nichts bringen wird. Wenn er so verfährt, dann wird nur ein "Rest" aus der Kriegsgefangenschaft heimkehren (Jes 7,1-9.)

Schear-Jaschub hat aber auch die Bedeutung "Rest - kehrt um". Und das bedeutet, dass nur ein Rest Israels sich zu Jahwe bekehren und die drohende Vernichtung überstehen wird.

c. Das "Immanuel"-Zeichen

Der Prophet machte dem König sogar das Angebot, sich ein direktes Zeichen von Jahwe zu erbitten. Dadurch sollte ihm dann endgültig klar werden, dass er die Hilfe Assurs nicht nötig hätte.

Doch der Entschluss des Königs stand bereits fest. Er lehnt das Zeichen unter dem Vorwand, Gott nicht versuchen zu wollen, ab. Darauf verkündet ihm Jesaja das Gotteswort, das er als Antwort Jahwes auf diese ablehnende Haltung des Königs vernommen hat.

"Seht, das junge Mädchen wird empfangen und einen Sohn gebären und seinen Namen Immanuel (= Gott mit uns) nennen" (Jes 7,14).

Für den König musste die Ansage der Geburt dieses Knaben wie ein Richterspruch über seine Dynastie geklungen haben (vgl. Jes 16,11, Ri 13,5). Der Prophet verkündet ihm gleichsam die Geburt eines Gegenkönigs, das Ende seiner Dynastie. Weil der König nicht auf Jahwe vertraut, wird sein Haus und sein Reich untergehen.

d. Jesaja - auch Heilsprophet?

Der Name dieses "Gegenkönigs" stellt aber in sich auch eine Verheißung dar. Jesaja hat - vermutlich ohne selber im Augenblick die Tragweite seiner Worte abschätzen zu können - mit diesem Titel עִמָּנוּ אֵל ["<immanu >el"], "Gott mit uns", das fundamentale Stichwort für die Messiashoffnungen der künftigen Generationen gegeben.

Nach dem Untergang des Nordreiches 722 / 721 v. Chr. scheint er selbst in seiner Verkündigung, eine solche messianische Heilszeit ausdrücklich angesagt zu haben (Jes 8,23-9,6). ⋅7⋅

4. Zefanja ⋅8⋅

Über ein halbes Jahrhundert später griff dann Zefanja das Sprechen vom "Tag Jahwes" wieder auf.

a. Die Ankündigung eines "Tages Jahwes"

Nach der langen Regierungszeit des als "gottlos" bezeichneten Königs Manasse (ca. 699-643 v. Chr.) drohte Zefanja Jerusalem und Juda ein schauriges Gerichtsgemälde an. Für den Fall, dass Juda weiterhin in den Spuren des Königs Manasse wandle, wäre die Katastrophe unausweichlich. Am eindrucksvollsten ist dabei die Vorausschilderung des "Tages Jahwes" in Zef 1,14-18, eine rhetorisch unerhört packende Stelle:

"Nahe ist der Tag Jahwes, der große, nahe ist er, und er kommt gar bald. Horch! Der Tag Jahwes ist bitter, da stößt der Held den Kriegsschrei aus. Ein Tag des Zornes ist jener Tag, ein Tag der Bedrängnis und der Not, ein Tag des Verderbens und der Verwüstung, ein Tag der Finsternis und des Dunkels, ein Tag der Wolken und der Unwetter, ein Tag mit Trompetengeschmetter und Kriegsgeschrei wider die festen Städte und die hohen Türme. Da werde ich bange machen die Menschen, dass sie einhergehen wie Blinde, [denn gegen Jahwe haben sie gesündigt.] Ihr Blut wird verschüttet werden, als wäre es Staub, und ihre Eingeweide, als wäre es Unrat. Weder ihr Silber noch ihr Gold wird sie retten können. Am Tage, da Jahwe zürnt, im Feuer seines Zorneseifers wird verzehrt werden die ganze Erde. Denn ein Ende, und zwar ein schreckliches, wird er bereiten allen Bewohnern der Erde." (Zef 1,14-18.)

Interessant ist dabei, dass Zefanja selbst ursprünglich einen Gerichtstag Gottes über Juda und Jerusalem im Auge hatte (vgl. Zef 1,4-13; Zef 2,1-3). Diese Drohung ist in der Katastrophe von 587 / 586 v. Chr., in der Eroberung und Zerstörung Jerusalems, ja auch Wirklichkeit geworden.

