Kar- und Ostertage 2020

ein wahrhaft besonderes Osterfest


Zeit der Hauskirche

Freitag, 27. März 2020

"Eucharistie möglich machen - auch unter hygienepolizeilicher Einschränkung der Lebensräume, darum muss es doch jetzt gehen! Die Kirche kennt seit frühester Zeit eine angemessene Antwort auf die erzwungene Reduktion ins Private: es ist die Hauskirche, der Ort, "wo zwei oder drei zusammen sind in meinem Namen". Mit denen das Herrenmahl feiern, die nun Schicksalsgenossinnen und -genossen sind im Exil von Haus und Heim. Es dort feiern, wo das als eine gemeinsame Praxis auch wirklich möglich ist, anstatt Mitte und Höhepunkt des Glaubens zu delegieren oder zu konsumieren."

Von Daniel Bogner, Professor für Moraltheologie und Ethik an der Universität Fribourg in der Schweiz, stammt dieser Abschnitt, der gestern als Teil eines Artikels unter der Überschrift "Diese Krise wird auch die Kirche verändern" auf katholisch.de erschien. Darin handelt Prof. Bogner unter anderem davon, wie hilflos manche Versuche von Kirche und Pfarrgemeinden anmuten, Menschen in der jetzigen Lage hilfreich zur Seite zu stehen. Aufrufe zum Kerzenanzünden, Herzchen ins Fenster hängen oder gemeinsames Musizieren bezeichnet er als digital-pastoralen Budenzauber. Und auch Gottesdienstübertragungen sind für ihn nicht die Lösung.

Für den einen oder die andere mag die Ausstrahlung von Gottesdiensten im Fernsehen oder via Internet ja hilfreich sein. Viele ältere Menschen nutzen gerade die Fernsehgottesdienste schon lange, sind für diese Form dankbar und haben sich daran gewöhnt. Und mag sein, dass manch jüngerer Mensch auch bei Kommunikation via Smartphone echte Gemeinschaft erlebt. Für viele - einschließlich meiner selbst - ist das allerdings keine wirkliche Alternative.

Sicher schaue ich Filme im Fernsehen. Und wenn sie spannend genug sind, dann schalte ich dazwischen auch nicht einfach um. Meist aber ist Fernsehen für mich zu einem "Nebenbei Medium" geworden. Da kann man durchaus zwischendrin mal das Geschirr abräumen oder irgendwelche Unterlagen sortieren.

Abendmahl

Abendmahlsdarstellung in den Kalistus-Katakomben in Rom

Foto: Jörg Sieger

Daran ändert sich für mich prinziell auch nichts, wenn Übertragungen jetzt als "live" angepriesen werden - Live­streaming ins Internt! Einen Unterschied zwi­schen Live-Übertragung und Konserve erlebt man viel­leicht noch bei Fußballspielen, bei denen es kaum noch große Spannung gibt, wenn man sie zeit­versetzt schaut und das Ergebnis bereits kennt.

Keine Übertragung aber - we­der im Fernsehen noch über sonstige Medien - kommt auch nur im Entferntesten an das heran, was es für mich bedeutet, etwas wirklich zu erleben. Deshalb ist es für mich auch nicht besonders hilfreich, wenn Theater jetzt kostenlose Angebote via Internet machen. Selbst eine Liveübertragung vermittelt mir nicht das Gefühl, wirklich dabei zu sein. Ob ich da jetzt eine DVD einlege oder ein Live-Streaming-Angebot nutze, macht da für mich gefühlsmäßig keinen Unterschied.

Deshalb wurde ich auch so hellhörig bei oben erwähntem Absatz aus Prof. Bogners Artikel. "Glaube heißt Zusammenkommen - unvertretbar und notwendig" schreibt er. Und ich spüre, wie da innerlich alles in mir zustimmt. Von Anfang an haben sich Christen getroffen, um miteinander das Brot zu brechen. In Zeiten von Verfolgung taten sie das selbst angesichts der Gefahr für Leib und Leben.

Schon seit Jahren frage ich mich deshalb, warum unsere Kirche immer weniger Wert auf die gemeinsame Feier des Herrenmahles in den Gemeinden vor Ort legt. Wir sprechen zwar davon, dass dies die Mitte unseres Glaubens sei, dass Kirche aus der Eucharistie lebe (Johannes Paul II., Enzyklika "Ecclesia de Eucharistia" vom 17. April 2003). Gleichzeitig aber wird Gemeinden erklärt, dass sie alternative Feiern nutzen müssten, weil es eben zu wenig Priester gäbe. Und ich werde das Gefühl nicht los, dass es einigen Kreisen in unserer Kirche völlig ausreicht, wenn irgendwo ein Priester - und sei es völlig alleine - die Eucharistie feiert. Ihnen scheint es mir vor allem darum zu gehen, dass der Ritus absolviert und Gott ein Opfer dargebracht werde. Dass es sich bei der Messe um eine gemeinsame Feier handelt, Feier des Gottesvolkes, spielt dort nicht wirklich eine Rolle. Dabei wird völlig vergessen, dass das Neue Testament genau diesen Opferpriester alttestamentlichen Zuschnittes nicht wollte. Der neutestamentliche Presbyter bringt kein Opfer dar.

