Kar- und Ostertage 2020
ein wahrhaft besonderes Osterfest
Schwere Zeiten für reuige Sünder
Mittwoch, 22. April 2020
"Schwere Zeiten für reuige Sünder",
lautet heute eine Überschrift in den Badischen Neuesten Nachrichten auf Seite 11. Der zugehörige Beitrag handelt von den Schwierigkeiten, die es augenblicklich bezüglich des Beichtens gibt. Im Beichtstuhl funktioniert das mit dem Mindestabstand von 1,50 m schließlich nicht. Was also tun?
Der Artikel enthält ein schon fast witzig anmutendes Bild aus Polen, wo ziemlich vermummte Priester mit großem Abstand Beichten im Freien angeboten haben. Auch Beichtstühle mit Schutzfolie werden als Alternative genannt. Sogar - was nach den kirchlichen Bestimmungen eigentlich überhaupt nicht geht - an eine Beichte per Telefon wird gedacht. ⋅1⋅
Ausrangierte Beichtstühle aus Ettenheimmünster
im Depot der Bereitschaftspolizei Lahr.
Foto: Dieter Weis, Ettenheim
Schwierige Zeiten - nicht nur für Sünder. Vor allem auch für diejenigen Vertreter von Kirche, die das Beichten in der Vergangenheit so unendlich hoch gehalten haben.
Ganze Generationen erinnern sich ja noch daran, dass es fast nichts Wichtigeres gegeben hat, als regelmäßig das Bußsakrament zu empfangen. Jeden Samstag und vor allem vor den Feiertagen gab es - wie bei der Röntgenreihenuntersuchung - die Schlangen vor den Beichtstühlen.
Seit Einführung der Bußandachten gehören diese Bilder bei uns der Vergangenheit an. Nichtsdestoweniger werden vielerorts die Erstkommunionkinder durch die Bußvorbereitung getrieben. Ein Kollege berichtete einmal bei einer Pastoralkonferenz kurz nach dem "Weißen Sonntag", dass alle seine Erstkommunikanten jetzt vier Mal gebeichtet hätten. Und er verstand die spöttische Einlassung absolut nicht, dass seine Kinder ja ziemlich verdorben sein müssten, wenn die es nötig hätten, so oft zur Beichte zu gehen.
Und dann gibt es "Mitbrüder", die den Kindern nicht einmal die Zeit lassen, wirkliche Sünden zu begehen: Der eigentliche Tauftermin ist ja bekanntlich die Osternacht. Und es bietet sich deshalb letztlich sogar an, Kinder, die zur Erstkommunion gehen wollen, aber noch nicht getauft worden sind, in der Osternacht das Sakrament der Taufe empfangen zu lassen. Manche Priester sträuben sich dagegen, weil die Termine für die Beichten der Kommunionkinder ja zu diesem Zeitpunkt schon verstrichen wären und die in der Osternacht Getauften dann ohne Beichte zur Kommunion gingen. Deshalb taufen sie entsprechende Kinder kurz vor dem Termin für die Erstbeichte, damit auch ja alle den Beicht-Ritus absolvieren können.
Um mehr als einen Ritus, der absolviert wird, kann es dabei letztlich allerdings gar nicht mehr gehen. Die Taufe ist schließlich für alle Christen, das große Sakrament der Vergebung, bei dem einem Menschen, der sich zu Gott bekehrt, alle Sünden verziehen werden. Unmittelbar nach der Taufe eine Beichte zu verlangen, ist regelrecht widersinnig. Da kann man sich ja schon die Frage stellen, ob die betreffenden Priester ihrer eigenen Theologie nicht trauen und gar nicht an die Vergebung der Sünden durch die Taufe glauben. Ansonsten wird aus der Beichte nach der Taufe nämlich nur noch ein letztlich sinnentleerter Ritus. Ein Ritual wird eingeübt, das selbst keine Bedeutung mehr hat. Oder welche Sünden sollen da noch bekannt, geschweige denn vergeben werden?
Von Kollegen, die allen Ernstes mit dem Gedanken spielen, Kinder, die vor den obligatorischen Beichtterminen nicht mehr getauft werden können, dann halt ohne Taufe zur Beichte gehen zu lassen, möchte ich hier lieber schweigen. Allein der Umstand, dass es sie gibt, ist schon peinlich genug.