Nun hat man aber den Prophetentext nach diesem Ereignis nicht einfach beiseite gelegt. Man hat ihn als neue Weissagung neu lesen gelernt. Die letzte Zeile, die von Zefanja verstanden wurde als...

"... Denn ein Ende, und zwar ein schreckliches, wird er bereiten allen Bewohnern des Landes." (Zef 1,18.)

... diese Zeile las man nun anders. Das hebräische Wort "Land" kann ja auch gleichzeitig "Erde" bedeuten. Und so interpretierte man Zef 1,18 in der Folge als...

"... Denn ein Ende, und zwar ein schrechlickes, wird er bereiten allen Bewohner der Erde." (Zef 1,18.)

Dadurch erhielt der Text einen universalen Horizont.

Zef 1,14-18 erhält dadurch aber auch eine eschatologische Perspektive. Der Text wird zur Vorankündigung eines universalen Weltgerichtes am Ende der Zeit. So konnte dieser Text schließlich auch die Basis für das spätere "Dies irae" der Christen abgeben.

b. Heilsverheißung in der Botschaft des Propheten Zefanja

Aber auch Zefanja sieht in der Zukunft Israels nicht nur Unheil. Denen, die jetzt umkehren und Jahwe getreu leben, denen stellt der Prophet Heil in Aussicht.

Dieses Heil erhalten die Umkehrenden aber nicht deswegen, weil sie sich durch diese Umkehr das Heil dann etwa wieder verdient hätten. Die Rettung hat alles andere als den Charakter einer Belohnung. Jahwe hätte Grund genug, das ganze Volk zu vernichten. Das Heil wird den Umkehrenden nur aufgrund des ungeschuldeten Erbarmens Gottes zuteil. Weil sich Gott eben desjenigen, der sich ihm zuwendet, aufgrund seiner Liebe erbarmt.

"Suchet Jahwe, all ihr Demütigen im Lande, die ihr sein Gebot erfüllt! Suchet Gerechtigkeit, suchet Demut! Vielleicht werdet ihr dann geborgen sein am Tage des Zornes Jahwes." (Zef 2,3.)

Nach dem Gericht aber eröffnet sich für diesen "Rest", der den "Tag-Jahwes" überstanden hat, eine neue heilvolle Zukunft. In einem Text, der in späterer Zeit stark überarbeitet worden ist, schildert dies der Prophet folgendermaßen:

"An jenem Tage brauchst du dich nicht mehr zu schämen all deiner Taten, womit du dich gegen mich vergangen hast, denn dann werde ich fortschaffen aus deiner Mitte deine stolzen Prahler, und nicht mehr wirst du übermütig sein auf meinem heiligen Berge. Ich werde übriglassen in deiner Mitte ein Volk demütig und gering, und bergen wird es sich im Namen Jahwes. Israels Rest. Sie werden kein Unrecht mehr tun, nicht mehr Lüge reden, und in ihrem Munde wird keine trügerische Zunge mehr gefunden werden." (Zef 3,11-13a.)

Das Eingreifen Gottes zielt also durch das Gericht hindurch letztlich auf das Heil. Aus dem Gericht lässt Jahwe einen "Rest" hervorgehen, den er zu einem "idealen Israel" wandeln wird. Dieses ideale Israel wird nur noch auf Jahwe bauen und darum allen Machtmitteln, allem Reichtum und allem irdischen Glanz entsagen. Mit ihm wird der Gottesbund endlich und endgültig gelingen.

Diese Verheißung zielt bereits bei Zefanja auf eine Endzeit, auf eine endgültige Zeit, in der es keinen Gedanken an einen erneuten Bundesbruch mehr gibt. Und durch den heutigen Kontext, der nach der späteren Überarbeitung diese Ankündigung ja ganz stark in einen universalen Horizont hineinstellt, gilt dies natürlich um so mehr.

Durch den Tag Jahwes hindurch greift die Verheißung des Zefanja-Buches auf eine endgültige Heilszeit aus.

5. Jeremia ⋅9⋅

Auch bei Jeremia wird deutlich, dass Jahwe letztlich dieses Heil will.

a. Der Ruf in die Umkehr

Gott beruft den Jeremia etwa um 625 v. Chr., also in der Zeit unmittelbar vor dem babylonischen Exil. Und er tut dies ja gerade, um das sich anbahnende Unheil von seinem Volk abzuwenden. Jeremia soll das bundesbrüchige Volk von Jerusalem und Juda vom Abgrund zurückrufen. Das Volk soll zur Umkehr bewegt werden. Jeremia war in den vier Jahrzehnten seines Wirkens beinahe ausschließlich als "Umkehr-Prediger" tätig.

