Kar- und Ostertage 2020

ein wahrhaft besonderes Osterfest


Déjà-vu

Palmsonntag, 5. April 2020

Wenn ich im Moment "Heute spezial" oder "ARD extra" schaue, kommen in mir Befürchtungen hoch, dass sich - wie so oft in der Geschichte - etwas wiederholt. Ich denke an das Jahr 2015 und die Willkommenskultur. Wie sehr haben mich damals die Bilder der vielen Helferinnen und Helfer gefreut!

Und dann kippte auf einmal die Stimmung, es wurde eine Flüchtlingskrise heraufbeschworen, Angst vor Fremden, Sorge, jemand könne einem den Arbeitsplatz wegnehmen oder die Wohnung, machte sich breit. Ich kannte "mein Land" nicht wieder.

Und nun? Ich höre viel von Nachbarschaftsinitiativen, Einkaufshilfen und Solidarität. Das freut mich. Ich erlebe aber auch Menschen, die sich vordrängeln, durch Hamsterkäufe anderen Lebensmittel wegschnappen oder es tatsächlich einen Kampf um das vielbeschworene Toilettenpapier gibt.

Und ich höre Berichte von Hasstiraden auf französische Nachbarn in der Grenzregion. Höre Aussagen von Menschen, die meinen, Französinnen und Italiener dürften nicht nach Deutschland ausgeflogen werden und unsere Intensivbetten belegen, die knapp werden könnten.

Wieder, wie 2015 geht es um Abschottung, darum Grenzen dicht zu machen, niemanden rein zu lassen.

Wenn ich so etwas höre, wird mir Himmelangst.

Wo bleibt da unsere Solidarität, unser Mitgefühl, vor allem auch unsere Christlichkeit?

Ich muss an die Propheten des Alten Testaments denken, an die Mahnerinnen und Rufer, die Solidarität forderten, Einsatz für Arme und Unterdrückte.

Gott fordert von uns Hinwendung zum Nächsten. Die sehe ich nicht nur bei Besorgungen für die alte Nachbarin. Die sehe ich auch nicht nur im Gebet. Ja, das Gebet ist wichtig. Aber wenn in Italien und Frankreich Tausende sterben, ist tatkräftige Hilfe statt geschlossener Grenzen angesagt! Gottes- und Nächstenliebe stehen immer im Einklang!

Ich bitte Gott um Einsicht und Weisheit für uns, dass nach der Pandemie das Haus Europa noch steht, dass unsere Werte stabil bleiben und ich das, was mir wichtig ist, noch vorfinde. Ich hoffe, dass Mitleid und Nächstenliebe weltweit gestärkt werden. Ich bitte darum, dass nicht Konkurrenzkampf und Missgunst, die Angst, zu kurz zu kommen, siegen und ein Denken, bei dem jeder nur sich selbst sieht, sondern, dass das, was nach dem 2. Weltkrieg aufgebaut wurde, nicht verloren geht.

Marieluise Gallinat-Schneider

Hört dieses Wort, die ihr die Armen verfolgt / und die Gebeugten im Land unterdrückt! Ihr sagt: Wann ist das Neumondfest vorbei, dass wir Getreide verkaufen, / und der Sabbat, dass wir den Kornspeicher öffnen können? Wir wollen das Hohlmaß kleiner und das Silbergewicht größer machen, / wir fälschen die Waage zum Betrug, um für Geld die Geringen zu kaufen / und den Armen wegen eines Paars Sandalen. / Sogar den Abfall des Getreides machen wir zu Geld. Beim Stolz Jakobs hat der HERR geschworen: / Keine ihrer Taten werde ich jemals vergessen.

(Amos 8,4-7)