Kar- und Ostertage 2020
ein wahrhaft besonderes Osterfest
Dafür bin ich dankbar
Samstag, 4. April 2020
"... sieben medizinische Fachgesellschaften [haben] gemeinsam "Klinisch-ethische-Empehlungen" vorgelegt. Das 13-seitige Papier, das den Titel "Entscheidungen über die Zuteilung von Ressourcen in der Notfall- und der Intensivmedizin im Kontext der COVID-19-Pandemie" trägt, wurde vergangenen Donnerstag in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt. Zehn Tage lang hatten 14 Autoren, darunter Fachleute aus der Notfall- und Intensivmedizin und der Medizinethik, an der Erstellung der Empfehlungen gearbeitet."
So berichtet der Tagesspiegel. Man bereitet sich auf den Ernstfall vor: darauf, dass die Kapazitäten in unseren Krankenhäusern nicht mehr ausreichen. Italien, Frankreich und Spanien erleben ihn bereits. Weit mehr Patienten werden eingeliefert, als letztlich behandelt werden können. Beatmungsgeräte sind nicht in entsprechender Zahl vorhanden.
Hôtel Dieu - Beaune
Foto: Jörg Sieger
Wen beatmet man und wen nicht? Wer wird entsprechend behandelt und wen lässt man sterben? Pflegerinnen und Pfleger, Ärztinnen und Ärzte stehen vor Entscheidungen, die man keinem Menschen wünscht. Ich werde hoffentlich in meinem Leben solch eine Entscheidung niemals treffen müssen. Gut möglich, dass ich daran zerbrechen würde.
Vielleicht wird sich auch bei uns die Situation in den nächsten Wochen so zuspitzen. Niemand kann genau sagen, wie sich die Pandemie weiter entwickeln wird.
Gut, dass es jetzt einen Katalog von Kriterien gibt - nüchtern, faktenbezogen, emotionslos. Das hilft dabei, Entscheidungen zu treffen, die kein Mensch fällen kann. Das hilft dabei, im entscheidenden Augenblick unterschiedlichste Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Hier spielt das Alter zunächst keine Rolle. Hier geht es vor allem um "klinische Erfolgsaussicht".
Und es wurde dabei nicht vergessen, dass es auch in diesen Tagen nicht nur "Corona" gibt. Auch jetzt gibt es Herzinfarkte und Schlaganfälle. Auch jetzt gibt es Verkehrsunfälle. Es gibt die unterschiedlichsten Situationen, die alle berücksichtigt werden wollen und im Ernstfall entsprechende intensivmedizinische Kapazitäten benötigen.
Wir hoffen alle, dass der Ernstfall nicht eintreffen wird. Wenn er aber unvermeidlich ist, dann gibt es jetzt ein Papier. Es sind 13 Seiten, die zwischen Menschen in Not und medizinisches Personal treten. 13 Seiten, die ein wenig Abstand schaffen: Abstand zwischen dem Menschen, über den entschieden wird, und denjenigen, der die Entscheidung treffen muss. Dieser Abstand kann im Ernstfall entscheidend sein. Entscheidend dafür, nicht an solchen Entscheidungen zu zerbrechen, sondern damit leben zu können.
Die Arbeit an diesem Papier war ungeheuer wichtig. Sie hilft denen, die ansonsten mit ihrer Aufgabe alleine dastehen würden. Sie lässt Menschen mit der Entscheidung nicht alleine.
Das sind wichtige 13 Seiten. Für diese Arbeit bin ich dankbar.
Jörg Sieger
Ich (...) bleibe immer bei dir, du hältst mich an meiner Rechten. Du leitest mich nach deinem Ratschluss und nimmst mich am Ende auf in Herrlichkeit. (...) Auch wenn mein Leib und mein Herz verschmachten, Gott ist der Fels meines Herzens und mein Anteil auf ewig. (...) Gott nahe zu sein ist mein Glück.
(Psalm 73,23-24. 26. 28)