Kar- und Ostertage 2020

ein wahrhaft besonderes Osterfest


Zuhause bleiben

Freitag, 24. April 2020

SWR Aktuell gehört für mich augenblicklich fast zum Pflichtprogramm. Ist mir wichtig, zu wissen, was im Land los ist. Und die Tagesschau im Anschluss gehört dann natürlich auch dazu.

Ich könnte da eigentlich gerade weiterschauen. Sie wird ja auch im SWR-Fernsehen übertragen. Augenblicklich schalte ich dennoch fast regelmäßig ins "Erste" um. Und das aus einem einfachen Grund: Es nervt mich nämlich zusehends.

Die Einblendungen in den Dritten Programmen oder auch bei vielen Privatsendern - "Für euch da", "Zuhause bleiben" und dann "#zusammenhalten" oder "#miteinander" - ich kann sie nicht mehr sehen. Im ersten Programm läuft die Tagesschau wenigstens noch ohne solch einen Spruch.

Was soll das? Glaubt irgendjemand, ich würde nicht aus dem Haus gehen, weil bei einem Krimi "Zuhause bleiben" eingeblendet wird? Und was hat Fernsehschauen mit "zusammenhalten" zu tun? Ich bilde mir nicht ein, dass irgendjemand beim Südwestrundfunk an mich denkt, nur weil man jetzt "Für euch da" einblendet.

Inneres eines PCs

Kaltes digitales Herz

Foto: Jörg Sieger

Das mutet mir schon fast an wie die Geburtstagsgrüße, die mir Firmen regelmäßig senden, nur weil meine Adresse in ihrem System gespeichert ist und ein PC daraus eine unnötige Mail generiert - vielleicht noch mit einem Gutschein verbunden, der beim nächsten Einkauf ab einer bestimmten Summe eingelöst werden kann.

Kein Mensch in dieser Firma denkt deswegen an mich. Und ein Zeichen von Wertschätzung mir als Kunde gegenüber ist es auch nicht, wenn da irgendein Großrechner irgendetwas generiert.

Die PCs, mit denen ich in der Realität zu tun habe, sind nämlich keine C3PO's oder R2D2's aus Science-Fiction-Filmen. Sie entwickeln keine Gefühle für mich und sie kümmern sich auch nicht wirklich. Es sind kalte Algorithmen, die unsere Welt kein wenig menschlicher machen.

Bei all dem Hype um virtuelle Angebote und Digitalisierung, der uns in der jetzigen Situation begegnet, wird da und dort wohl schon vergessen, dass mich ein YouTube-Video nicht in den Arm nimmt und kein Monitor irgendwelche Einsamkeit lindert, ge­schweige denn ein reales Gegenüber ersetzen kann.

Vielleicht wird unsere Zeit in der Zukunft einmal ähnlich bewertet werden, wie die Jahrzehnte der industriellen Revolution, als man durch den Forstschritt der Technik die Lösung aller Probleme erhoffte. Wir werden bei all den Chancen der Digitalisierung vermutlich genauso enttäuscht aus einem Traum erwachen. Denn die Risiken überwiegen die Chancen meines Erachtens bei Weitem.

Ich hoffe, dass Kirche sich nicht allzu sehr in diesem Strudel mitreißen lässt. Wirkliche Begegnung und echte Anteilnahme waren schon immer das große Pfund der Pastoral. Das personale Angebot von Kirche war das überzeugendste Medium, um Menschen die Nähe Gottes zu verdeutlichen. Das wird sich nie durch Bits und Bytes ersetzen lassen.

Vielleicht liegt ja genau darin eine Chance von Kirche für die Zeit, die vor uns liegt, dass sie nämlich am analogen Angebot festhält und am Ende noch zu einem der wenigen Anbieter auf dem Markt der Möglichkeiten gehört, bei dem man reale Menschen wirklich anfassen kann.

Vor allem im Blick auf all diejenigen, die bei der Digitalisierung auf der Strecke bleiben und denen all die schönen neuen Möglichkeiten verschlossen sind, tut das schon heute Not.

Und dann hoffe ich, dass ich in den nächsten Wochen, wenn mir weiterhin versagt ist, Abende mit anderen Angeboten, die ich so sehr vermisse, zu verbringen, den Krimi oder den Spielfilm wenigstens ungestört anschauen kann und ein wenig davon abgelenkt werde, in welcher Krise wir uns derzeit befinden, und eben nicht durch die Einblendung "zuhause bleiben" auch noch daran erinnert werde, dass ich diesen Film jetzt gar nicht freiwillig anschaue, sondern nur deshalb, weil mir andere Möglichkeiten weitgehend genommen sind und ich zuhause bleiben muss.

Jörg Sieger

Und siehe, ein Gesetzeslehrer stand auf, um Jesus auf die Probe zu stellen, und fragte ihn: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben? Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du? Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft und deinem ganzen Denken, und deinen Nächsten wie dich selbst. Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach und du wirst leben! Der Gesetzeslehrer wollte sich rechtfertigen und sagte zu Jesus: Und wer ist mein Nächster? Darauf antwortete ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halbtot liegen. Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging vorüber. Ebenso kam auch ein Levit zu der Stelle; er sah ihn und ging vorüber. Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam zu ihm; er sah ihn und hatte Mitleid, ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn. Und am nächsten Tag holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme. Wer von diesen dreien meinst du, ist dem der Nächste geworden, der von den Räubern überfallen wurde? Der Gesetzeslehrer antwortete: Der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle du genauso!

Evangelium nach Lukas 10,25-37