Kar- und Ostertage 2020
ein wahrhaft besonderes Osterfest
Da wohnt ein Sehnen tief in uns
Samstag, 18. April 2020
Wenn die Zeiten schwierig sind, brauchen wir als Menschen Fluchtpunkte. Zumindest ich brauche Fluchtpunkte im Alltag. Im Moment gibt es genau die aber konkret nicht. Immer wieder formt sich in meinem Kopf eine Liedzeile:
"Da wohnt ein Sehnen tief in uns, o Gott" ⋅1⋅
Dieses Lied haben wir in diesem Jahr jeden Abend während der "christlichen Gebetswoche für die Stadt Bruchsal" gesungen
In schwierigen Zeiten meines Lebens, gerade, wenn ich durch Krankheit zu Untätigkeit verdonnert war, habe ich mir Reiseziele überlegt, Bilder heraufbeschworen von Orten, die ich unbedingt besuchen will. Ich habe von Sehnsuchtsorten geträumt.
Sonnenuntergang an Kap Sounion, Griechenland
Foto: Jörg Sieger, 21. August 2014
Das begann mit dem Grab des Tutanchamun im ägyptischen Tal der Könige, das ich dann als Belohnung in einer Lebenskrise besuchte.
Viele dieser Wunschträume haben mich durchhalten lassen: biblische Stätten in Israel, Petra, Agrigent, Troja, die Alhambra in Granada, das waren meine Sehnsuchtsorte. Ein ganz besonderer Moment dabei war für mich der Sonnenuntergang am Poseidontempel von Kap Sounion.
Natürlich ist mir klar, dass ein Sehnen nach Gott nichts mit scheinbar banaler Sehnsucht nach Reisen zu tun hat. Aber wir brauchen Visionen, Träume, damit wir schwierige Zeiten durchstehen. Ich hatte in diesen Momenten, in denen wirklich eine Reise möglich war, auch immer ein Sehnen nach Gott, ein Gebet, eine Dankbarkeit in mir. Ich fühlte mich Gott ganz nah. So ist für mich dieses Lied auch ein Gebet, dass ich durchbuchstabieren kann.
"Um Frieden, um Freiheit, um Hoffnung bitten wir. In Sorge, im Schmerz -
sei da, sei uns nahe, Gott."
Dass die Epidemie den Frieden nicht gefährdet, dass die Freiheit auf ein selbstbestimmtes Leben wieder möglich ist, gehört zu unseren Hoffnungen, genauso wie der Wunsch nach Normalität und der Traum, wieder an Sehnsuchtsorte fahren zu können.
So muss ich wohl auch jetzt, da meine Bewegungsfreiheit mal wieder eingeschränkt ist, lernen, Bilder aufzurufen und meine Ungeduld im Zaum zu halten
"Um Heilung, um Ganzsein, um Zukunft bitten wir. In Krankheit, im Tod –
sei da, sei uns nahe, Gott."
Viele Menschen sind erkrankt, fürchten um ihr Leben, Angehörige trauern um ihre Verstorbenen. Diese Menschen sind immer wieder in meinen Gedanken, ich bete für sie.
Ich dagegen bin gesund und fühle mich nur eingesperrt und frage mich, wann es wieder einen normalen Alltag, aber auch willkommene Abwechslung gibt.
Und ich weiß, ich wende mich an meinen Gott und bete in dieser Krise, gleichzeitig halte ich meine Hoffnung auf Besserung auch durch Fluchten in Sehnsuchtsorte wach und es wird mir leichter, die Situation zu ertragen durch Bilder, die ich im Herzen trage.
Dass du, Gott, das Sehnen, den Durst stillst, bitten wir. Wir hoffen auf dich –
sei da, sei uns nahe, Gott.
Marieluise Gallinat-Schneider
Anmerkung