Kar- und Ostertage 2020

ein wahrhaft besonderes Osterfest


Nichts ist für die Ewigkeit

Dienstag, 14. April 2020

Vor einem Jahr brannte Notre-Dame de Paris. Ich habe die Bilder noch vor Augen, als wäre es gestern gewesen. Und es hätte nicht viel gefehlt und dieses Wahrzeichen einer ganzen Nation wäre in sich zusammengestürzt. Paris ohne Notre-Dame - für mich absolut unvorstellbar. Um ein Haar wäre es Wirklichkeit geworden.

Notre-Dame de Paris

Wie ein Bild aus einer anderen Welt...

Foto: Jörg Sieger, 1. Mai 1980

Dieser Brand hat mir wieder einmal vor Augen geführt, wie schnell es gehen kann, wie plötzlich Unvorstellbares Realität wird. Es ist Nichts für die Ewigkeit.

Bei Bauwerken kennen wir das. Wie viele sind in der Geschichte urplötzlich verschwunden? Antike Tempel fielen Erdbeben zum Opfer, ganze Städte verschwanden durch Vulkanausbrüche und Bombenangriffe radierten in wenigen Stunden unterschiedslos Hütten wie Paläste aus.

Aber was für Gebäude gilt, gilt auch für unser Verhalten, unsere ganze Art zu leben. Auch hier ändern sich die Dinge. Was vormals undenkbar war, wird plötzlich zur Normalität. Und was man nie für möglich gehalten hätte, ist auf einmal unverzichtbar.

Verhalten ändert sich meist langsam, unmerklich, über Jahre und Jahrzehnte hinweg. Manchmal aber geht es auch schlagartig.

Am 30. April 2017 - vor ziemlich genau drei Jahren - legte der damalige Innenminister Thomas de Maizière zehn Thesen zur Skizzierung einer deutschen Leitkultur vor. Er beschrieb die "Dinge" - so fasste es Zeit-online zusammen ⋅1⋅ - "die die Deutschen im Innersten zusammenhielten, sie ausmachten und sie von anderen unterschieden".

Die allererste These Thomas de Maizières lautete:

"1. Wir legen Wert auf einige soziale Gewohnheiten, nicht weil sie Inhalt, sondern weil sie Ausdruck einer bestimmten Haltung sind: Wir sagen unseren Namen. Wir geben uns zur Begrüßung die Hand. Bei Demonstrationen haben wir ein Vermummungsverbot. "Gesicht zeigen" - das ist Ausdruck unseres demokratischen Miteinanders. Im Alltag ist es für uns von Bedeutung, ob wir bei unseren Gesprächspartnern in ein freundliches oder ein trauriges Gesicht blicken. Wir sind eine offene Gesellschaft. Wir zeigen unser Gesicht. Wir sind nicht Burka." ⋅2⋅

Ich erinnere mich an unzählige Diskussionen in den Jahren nach 2015 mit Haupt- und Ehrenamtlichen in der Flüchtlingsarbeit. Was war das für eine Katastrophe. Da gab es plötzlich Menschen, die hier leben wollten, aber uns nicht die Hand gaben. Von Identitätsverlust und Überfremdung war die Rede.

Seit wenigen Wochen hängen bei uns in vielen Büros und in noch offenen Werkstätten und Geschäften Hinweiszettel mit der Aufschrift:

"Wir sind nicht unhöflich, wir sind umsichtig. Wir verzichten auf das Händeschütteln und schenken Ihnen lieber ein Lächeln."

Schlagartig - von einem Tag auf den anderen. Nichts ist eben für die Ewigkeit.

Jörg Sieger

Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres. Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Dann wird man den Menschensohn in einer Wolke kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe.

Evangelium nach Lukas 21,25-28

Anmerkungen

1 Vgl.: https://www.zeit.de/politik/deutsch­land/2017-04/thomas-demaiziere-innenminister-leitkultur/komplettansicht (abgerufen am 14. April 2020). Zur Anmerkung Button

2 https://www.zeit.de/politik/deutsch­land/2017-04/thomas-demaiziere-innenminister-leitkultur/komplettansicht (abgerufen am 14. April 2020). Zur Anmerkung Button