Dabei erweist sich Jahwe als ein Gott voller Geduld und Langmut. Immer wieder droht Jeremia das göttliche Zorngericht an, immer wieder wartet Gott zu.

b. Die Verhängung des Strafgerichtes

Das endgültige Strafurteil muss Jeremia erst verkünden, nachdem die Repräsentanten des Volkes, die in einer feierlichen Eideszeremonie geschworen hatten, den Willen Jahwes zu tun, diesen Schwur unmittelbar darauf schon wieder brachen (Jer 24,8-22).

Wichtig ist hierbei, dass der König hier nicht nur irgendeinen Eid geschworen hatte. Er hatte diesen Schwur in Form des alten "Fluchsetzungseides" geleistet. Wir haben diese alte Form des Eides ja bereits beim Bundesschluss zwischen Gott und Abraham kennengelernt.

Jeremia schildert genau die gleiche Zeremonie. Er schildert, wie die Verantwortlichen Jerusalems ein Kalb in zwei Teile geteilt hatten und zwischen den Hälften dieses Opfertieres hindurchschritten. Dabei schwörten sie, dass es ihnen so wie diesem Tier ergehen sollte, wenn sie den Eid nicht halten würden (Jer 24,18).

Wichtig ist hierbei auch, was Gott vom König gefordert hatte. In der Vergangenheit waren nämlich Israeliten, also eigene Volksgenossen, in Jerusalem als Sklaven verkauft worden. Man hatte also Angehörige des jüdischen Volkes versklavt. Jeremia hatte nun gefordert, dass der König diese Sklaven freilassen sollte. Israel sollte wieder Jahwe-gerecht leben und Jahwe-gerecht leben heißt im Alten Testament immer zuallererst, dem Menschenrecht als Gottesrecht Geltung zu verschaffen.

Kurze Zeit später wurden aber bereits wieder Volksgenossen versklavt. Damit war dieser "Fluchsetzungseid", diese förmlichen Selbstverfluchung, gebrochen; der Gipfel des Bundesbruches schlechthin. Jeremia musste nun das endgültige Dekret Jahwes verkünden. Jahwe selbst wird das tun, was der König nicht bereit war zu tun. Er wird Freilassen. Aber wichtig ist hier, was er freilassen wird: Schwert, Pest und Hunger nämlich.

"So gewähre ich euch eine Freilassung - spricht Jahwe - für das Schwert und für die Pest und für den Hunger und mache euch zum Entsetzen für alle Königreiche der Erde." (Jer 34,17.)

Jeremia bezeugt also, dass Bundesbruch, also Bruch des Dekaloges, letztlich Durchbruch ins Unheil bedeutet. Und Jeremia verkündet das als unausweichliche Konsequenz. Wenn das Unheil nicht unmittelbar auf den Bundesbruch folgt, dann liegt das einzig und allein am souveränen Erbarmen Gottes, der schöpferisch eingreift und zuwartet. Verhindert werden kann das Unheil dann aber letztlich nur durch die Umkehr. Bleibt der Mensch beim Bundesbruch, dann bricht er ins Unheil durch.

c. Berufungs-Prophet gegen Berufs-Propheten

Jeremia musste diese Botschaft gegen heftigsten Widerstand verkünden. Er war sich sicher, dass er genau dazu berufen war. Und er kämpfte als "Berufungs-Prophet" gegen die Fülle der "Berufs-Propheten".

Diese Berufs-Propheten wiegten das Volk nämlich in Sicherheit. Sie verkündeten immer wieder, dass der Gott der Erwählung und des Bundes letztlich immer "Schalom" schenken wird. Und vor allem verkündeten sie, dass Gott seinen heiligen Tempel und damit die Stadt Jerusalem nie der Zerstörung anheimgeben würde.

Jeremia nannte diese Propheten Illusions- und Lügenpropheten. Aber natürlich hörten die Menschen die Botschaft dieser Heilspropheten lieber, als die Drohbotschaft des Jeremia. Die Geschichte aber hat letztlich ihm recht gegeben. Nicht die "Illusionisten", sondern der "Realist" Jeremia und seine wenigen Jünger wurden von der Geschichte bestätigt.

d. Das zukünftige Heil

Aber auch nach der Botschaft des Jeremia würde das große Gericht nicht die Auslöschung Israels bringen. Jahwe ist nämlich ein Gott der Treue und er steht trotz allem prinzipiell zur einmal vollzogenen Erwählung.

