Kar- und Ostertage 2020

ein wahrhaft besonderes Osterfest


... und eine Zeit für den Tanz

Freitag, 1. Mai 2020

Am 26. April wurde Winfried Glatzeder 75 Jahre alt.

Sie fragen sich vielleicht wer das ist. Kennen Sie den Film "Die Legende von Paul und Paula"? Bei uns in der Schule war DDR-Literatur Bestandteil des Lehrplans. So haben wir auch die entsprechenden Filme geschaut. Und ich hatte einen Klassenkameraden, der in unserer KJG als DJ bei den Feten die Platten aufgelegt hat und auf Deutschrock stand. Viele Bands wie Karat und die Puhdys haben daher mein Leben begleitet.

Eines der Lieder - "Wenn ein Mensch lebt" - haben die Puhdys gesungen und es wurde 1973 durch den DEFA-Film "Die Legende von Paul und Paula" bekannt. Was habe ich bei dem Film geweint, wenn Paula am Ende stirbt! Ein Liebesdrama ohne Gleichen hat Ulrich Plenzdorf da geschrieben. Im genannten Lied wird auf einen Bibeltext Bezug genommen. Der Text basiert auf dem Buch Kohelet:

"Jegliches hat seine Zeit
Steine sammeln, Steine zerstreuen
Bäume pflanzen, Bäume abhauen
leben und sterben und Streit
leben und sterben und Frieden und Streit"

Teile des Kapitels, die nicht im Lied behandelt werden - etwa das Umarmen und Loslassen -, werden im Film thematisiert. Daher lassen sich viele Anklänge an das 3. Kapitel des Predigers - wie das biblische Buch Kohelet auch heißt - finden. Und das in einem DDR Film! Ein wunderschöner, aber auch sehr trauriger Liebesfilm. Es geht um Liebe, um Zeit für Kinder, aber auch um Sterben. Der Song "Wenn ein Mensch lebt" bildet gleichsam die Ouvertüre des Films, der anlässlich des Geburtstages des Schauspielers Winfried Glatzeders nun wieder im Fernsehen gezeigt wurde.

Für mich passt der Bibeltext aus Kohelet sehr gut zum heutigen Tag, zum 1. Mai. Ein Tag, den ich eigentlich von Kindesbeinen an mit Leichtigkeit verbinde. Da gab es freien Eintritt im Zoo. Oft haben wir uns mit vielen anderen in den Wuppertaler Zoo gedrängt, zahlreiche Bilder aus dieser Zeit stehen mir vor Augen. Später war der Tanz in den Mai wichtiger, veranstaltet von der KJG - womit wir wieder bei den Puhdys wären. Zum Tanz in den Mai gehörte Maibowle dazu. Mein Vater sang aus vollem Hals "Der Mai ist gekommen", manchmal wurde auch gewandert, es war immer ein schöner Tag.

Garten

1. Mai im Giardino Bardini, Florenz

Foto: Marieluise Gallinat-Schneider

In den letzten Jahren bin ich häufig auch verreist und habe zum Beispiel erlebt, dass am 1. Mai auch in Florenz die Gärten bei freiem Eintritt öffnen, so wie der Zoo meiner Kindheit.

In diesem Jahr wird es keine Zeit für den Tanz geben. Vieles von der Leichtigkeit fehlt. Auch die Zoos und Gärten dürfen erst nach dem 1. Mai wieder ihre Pforten öffnen.

Es ist immer klar, dass das, was der Prediger schildert, eben zum Leben gehört. Eine Gleichzeitigkeit: Menschen die feiern und sich freuen und Familien, die zum selben Zeitpunkt viel Leid und Trauer erfahren. Es werden Kinder geboren. Das Leben geht weiter und es geht seinen Gang, auch angesichts des Sterbens.

Daher darf aber auch immer das Tanzen und die Leichtigkeit zum Leben dazu gehören - auch und gerade im Bewusstsein, dass Leben begrenzt ist und es immer auch wieder eine Zeit der Klage geben wird. Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt, beides macht unser Leben aus.

Deswegen denke ich, wem danach zumute ist, der oder die darf auch in Zeiten der Pandemie den 1. Mai als von Gott geschenkten Tag der Freude nutzen, um im Rahmen der gegebenen Möglichkeit die Zeit für sich heiter zu gestalten.

Marieluise Gallinat Schneider

Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: eine Zeit zum Gebären / und eine Zeit zum Sterben, / eine Zeit zum Pflanzen / und eine Zeit zum Ausreißen der Pflanzen, eine Zeit zum Töten / und eine Zeit zum Heilen, / eine Zeit zum Niederreißen / und eine Zeit zum Bauen, eine Zeit zum Weinen / und eine Zeit zum Lachen, / eine Zeit für die Klage / und eine Zeit für den Tanz; eine Zeit zum Steinewerfen / und eine Zeit zum Steinesammeln, / eine Zeit zum Umarmen / und eine Zeit, die Umarmung zu lösen, eine Zeit zum Suchen / und eine Zeit zum Verlieren, / eine Zeit zum Behalten/ und eine Zeit zum Wegwerfen, eine Zeit zum Zerreißen/ und eine Zeit zum Zusammennähen, / eine Zeit zum Schweigen / und eine Zeit zum Reden, eine Zeit zum Lieben / und eine Zeit zum Hassen, / eine Zeit für den Krieg / und eine Zeit für den Frieden.

Kohelet 3,1-8