Kar- und Ostertage 2020
ein wahrhaft besonderes Osterfest
Starke Frauen
Mittwoch, 15. April 2020
Ich habe in einem Artikel gelesen, die Corona-Epidemie sei die Stunde der starken Männer. Ich habe meine Probleme mit dem Ruf nach einem starken Mann - gerade in Krisen. Wir befinden uns in der Osterwoche. Da ist mir der Blick auf die Frauen näher. Lenken wir den Blick auf die ersten am Grab, lenken wir den Blick auf die Frauen.
Da gibt es die Frauen, die die ersten Osterzeuginnen sind. Es wird in den Evangelien davon berichtet, dass Maria aus Magdala zu denen gehörte, die "von weitem zusahen", als Jesus gekreuzigt wurde (Mt 27,55-56). Sie gehörte auch zu denen, die "dem Grab gegenüber" saßen (Mt 27,61). Im Johannesevangelium wird zusätzlich davon berichtet, wie der Auferstandene ihr am Ostermorgen erschien (Joh 20,11-18).
Angebliche Reliquien der Maria Magdalena -
Vézelay, Burgund
Foto: Jörg Sieger
Einzig und allein das Lukasevangelium weiß davon zu berichten, dass Jesus von einigen Frauen begleitet wurde, die er von Krankheiten geheilt habe. Sie hätten Jesus und die Jünger auch finanziell unterstützt. In diesem Zusammenhang wird erwähnt, dass Jesus aus "Maria Magdalene", sieben Dämonen ausgetrieben habe (Lk 8,2-3).
Im Laufe der Zeit wurden diese spärlichen Notizen weiter entfaltet und ausgeschmückt. Schon früh wird eine erotische Beziehung zwischen jener Maria Magdalene und Jesus vermutet. Wohl um 160 n. Chr. entstand das ihr zugeschriebene und stark gnostisch geprägte "Evangelium der Maria" mit Dialogen zwischen dem Auferstandenen und seinen Jüngerinnen und Jüngern.
2018 wurde um Ostern herum in den deutschen Kinos ein Film über Maria Magdalena gezeigt, der von der Austreibung der Dämonen ausgehend ihre Rolle bis zum Tod Jesu und dem Erscheinen des Auferstandenen aufzeigt. Sicherlich spekulativ, nicht biblisch belegt, aber eine Hommage an eine Frau, die zu den wichtigsten Menschen im Kreise der Jüngerinnen und Jünger um Jesus gehört.
Ehre, wem Ehre gebührt!
Am 22. Juli feiern wir das Fest der heiligen Maria Magdalena. Sie hat inzwischen etwas geschafft, was sonst keiner Frau in der Kirche zuteil wurde: Sie wurde, weil sie als die Erste genannt ist, die dem Auferstandenen begegnete, schon in der Alten Kirche als Apostelgleiche verehrt. Im 3. Jahrhundert erhielt sie von Hippolyt von Rom die ehrenvolle Bezeichnung "Apostola apostolorum" – "Apostelin der Apostel". Lange Zeit war es dann aber still um ihre Person. Der Vatikan hat ihre Rolle am 10. Juni 2016 erneut aufgewertet und sie liturgisch den Aposteln gleichgestellt. Der bisherige "gebotene Gedenktag" am 22. Juli wurde in der katholischen Kirche in ein "Fest" umgewandelt.
Von der Sünderin zur Apostelin!
Maria Magdalena als Apostelin, wie soll da die alleinige Männerhierarchie noch begründet werden? Natürlich werden jetzt Klimmzüge veranstaltet, um zu verdeutlichen, dass sie damit nicht den Aposteln gleichgestellt wurde und ihre Funktion nicht mit der der Männer zu vergleichen ist.
Aber das ist für viele Menschen nicht nachvollziehbar. Durch diesen Schritt, egal wie sehr er relativiert wurde, wurde für viele Frauen der Ruf nach der Diakonninenweihe noch lauter. Die Protestbewegung Maria 2.0. hat im letzten Jahr auch immer wieder daran erinnert, dass es im Kreis um Jesus starke Frauen gab, die eine besondere Rolle spielten. Der Streik der Frauen im Marienmonat Mai hat deutschlandweit Aufsehen erregt und viel Anerkennung gefunden. Die Frauen fordern, in ihrer Position aufgewertet zu werden, als Frau in der Kirche eine andere Rolle zu spielen, als bisher.
Zur Apostelin erhoben wurde Maria von Magdala genau aufgrund des Osterevangeliums. Ihr erschien der Auferstandene als erstes. Nicht die "starken Männer" in ihrem Wettlauf zum Grab, in ihrem Konkurrenzkampf, sind die wichtigsten Zeugen. Nein, da ist eine Zeugin. Aber ihr Schicksal ist typisch. Sie als Frau berichtet davon, dass ihr der Auferstandene begegnet ist. Ihr einer Frau. Die Männer glauben ihr nicht.
In den Urgemeinden hören wir auch von Frauen, die den Glauben verkünden und die Hausgemeinschaften, die Keimzellen der frohen Botschaft sind, am Leben erhalten. Ich denke da an die Frauen im Umfeld von Paulus, an Phoebe, an Lydia, an Priska und an Junia, die im Laufe der Jahrhundert zu einem Junias wurde.
Was wäre die Kirche ohne Frauen?
Auch jetzt sind es die Frauen, die in den Pflegeberufen Unglaubliches leisten, die zu Hause versuchen - trotz Homeoffice - das Lernen der Kinder zu betreuen, mit ihnen zu spielen, sich kreative Ideen gegen die Langeweile einfallen zu lassen oder mit leckeren Kochideen die Familie bei Laune zu halten. Vielfach bleibt das konventionelle Rollenbild bestehen und hat sich auch im 21. Jahrhundert nicht verändert. Auch in der Familie ist das Frauenbild oft noch von überkommenen Verteilungen geprägt. Trotz der Tatsache, dass Frauen - abgesehen von der katholischen Kirche - alle Berufe offen stehen, bleibt ihre Rolle oft sehr traditionell.
Ich meine, wir sollten angesichts der Krise den Blick nicht so sehr auf starke Männer richten, die uns sagen, wie wir uns zu verhalten haben, als auf die starken Frauen, die in diesen Stunden den Menschen im Land helfen.
Marieluise Gallinat-Schneider
Als Jesus am frühen Morgen des ersten Wochentages auferstanden war, erschien er zuerst Maria aus Magdala, aus der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte. Sie ging und berichtete es denen, die mit ihm zusammengewesen waren und die nun klagten und weinten. Als sie hörten, er lebe und sei von ihr gesehen worden, glaubten sie es nicht.
Evangelium nach Markus 16,9-11