Zuerst sagte er dem ja bereits 722 v. Chr. untergegangenen Nordreich das zukünftige Heil an, z. B. im Gottesspruch von Jer 3,12-13:

"Kehre zurück, Abtrünnige Israel, spricht Jahwe, ich will dir nicht mehr böse sein, denn ich bin gnädig, spricht Jahwe. Aber erkenne deine Schuld, dass du gegen Jahwe deinen Gott gefrevelt hast, indem du kreuz und quer gelaufen bist (auf der Suche) nach Fremden, auf meine Stimme aber nicht hörtest, spricht Jahwe." (Jer 3,12-13.)

Und in Jer 32,6-15 wird deutlich, dass auch dem Südreich wieder zukünftiges Heil in Aussicht gestellt ist.

Noch während der Belagerung Jerusalems durch das Heer der Babylonier ging Jeremia hin und kaufte einen Acker in Anatot. Und diese eigentlich widersinnige Handlung deutete er mit folgendem Spruch:

"Man wird noch einmal Häuser und Äcker kaufen in diesem Lande." (Jer 32,15).

Diese heilvolle Zukunft ist aber noch nicht nahe. Darum schreibt Jeremia den Verschleppten im Exil auch einen Brief. Er fordert sie auf:

"Baut Häuser und bewohnt sie, pflanzt Gärten an und esst ihre Frucht, nehmt Frauen und erzeugt Söhne und Töchter, und nehmt euren Söhnen Frauen und gebt eure Töchter an Männer, damit die Söhne und Töchter gebären, und ihr euch mehret und nicht vermindert. Bemüht euch um die Wohlfahrt des Landes, in das ich euch verbannt habe, und betet für es zu Jahwe. Denn auf seiner Wohlfahrt beruht eure Wohlfahrt. Denn so spricht Jahwe: Erst wenn volle siebzig Jahre für Babel abgelaufen sind, werde ich euch heimsuchen und mein Verheißungswort an euch erfüllen, euch an diese Stätte zurückzubringen. Denn ich weiß wohl, was für Gedanken ich über euch hege - spricht Jahwe - Gedanken des Heils und nicht des Unheils, euch eine Zukunft und eine Hoffnung zu geben." (Jer 29,5-11.)

Dieser Brief des Jeremia an die Verbannten ist zwar später stark überarbeitet worden, im Kern geht er aber sicher noch auf den Propheten selbst zurück.

Jeremia handelt dabei noch nicht darüber, was für eine Zukunft das sein wird. Er sagt nicht, dass sie endgültig oder am Ende der Zeiten erreicht werden wird.

Aber gerade weil Jeremia nicht darüber handelt, bleibt die Perspektive seines Wortes ja dafür offen. Das heilvolle "Danach", von dem Jeremia spricht, wird demnach in der späteren Reflexion zum verheißenden Angeld einer absoluten Zukunft, auf die alle Geschichte zugeht. ⋅10⋅

Diese Zukunftsperspektive wird dann in Israel vor allem in der Zeit des Exils entwickelt.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Vgl.: Alfons Deissler, Was wird am Ende der Tage geschehen? - Biblische Visionen der Zukunft (Freiburg 1991) 26-28. Zur Anmerkung Button

2 "Ist dieses Urteil ein unbedingtes, das keinen Raum mehr für Begnadigung offenlässt? Das wird von manchen Theologen, die unter dem Einfluß einer strengen Prädestinationslehre stehen, behauptet. Sie sprechen den Mahnreden, die sich auch bei Amos finden (vgl.: 5,6. 14. 15. 24), nur die Funktion zu, Israel noch tiefer in seine Schuld hineinzustoßen. Das aber ist eine unbeweisbare Ideologie. "Sucht das Gute, und haßt das Böse! Haßt das Böse, und liebt das Gute" (5,14. 15) und "Das Recht ströme wie Wasser, die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach" - diese unstreitig positiven "Anreden" bezeugen, daß Israel noch die Möglichkeit der Umkehr hat. Wiewohl etwa 5,6 ("Sucht Jahweh, dann werdet ihr leben. Stellt das Recht her im Tor! Sonst dringt er in das Haus Josef ein wie ein Feuer, das frißt, und niemand löscht Bet-Els Brand") von manchen Kommentatoren erst der Amos-Schule zugesprochen wird, würde auch das noch ein Zeugnis für unsere Deutung sein - oder sollten die Jünger den Meister in einem zentralen Punkte mißverstanden haben? Daß Amos andererseits mit der Rettung wenigstens eines "heiligen Restes" aus der angesagten Katastrophe gerechnet hätte, kann aus 3,12 ("Wie ein Hirt aus dem Rachen des Löwen noch zwei Wadenknochen oder den Zipfel eines Ohres rettet...") allein nicht gefolgert werden."
(Alfons Deissler, Was wird am Ende der Tage geschehen? - Biblische Visionen der Zukunft (Freiburg 1991) 27.) Zur Anmerkung Button

