Kar- und Ostertage 2020

ein wahrhaft besonderes Osterfest


Der "Corona-Mann"

Mittwoch, 29. April 2020

"Ich möchte mir von Frau Merkel nicht mit einem weinerlichen Gesicht sagen lassen, dass ich mir die Hände waschen muss. Das beleidigt meine bürgerliche Erziehung", ⋅1⋅

so der Regisseur Frank Castorf, der daran zweifelt, dass im Augenblick bei all den Maßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie der Nutzen dem Aufwand entspricht.

Blüten und Dornen

Foto: Jörg Sieger

Man muss seine Thesen nicht unterschreiben. Man muss ihnen nicht einmal zustimmen. Nichtsdestoweniger fällt auch mir auf, dass ich nicht den Eindruck habe, derzeit wirklich als mündiger Bürger behandelt zu werden. Jahrzehntelang bin ich jetzt schon für mein Leben verantwortlich. Plötzlich aber meint man, mir detailliert vorschreiben zu müssen, wie das mit dem alltäglichen Leben funktioniert. Schon das ist unwürdig. Darüber hinaus aber fallen Medien und Politik auch noch vielfach in Methoden längst überwunden geglaubter schwarzer Pädagogik zurück. Wenn man mir jetzt zu viele Zugeständnisse mache, die ich dann ja auch ganz sicher nicht verantwortlich nutzen würde, dann kommt ganz bestimmt eine zweite, noch viel schlimmere Infektions­welle. Das mutet mir an, als würde man mir zurufen:

'Wenn Du nicht brav bist, dann holt Dich der böse Corona-Mann!'

So wird man keine Probleme lösen. So wird auf Dauer ledig­lich bürgerschaftlicher Widerstand genährt.

Demokratie bedeutet Partizipation, Teilhabe. Es geht darum, eine Gesellschaft bei notwendigen Entscheidungen wirklich mitzunehmen und sie nicht einfach einzu­schüchtern.

Und zu den grundlegenden demokratischen Spielregeln gehört auch, dass Maßnahmen einsichtig und verhältnismäßig sein müssen. Warum eine Mutter sich mit ihren Kindern auf einer Wiese zwar auf eine Decke setzen darf, warum sie aber Strafe bezahlen muss, wenn sie dabei mitgebrachte Kekse verzehrt, warum es aber absolut kein Problem wäre, an genau demselben Platz am Kiosk gekaufte Schokoriegel zu essen, das kann keinem vernünftigem Menschen vermittelt werden.

Es bräuchte jetzt eben solch massive Einschränkungen, weil es schließlich unverbesserliche Zeitgenossen gäbe, die nur ihr Vergnügen kennen und keine Rücksicht auf andere nehmen würden. Sie würden durch ihr unverantwortliches Handeln das Leben anderer gefährden und das könne der Staat nicht zulassen.

Aus dem Mund einer Regierung, die immer noch ein allgemeines Tempolimit rundweg ablehnt und damit zulässt, dass unverbesserliche Zeitgenossen absolut keine Rücksicht nehmen und dass dieselben mit ihren übermotorisierten Wagen in unverantwortlicher Weise über die Autobahn rasen und dabei mein Leben gefährden, klingt das wenig glaubwürdig. Es klingt letztlich sogar zynisch.

Jörg Sieger

Sie kamen nach Kafarnaum. Am folgenden Sabbat ging er in die Synagoge und lehrte. Und die Menschen waren voll Staunen über seine Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten.

Evangelium nach Markus 1,22-23

Anmerkung

1 Zweifel an Aufwand und Nutzen, Regisseur Frank Castorf hält Corona-Maßnahmen für übertrieben, n-tv.de, 28.4.2020 = https://www.n-tv.de/ticker/Regisseur-Frank-Castorf-haelt-Corona-Massnahmen-fuer-uebertrieben-article21744651.html (abgerufen am 29. April 2020). Zur Anmerkung Button