Bei all diesen Klimmzügen, die da selbst heute noch unternommen werden, fand ich die Äußerung von Papst Franziskus in der gegenwärtigen Krisensituation ausgesprochen bemerkenswert. Mit einem Satz stellt er die gesamte kirchliche Praxis auf den Kopf. Oder besser gesagt: Er stellt sie vom Kopf wieder auf die Füße.
Franziskus erinnert daran - was immer schon kirchliche Lehre war -, dass es letztlich keinen Mittler zwischen Gott und den Menschen braucht. Ich habe ja schon an unterschiedlichen Orten darauf hingewiesen, dass dies vermutlich genau der Punkt war, an dem Jesus von Nazareth die meisten Schwierigkeiten mit den Religionsvertretern zu seiner Zeit bekommen hatte. Vielleicht ist das auch der eigentliche Grund dafür, warum er letztlich hingerichtet wurde. Er hat den Menschen klar gemacht, dass sie nicht die Vermittlung von Priestern brauchen, um mit Gott in Verbindung zu treten. Das rührte selbstverständlich an den wirtschaftlichen Grundfesten des Tempels und bedrohte die Einkommensverhältnisse der dortigen Priesterschaft.
Es braucht keinen Mittler zwischen Gott und den Menschen. Jeder und jede haben ihren unmittelbaren Zugang zu Gott. Das ist die Botschaft des Evangeliums.
Nichtsdestoweniger hat sich Kirche schon sehr bald wieder in eine solche Mittlerfunktion hineingedrängt. Sie entschied und entscheidet darüber wie und ob die Sakramente gespendet werden oder nicht. Und für viele Menschen bedeutete das, dass letztlich die Kirche darüber entscheidet, wer das Heil erlangt und wer nicht. Ein guter Teil kirchlicher Macht in den zurückliegenden Jahrhunderten rührt genau daher.
In der Krise der jetzigen Zeit erinnert Papst Franziskus daran, dass es all das letztlich aber gar nicht wirklich braucht.
"Wenn du keinen Priester zum Beichten findest, dann sprich mit Gott - er ist dein Vater -, sag ihm die Wahrheit und bitte ihn aus ganzem Herzen um Vergebung",
rät der Papst seinen Gläubigen. Im Anschluss solle man noch ein Bußgebet formulieren und versprechen, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit die Beichte abzulegen.
"Und sofort wirst du zurückkehren in die Gnade Gottes. Ein gut gemachter Bußakt, und unsere Seele wird wieder weiß wie Schnee." ⋅2⋅
Bei Licht besehen, ist das nichts Neues. Es ist originär neutestamentliche Botschaft. Es ist letztlich genau das, was Jesus von Nazareth den Menschen seiner Zeit nahebringen wollte. Braucht es erst eine Pandemie, um sich wieder daran zu erinnern? Und gilt das, was Franziskus über Gott, unseren Vater, gesagt hat, denn nur in Krisenzeiten?
Sicher, für Franziskus ist es wichtig, baldmöglichst wirklich die Beichte abzulegen. Und er wäre nicht Papst, wenn er nicht betonen würde, dass dies natürlich nur eine Lösung ist, wenn man Schwierigkeiten hätte, einen Priester zum Beichten zu finden.
Das Wörtchen "finden" in diesem Zusammenhang fand ich dann wieder recht bedenkenswert. Finden kann man nämlich nur, wenn man jemanden sucht. Und das erinnert mich eigentümlich an den Spruch, den ich noch aus Kindheitstagen kenne:
"Wo einer nichts verloren hat, da hat er auch nichts zu suchen ..."
Jörg Sieger
Wenn ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler! Sie stellen sich beim Gebet gern in die Synagogen und an die Straßenecken, damit sie von den Leuten gesehen werden. Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten. Du aber, wenn du betest, geh in deine Kammer, schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist! Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten. Wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden, die meinen, sie werden nur erhört, wenn sie viele Worte machen. Macht es nicht wie sie; denn euer Vater weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet. So sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel, / geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, / dein Wille geschehe / wie im Himmel, so auf der Erde. Gib uns heute das Brot, das wir brauchen! Und erlass uns unsere Schulden, / wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben! Und führe uns nicht in Versuchung, / sondern rette uns vor dem Bösen! Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, dann wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.
Evangelium nach Matthäus 6,5-15
Anmerkungen