Kar- und Ostertage 2020

ein wahrhaft besonderes Osterfest


Die Menschen brauchen das

Freitag, 3. April 2020

"... wenn man unter solch massiven Freiheitseinschränkungen steht, dann stellt sich automatisch die Frage, wie man da wieder raus kommt. Und da möchte man auch eine Regierung haben, bei der man darauf vertrauen kann, dass es transparente Verfahren und Kriterien gibt."

Soweit Christiane Woopen, die Vorsitzende des Europäischen Ethikrates, gestern Abend bei Maybrit Illner.

Das ist vielleicht die Frage, die momentan die meisten Menschen in unserem Land bewegt: Wie kommen wir da wieder heraus. Ich erlebe eine Bevölkerung, die nicht nur diszipliniert, sondern höchst verständnisvoll ist. Es gibt ungebrochen eine hohe Zustimmung zu all diesen einschneidenden Maßnahmen, die in den vergangenen Tagen und Wochen getroffen worden sind. Aber es gibt natürlich auch - und sie wird von Tag zu Tag drängender - die Frage, wie es jetzt weitergehen soll.

Sonnenuntergang mit Wolken

Ob sich da was zusammenbraut?

Foto: Jörg Sieger

Niemand erwartet von Politikern und Experten, dass Sie Vorhersagen in die Zukunft machen können. Ich habe größtes Verständnis dafür, dass man sich die Zahlen und die Entwicklung in Ruhe anschauen muss. Wenn der bayerische Ministerpräsident aber sagt: "Natürlich brauchen wir irgendwann eine Exitstrategie. Die müssen wir sorgsam überlegen.", dann ist das nicht genug. Wir brauchen die Strategie nicht irgendwann. Strategien brauchen wir jetzt. Wir müssen sie zumindest jetzt entwickeln, damit wir sie zu gegebener Zeit auch wirklich umsetzen können. Und wir brauchen Alternativen.

Nach anfänglichem Zögern - so habe ich das erlebt -, wurde sehr vehement und massiv innerhalb weniger Tage das öffentliche Leben heruntergefahren. Und das war vermutlich notwendig und absolut richtig. In diesem Zustand können wir aber nicht lange verbleiben. Und es ist auch fragwürdig, ob es verhältnismäßig ist, die in sich richtigen Maßnahmen flächendeckend über Wochen hinweg aufrecht zu erhalten. Braucht es tatsächlich in Gebieten, in denen wenige bis gar keine Fälle vorkommen, eine nahezu völlige Reduktion des öffentlichen Lebens? Muss man nicht auf Hotspots spezifisch reagieren?

Und wenn die Zahl der Neuinfektionen wirklich zurückgeht, wie soll es dann weitergehen? Werden es die Schulen sein, die man als erstes wieder öffnet? Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, dass Geschäfte wieder aufmachen können? Unter welchen Gesichtspunkten ist eine Öffnung von Restaurants wieder möglich? Und wie lange steht auf den Webseiten von Theatern und Kultureinrichtungen noch, dass der Spielbetrieb bis zum 19. April eingestellt sei? Werden sie nicht die letzten sein, die wieder öffnen werden?

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich weiß sehr wohl darum, dass keiner sagen kann, wann wir genau so weit sein werden, dass sich die derzeitige Enge wieder weiten wird. Aber ich erwarte von unseren Politikern, dass schon jetzt und nicht irgendwann Strategien entwickelt werden. Es muss geklärt werden, dass, wenn solch ein Punkt dann wirklich erreicht sein wird, dieser Schritt getan werden kann; und jener Schritt würde dann der nächste sein. Und wenn das nicht greift, dann gibt es jene Alternative.

Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass Politiker momentan genau das tun. Aber das ist ja auch das eigentliche Problem: Wir können es nur mutmaßen. Keiner von uns wird wirklich mitgenommen. Ich möchte aber wissen, was augenblicklich diskutiert wird. Ich will wissen, was man sich als schlimmsten Fall ausrechnet. Ich möchte dann nicht scheibchenweise über Maßnahmen informiert und lediglich zum Objekt des politischen Handelns gemacht werden. Ich will letztlich, dass man mich als mündigen Bürger ernst nimmt. Die Debatten über die möglichen Strategien müssen transparent geführt werden. Sonst schießen nämlich Gerüchte ins Kraut. Das fängt jetzt bereits an.

Es ist absolut notwendig, dass die Bevölkerung als Ganzes für die Maßnahmen Verständnis aufbringt und sie mitträgt. Dazu aber muss die Bevölkerung auch mitgenommen werden. Sie darf nicht das Gefühl bekommen, dass hinter verschlossenen Türen und im Geheimen an den nächsten Entscheidungen gebastelt wird. Wenn diese Prozesse nicht transparent laufen, dann droht die Stimmung nämlich ganz, ganz schnell zu kippen.

Jörg Sieger

Gebt Acht und bleibt wach! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist. Es ist wie mit einem Mann, der sein Haus verließ, um auf Reisen zu gehen: Er übertrug die Vollmacht seinen Knechten, jedem eine bestimmte Aufgabe; dem Türhüter befahl er, wachsam zu sein. Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, wann der Hausherr kommt, ob am Abend oder um Mitternacht, ob beim Hahnenschrei oder erst am Morgen. Er soll euch, wenn er plötzlich kommt, nicht schlafend antreffen. Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Seid wachsam!

(Evangelium nach Markus 13,33-37)