Kar- und Ostertage 2020

ein wahrhaft besonderes Osterfest


Angst essen Seele auf

Montag, 4. Mai 2020

Holocaustturm

Holocaust-Turm - jüdisches Museum, Berlin

Foto: Jörg Sieger

Ich erlebe momentan in der seelsorgerlichen Begleitung, dass Menschen, die schon Kriegserfahrung oder andere traumatische Erlebnisse hinter sich haben, mit vielen Ängsten auf die Situation des Lockdown reagieren. Alte Ängste kommen wieder hoch. Sie können mit dieser erneuten Unsicherheit ganz schlecht umgehen. Ich muss an das Filmzitat von Regisseur Rainer Werner Fassbinder aus dem Jahr 1974 denken: "Angst essen Seele auf".

Das Eingesperrtsein, die Angst vor Ansteckung holen aus ihrem tiefsten Inneren wieder die Erinnerung an frühere Ereignisse hervor. Es gibt zudem keine Abwechslung, keinen Besuch von Freunden, keine Möglichkeit, sich mal in ein Café zu setzen, mit anderen zu treffen oder ins Kino zu gehen. Das macht das Ganze noch viel schwerer.

Telefonate und Briefe sind wichtig, um wenigstens Kontakt zur Außenwelt zu halten. Ich kann nur signalisieren, ich bin da, mich gibt es da draußen noch.

Mich hat die tiefe Verzweiflung in einem Telefongespräch an den Rand meiner Kräfte gebracht. Was soll ich antworten? Was kann ich sagen? Ich selbst bin ja von der momentanen Krise auch überfordert.

Eines jedoch kann ich tun. Ich kann in die Psalmen schauen, diese Gebete, denen nichts fremd ist von dem, was wir durchmachen.

Die Furcht, das Verlassensein, all die Abgründe, die wir kennen, werden benannt. Psalm 118 ist einer dieser Texte, die am Anfang von der Furcht sprechen. Am Ende aber segnet er Gott.

Auch wenn ich weiß, nach dem Lockdown wird noch längst nicht alles vorbei sein, wird der Schaden, den die Seele genommen hat, nicht einfach weggehen. Aber es kann hilfreich sein zu sehen, dass es am Ende vielleicht wieder Licht am Horizont gibt.

Marieluise Gallinat-Schneider

So soll Israel sagen:
Denn seine Huld währt ewig.
So soll das Haus Aaron sagen:
Denn seine Huld währt ewig.
So sollen sagen, die den HERRN fürchten:
Denn seine Huld währt ewig.
Aus der Bedrängnis rief ich zum HERRN,
der HERR antwortete und schuf mir Weite.
Der HERR ist für mich, ich fürchte mich nicht.
Was können Menschen mir antun?
Der HERR ist für mich, er ist mein Helfer;
ich kann herabschauen auf meine Hasser.
Besser, sich zu bergen beim HERRN,
als zu vertrauen auf Menschen [...]
Meine Stärke und mein Lied ist der HERR;
er ist für mich zur Rettung geworden [...]
Ich will dir danken, dass du mir Antwort gabst,
du bist mir zur Rettung geworden.
Ein Stein, den die Bauleute verwarfen,
er ist zum Eckstein geworden.
Vom HERRN her ist dies gewirkt,
ein Wunder in unseren Augen.
Dies ist der Tag, den der HERR gemacht hat;
wir wollen jubeln und uns über ihn freuen.
Ach, HERR, bring doch Rettung!
Ach, HERR, gib doch Gelingen!
Gesegnet sei, der da kommt im Namen des HERRN!
Wir segnen euch vom Haus des HERRN her.
Gott ist der HERR.
Er ließ Licht für uns leuchten.
Tanzt den Festreigen mit Zweigen
bis zu den Hörnern des Altars!
Mein Gott bist du, dir will ich danken.
Mein Gott bist du, dich will ich erheben.
Dankt dem HERRN, denn er ist gut,
denn seine Huld währt ewig!

Psalm 118,2-8. 22-29