Kar- und Ostertage 2020

ein wahrhaft besonderes Osterfest


"Europäische Solidarität"

Mittwoch, 1. April 2020

"... ich möchte gerne die Gelegenheit nutzen, um den Deutschen Bürgerinnen und Bürgern zu sagen, dass wir hier keine Seiten für ein Wirtschaftshandbuch schreiben. Wir schreiben die Seiten eines Geschichtsbuchs. Wir sind angehalten, eine epochale Herausforderung anzugehen und zu bestehen, um aus einer Notlage herauszukommen, die praktisch einen zerstörerischen Einfluss auf unsere Gesundheitssysteme, unsere Wirtschaftssysteme und unsere Sozialsysteme hat. Europa muss zeigen, ob es ein gemeinsames europäisches Haus ist, ein Haus, das in der Lage ist, eine Antwort auf eine epochale Herausforderung zu bieten, ob Europa seinen Aufgaben gewachsen ist, so wie sie von Schuman, Adenauer, De Gaspari angedacht waren."

Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte spricht im Deutschen Fernsehen! Gestern Abend gab er in einem ARD-Extra ein Interview. Aber das war weit mehr als eben noch ein nichtssagender Redebeitrag irgendeines Politikers, wie sie zur Füllung der unzähligen Sondersendungen zur derzeitigen Krise allabendlich durch den Äther gejagt werden. Der italienische Ministerpräsident wirbt bei der Deutschen Bevölkerung um Verständnis. Das war ein Hilferuf. Diese paar Minuten lassen erahnen, wie dramatisch die Situation in Italien sein muss!

Und aus Berlin kommt ein "Nein!" - Nicht mit uns. Dafür stehen wir nicht zur Verfügung. Das was sich Italien und andere krisengeschüttelten Länder da ausgedacht haben, das ist mit uns nicht zu machen.

Natürlich wolle Deutschland helfen. Man könne sich Ähnliches vorstellen, wie bei der Griechenlandrettung damals in der Bankenkrise.

Fressende Löwen im Zoo

Fütterung der Raubtiere

Foto: Jörg Sieger

Ich verstehe von den ökonomischen Zusam­men­hängen nicht sehr viel. Eines aber weiß ich ganz sicher. Damals wurde nicht Grie­chen­land gerettet. Und kein Grieche und keine Griechin, die wegen der Bankenkrise Ar­beits­platz, Ein­kom­men und Perspektive ver­loren haben, hat auch nur einen Cent von Europa oder von uns bekommen. Verkürzt gesagt ist doch nichts anderes passiert: Men­schen bei uns, die so viel Geld hatten, dass sie es irgendwo an­legen mussten, haben hochspekulativ in griechische Anleihen investiert und auf satte Zinsen gesetzt. Und als Griechenland Gefahr lief, seine Schulden nicht tilgen zu können, hat es von Europa Kredite erhalten, damit diese Anleger ihre Einlagen mit Zinsen zurückerhalten können. Wir haben nicht Griechenland gerettet. Letztlich wurden nur die Einlagen der Investoren abgesichert.

Im Gegenzug aber wurde Griechenland gezwungen, sein Tafelsilber zu veräußern. Die profitablen Flughäfen wurden von Fraport, der Betreiberfirma des Frankfurter Flughafens, übernommen. Die unrentablen konnten die Griechen behalten. Ich musste schon damals an Geier denken, die dem noch nicht ganz verendeten Tier schon einmal anfangen, die Augen auszuhacken.

Auch wenn wir es nicht so offen sagen, wie ein Donald Trump oder ein Boris Johnson, handeln tun wir nicht anders. Es geht zuallererst um die eigenen Interessen. Bei der Verteilung Geflüchteter hat unsere Regierung europäische Solidarität gefordert. Dabei sind wir letztlich genauso unsolidarisch wie alle anderen. Wir haben Italien und Griechenland Jahre lang mit der Unterbringung der Geflüchteten allein gelassen. Als die Coronakrise uns einzuholen begann, haben wir zuallererst einen Ausfuhrstopp für Hygieneartikel verhängt. Und wenn nun - ein Tropfen auf den heißen Stein - ein paar wenige Patienten aus den Hotspots im Elsass und aus Norditalien übernommen werden, heißt es da und dort schon: Wie können die nur! Was machen wir, wenn wir die Betten selber brauchen.

In der Generation "Geiz ist geil" ist sich jeder selbst der Nächste.

Schon im Blick auf all die Tausende, die im Mittelmeer ertrunken sind, und die Kriminalisierung derer, die unserer Pflicht auf Seenotrettung nachzukommen suchen, konnte ich das Gerede von den europäischen Werten nicht mehr hören. Jetzt beginne ich endgültig daran zu zweifeln. Der Patient Europäische Union ist infiziert. Wir haben uns ein tödliches Virus eingefangen. Und ich fürchte, das Intensivbett, um uns zu behandeln, ist noch nicht erfunden.

Heute würde ich mir so wünschen, dass all diejenigen recht haben, die behaupten, ich hätte einfach keine Ahnung und würde das alles völlig falsch sehen.

Jörg Sieger

Es war einmal ein reicher Mann, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag für Tag herrlich und in Freuden lebte. Vor der Tür des Reichen aber lag ein armer Mann namens Lazarus, dessen Leib voller Geschwüre war. Er hätte gern seinen Hunger mit dem gestillt, was vom Tisch des Reichen herunterfiel. Statt dessen kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren. Als nun der Arme starb, wurde er von den Engeln in Abrahams Schoß getragen. Auch der Reiche starb und wurde begraben. In der Unterwelt, wo er qualvolle Schmerzen litt, blickte er auf und sah von weitem Abraham, und Lazarus in seinem Schoß. Da rief er: Vater Abraham, hab Erbarmen mit mir, und schick Lazarus zu mir; er soll wenigstens die Spitze seines Fingers ins Wasser tauchen und mir die Zunge kühlen, denn ich leide große Qual in diesem Feuer. Abraham erwiderte: Mein Kind, denk daran, dass du schon zu Lebzeiten deinen Anteil am Guten erhalten hast, Lazarus aber nur Schlechtes. Jetzt wird er dafür getröstet, du aber musst leiden. Außerdem ist zwischen uns und euch ein tiefer, unüberwindlicher Abgrund, so dass niemand von hier zu euch oder von dort zu uns kommen kann, selbst wenn er wollte. Da sagte der Reiche: Dann bitte ich dich, Vater, schick ihn in das Haus meines Vaters! Denn ich habe noch fünf Brüder. Er soll sie warnen, damit nicht auch sie an diesen Ort der Qual kommen. Abraham aber sagte: Sie haben Mose und die Propheten, auf die sollen sie hören. Er erwiderte: Nein, Vater Abraham, nur wenn einer von den Toten zu ihnen kommt, werden sie umkehren. Darauf sagte Abraham: Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.

(Evangelium nach Lukas 16,19-31)