Kar- und Ostertage 2020
ein wahrhaft besonderes Osterfest
Karfreitag von Kirche
Karfreitag, 10. April 2020
"Der "Supermond" hat zahlreiche Fotografen und Himmelsgucker nach draußen gelockt. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch wirkte der Vollmond etwas größer und heller."
Das berichtete die Badische Zeitung in ihrer Mittwochsausgabe dieser Woche. Er fasziniert, der Mond, insbesondere wenn er so prächtig leuchtet, wie dieser Vollmond vor Ostern. Und er bestimmt uns mehr, als wir manchmal wahrhaben wollen. Dass wir Ostern genau am kommenden Sonntag feiern, liegt letztlich am Mond. Ostern ist schließlich traditionell der Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling.
8. April 2020, 22:25 Uhr
Foto: Roland Sand
Weit weniger bekannt ist, dass frühchristliche Theologen den Mond sogar als Bild verwendeten, um die eigentliche Rolle von Kirche zu umschreiben. Schon in der Frühzeit stand Kirche schließlich in der Gefahr, nicht Gott, sondern sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Es ist kein neues Phänomen, dass sich in der Kirche alles um die Kirche dreht.
Demgegenüber stellte man das Bild vom Mond und der Sonne. Der Mond selbst strahlt kein eigenes Licht aus. Er gibt nur weiter, was er von der Sonne empfängt. So kann auch die Kirche nicht von sich aus strahlen. Sie kann nur das Licht weitergeben, das von Gott herkommt.
Kardinal Kurt Koch mahnt von daher an, dass es der heutigen Kirche besonders Not tue von diesem Bild ausgehend eine konsequente lunare Theologie und Praxis der Kirche zu entwickeln,
"... einer Kirche nämlich, die sich damit bescheidet, Mond zu sein und auf die Christussonne hinzuweisen." ⋅1⋅
Gotthard Fuchs weitet das Bild von Kirche und Mond noch um einen weiteren Aspekt und dieser scheint mir für die gegenwärtige Situation der Kirche in unseren Breiten von besonderer Bedeutung zu sein.
Dadurch dass die Kirche das Licht der Sonne, der Botschaft Christi, widerspiegelt, strahlt sie in die die Nacht der Menschheit hinein. Aber es gibt eben nicht nur den Vollmond. Es gibt den Halbmond, den sichelförmigen Mond bis hin zum Neumond. Zum Wesen des Mondes gehört, dass er zyklische Wachstums- und Sterbeprozesse kennt.
Gotthard Fuchs überträgt dies auch auf die Kirche. Auch sie kennt Sterbeprozesse, Phasen der Nicht-Attraktivität bis hin zur Null-Phase.
Das Sterben ist der Ernstfall christlichen Glaubens. Der Tod ist das große Fragezeichen für alles Leben. Er aber wird durch die Botschaft von der Auferweckung Christi in seine Schranken verwiesen. Und was für den einzelnen Christen gilt, gilt auch für die Kirche als Ganzes. Gotthard Fuchs betont, dass sich durch solche Sterbeprozesse hindurch eine neue Kirchengestalt herausentwickle. Eine solche neue Gestalt könne zeitgemäß und im Vergleich zur vergangenen Gestalt attraktiver, lebensermutigender, hoffnungsstiftender, sinnvermittelnder sein. ⋅2⋅
Gerade am heutigen Tag gingen mir diese Überlegungen wieder durch den Kopf. Schon in den vergangenen Jahren waren gut besuchte Straßencafés an sonnigen Karfreitagen für mich ein Bild für die immer größer werdende Bedeutungslosigkeit von Kirche in unserer Gesellschaft. Die Corona-Epidemie ist da nur noch wie ein zusätzlicher Dolchstoß von außen. Dieser Karfreitag mit leeren Kirchen, mit aus der Not heraus geborenen Pseudofeiern mittels zum Teil bereits aufgezeichneter Konserven, wird den Sterbeprozess von Kirche nur noch beschleunigen.
Wir stehen - um es mit Gotthard Fuchs zu sagen - am Karfreitag von Kirche. Als Christen glauben wir an eine Auferstehung. Jede Zeit ist Gottes Zeit. Und offenbar braucht dieser Gott für diese Zeit eine andere Form von Kirche als die, die wir gewohnt sind. Welche das sein wird, wie genau die neue Form aussehen wird, kann niemand von uns sagen. Einiges zeichnet sich ab: Die Zeiten in denen ein "von oben herab" die Menschen erreicht, sind lange vorbei. Hierarchien haben kaum noch Zukunft. Eine Kirche, die sich in Kleriker und Laien spaltet, kann dem Gott, der uns in Jesus Christus auf Augenhöhe entgegengekommen ist, heute kaum noch gerecht werden.
Noch aber sind wir als Kirche nicht am Ostermorgen angekommen. Wir haben noch nicht einmal den Karsamstag durchlitten. Noch stehen wir am Karfreitag. Auch am Karfreitag gibt es Hoffnung. Im Vordergrund steht heute aber die Trauer. Am Karfreitag gilt es, das Sterben auszuhalten.
Jörg Sieger
Ihr [...] sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder. Auch sollt ihr niemanden auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel. Auch sollt ihr euch nicht Lehrer nennen lassen; denn nur einer ist euer Lehrer, Christus. Der Größte von euch soll euer Diener sein. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.
Evangelium nach Matthäus 23,8-12
Eine Hilfestellung für einen Gottesdienst zuhause finden Sie hier: Hausgottesdienst für den Karfreitag.
Anmerkungen