3 "Daß sie [dieser Rest] Hoffnungsträger für die Zukunft seien, wird allerdings nirgendwo gesagt. Erst der jetzige Schluß des Amosbuches hat Verheißungscharakter: Die zerfallene Hütte Davids ersteht wieder! Doch Am 9,11-15 stammen nicht vom Propheten des 8. Jahrhunderts. Der Text entwirft die Zukunft so, daß sie zwar als Überbietung der unter David einst geglückten Vergangenheit erscheint, aber dennoch ganz in der Perspektive einer welthaften Segenssphäre verbleibt."
(Alfons Deissler, Was wird am Ende der Tage geschehen? - Biblische Visionen der Zukunft (Freiburg 1991) 27-28.) Zur Anmerkung Button

4 Vgl.: Alfons Deissler, Was wird am Ende der Tage geschehen? - Biblische Visionen der Zukunft (Freiburg 1991) 28-33. Zur Anmerkung Button

5 Vgl.: Alfons Deissler, Was wird am Ende der Tage geschehen? - Biblische Visionen der Zukunft (Freiburg 1991) 33-38. Zur Anmerkung Button

6 "Eine spätere Hand hat offensichtlich die Drohung für Juda in eine Androhung für das Land der Feindkönige verändert. Nur unter dieser gut begründeten Annahme erhält der Text eine einheitliche Linie."
(Alfons Deissler, Was wird am Ende der Tage geschehen? - Biblische Visionen der Zukunft (Freiburg 1991) 36.) Zur Anmerkung Button

7 "Wurde Jesaja später - etwa nach dem Untergang des Nordreiches 722 / 721 - ermächtigt, Israel eine messianische Heilszeit in 8,23-9,6 vor Augen zu stellen? Vieles spricht dafür, insbesondere die durchscheinende geschichtliche Situation. Freilich wachsen die exegetischen Stimmen derer, die dem Propheten des 8. Jahrhunderts diesen Verheißungstext absprechen. Gewißheit darüber ist kaum zu erlangen. Auf die inhaltliche Darlegung und Entfaltung dieser großen prophetischen Ankündigung werden wir im Abschnitt über die messianischen Erwartungen Israels zurückkommen.
Am Schluß sei die Frage erlaubt, ob Jesaja, dessen Name ja "Jahweh ist Rettung" bedeutet, tragischerweise nur zum Unheilspropheten für Israel von Gott bestellt wurde. Der heutige Trend der Forschung neigt dazu, diese Frage zu bejahen. Aber die Exegese hat schon viele Trend-Wenden gekannt."
(Alfons Deissler, Was wird am Ende der Tage geschehen? - Biblische Visionen der Zukunft (Freiburg 1991) 37.) Zur Anmerkung Button

8 Vgl.: Alfons Deissler, Was wird am Ende der Tage geschehen? - Biblische Visionen der Zukunft (Freiburg 1991) 38-40. Zur Anmerkung Button

9 Vgl.: Alfons Deissler, Was wird am Ende der Tage geschehen? - Biblische Visionen der Zukunft (Freiburg 1991) 40-43. Zur Anmerkung Button

10 Dies wird unterstrichen durch die im Jeremiabuch auf Kapitel 29 folgende sogenannte "Trostschrift" (Jer 30,1-31,40). In ihr kommt zwar die Nacharbeit der Jeremia-Schule ganz deutlich zum Zuge, aber die Grundanstöße zu den hier formulierten Heilsverheißungen - u. a. die Verkündigung eines "neuen Bundes" (Jer 31,31ff) - kamen gewiss von Jeremia selbst.
(Vgl.: Alfons Deissler, Was wird am Ende der Tage geschehen? - Biblische Visionen der Zukunft (Freiburg 1991) 43.) Zur Anmerkung Button