Ich habe deshalb auch nicht verstanden, dass von Seiten der Bischöfe auf die Anordnung, dass Gottesdienste jetzt nicht stattfinden können, nichts anderes kam, als ein: "Dann ist das jetzt halt so." Man stand lediglich vor der Frage, wie die Pfarrer ihrer Pflicht nachkommen können, "die heilige Messe für die ihnen anvertrauten Gemeinden und in deren Anliegen zu feiern". Vielerorts wurde sie mit der Empfehlung beantwortet, dass Priester momentan eben alleine feiern sollen. Und das soll die Lösung sein?

Vielleicht bietet sich in der Virus-Krise dieser Tage eine andere Lösung für diese Kirchen-Krise an. Und vielleicht ist diese Lösung ja genau die Chance für all diejenigen, die auch in virtuellen Zeiten darauf angewiesen sind, Gemeinschaft analog zu erleben. Wir müssen nur die Formen der Anfänge wieder neu entdecken.

Daniel Bogner fragt sich, welcher Bischof oder Papst angesichts des geistlichen Mangels den Mut habe, für Ostern ein Sonderformular herauszugeben, das Menschen ermöglicht, in ihren Häusern, in der Hausgemeinschaft, mit einer Nachbarin oder einem Nachbarn zusammen, gemeinsam das Herrenmahl zu feiern.

Aber müssen wir denn auf einen Papst oder Bischof warten? Braucht es dazu wirklich ein offizielles Formular, wo wir doch eigentlich alles haben, was wir benötigen?

Dieser Jesus von Nazareth hat Menschen klar gemacht, dass sie keinen Mittler zwischen sich und dem allmächtigen Gott brauchen. Er hat sie gelehrt, dass jeder und jede Gott direkt ansprechen und ihn Vater nennen darf. Und in diesem Bewusstsein haben sich die ersten Gemeinden getroffen, die Schrift gelesen, das Brot gebrochen und das in der Gewissheit, dass der Herr hierbei mitten unter ihnen war. Warum tun wir nicht genau das auch heute wieder?

Menschen, denen gottesdienstmäßig schon nichts mehr fehlt, werden in diesen Tagen auch nichts vermissen. Menschen, die den Fernsehgottesdienst bereits gewohnt sind, haben ihre Hilfestellung schon gefunden. Diejenigen, die die ganz analoge Feier in Gemeinschaft brauchen, können sich an den Hausgemeinden der Anfangszeit orientieren. Familien sind sowieso schon zusammen. Und selbst wer alleine wohnt, wird doch - so er nicht unter Quarantäne steht - auch in diesen Tagen nicht ganz ohne persönliche Kontakte sein. Wenn sich aber zwei Menschen selbst nach den derzeitigen Rechtsverordnungen in der Öffentlichkeit gemeinsam aufhalten dürfen, dann kann ihnen auch niemand verwehren zusammen zu beten.

Feiern des Herrenmahles in den Hauskirchen - kirchenrechtlich betrachtet werden das keine Eucharistiefeiern sein. Aber ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, dass der Herr sich nicht unbedingt an das Kirchenrecht hält. Ich bin mir ganz sicher, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, wo Menschen gemeinsam das Brot brechen, dort wird er wahrhaftig mitten unter ihnen sein.

Jörg Sieger

Als wir am ersten Wochentag versammelt waren, um das Brot zu brechen, redete Paulus zu ihnen, denn er wollte am folgenden Tag abreisen; und er dehnte seine Rede bis Mitternacht aus. In dem Obergemach, in dem wir versammelt waren, brannten viele Lampen. Ein junger Mann namens Eutychus saß im offenen Fenster und sank, als die Predigt des Paulus sich länger hinzog, in tiefen Schlaf. Und er fiel im Schlaf aus dem dritten Stock hinunter; als man ihn aufhob, war er tot. Paulus lief hinab, warf sich über ihn, umfasste ihn und sagte: Beunruhigt euch nicht: Er lebt! Dann stieg er wieder hinauf, brach das Brot und aß und redete mit ihnen bis zum Morgengrauen. So verließ er sie. Den jungen Mann aber führten sie lebend von dort weg. Und sie wurden voll Zuversicht.

(Apostelgeschichte 20,7-12)

Für all diejenigen, die gerne die Kar- und Ostertage zuhause feiern möchten, sich aber eine Anleitung und Hilfestellung wünschen, gibt es an dieser Stelle entsprechende Handreichungen - auch zum Ausdrucken und Weitergeben.