Kar- und Ostertage 2020

ein wahrhaft besonderes Osterfest


Pessachmahl?

Gründonnerstag, 9. April 2020

"Die Jünger machten sich auf den Weg und kamen in die Stadt. Sie fanden alles so, wie er es ihnen gesagt hatte, und bereiteten das Paschamahl vor." (Mk 14,16)

So sind wir es gewohnt: Die Jünger bereiteten das Mahl vor und am Donnerstagabend, am Vorabend des 15. Nisan, des traditionellen Pessachfestes, feiert Jesus mit ihnen zusammen sein Abschiedsmahl - ein Pascha-, oder Pessachmahl. Der Freitag selbst - so legt es die Darstellung der Evangelien nach Markus, Matthäus und Lukas nahe - ist dann der Pessachtag. An ihm wird Jesus verurteilt und hingerichtet.

Johannes berichtet auch von einem Mahl, das vor dem Pessachfest stattgefunden hat (Joh 13,1). Aber irgendetwas passt da nicht wirklich zusammen. Auch bei Johannes wird Jesus in der sich anschließenden Nacht verhaftet und am Tag darauf verurteilt und hingerichtet. Bei ihm aber geschieht die Kreuzigung zur gleichen Stunde, in der auch die Lämmer im Tempel geschlachtet werden. Das ereignet sich traditionell am Tag vor dem Pessachfest, also am 14. Nisan. Der 15. Nisan, der Pessachtag selbst ist nach Johannes der darauffolgende Sabbat. Und einen Tag später, am ersten Tag der Woche, am Sonntagmorgen, dem Tag nach dem Fest, finden die Frauen das leere Grab.

Relief vom Calvaire

Abendmahl - Calvaire, Guimiliau (Bretagne)

Foto: Jörg Sieger

Auch in den übrigen drei Evangelien ist der Sonntag der Tag der Auferstehung. Bei ihnen ist es aber schon der nächste Kalendertag, der 16. Nisan.

War nun das Mahl, das Jesus mit seinen Jüngern gehalten hat, ein Pessachmahl oder war es - wie das Johannes­evangelium nahelegt - ein eher ganz normales Abendessen, das allein dadurch seine Besonderheit erhielt, weil es das Abschiedsmahl Jesu gewesen ist?

Ich kann es kurz machen: Es gibt keine Antwort auf diese Frage. Die Chronologie des Johannesevangeliums ist mit derjenigen der übrigen Evangelisten nicht in Einklang zu bringen. Historiker verzweifeln an dieser Diskrepanz - Theologen leben mit ihr schon seit 2000 Jahren.

Wie kann das sein? Wie können die Evangelien ein solch entscheidendes Ereignis wie die letzte Woche im Leben des Jesus von Nazareth so unterschiedlich darstellen? Muss man daraus nicht schließen, dass auch all die anderen Begebenheiten, die in diesen Texten geschildert werden, es mit der historischen Exaktheit nicht so genau nehmen?

Das kann man daraus schließen. Und das ist eigentlich auch plausibel. Denn die Evangelien wie auch die ganze Bibel sind kein Geschichtsbuch. Die Bibel ist ein Glaubensbuch. Sie erhebt nicht, wie eine Chronik oder ein Zeitungsbericht, den Anspruch zu schildern, was sich wann ereignet hat. Sie schildert, was die Ereignisse für uns bedeuten.

Deshalb gibt es in den Evangelien auch keine biographischen Angaben über Jesus von Nazareth. Nirgendwo wird geschildert, wie er aussah, welche Bildung er genossen hat. An keiner Stelle finden sich Jahresangaben.

Wozu die Texte niedergeschrieben wurden, sagt das Johannesvangelium selbst:

"Noch viele andere Zeichen hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen." (Joh 20,30-31)

Für den Verfasser dieses Evangeliums war deshalb nicht wichtig, wann Jesus hingerichtet worden ist. Für ihn war bedeutend, dass er wie die Lämmer im Tempel geschlachtet wurde: Denn dieser Jesus ist das wahre Osterlamm! Das soll uns deutlich gemacht werden, nicht eine Chronologie der Ereignisse.

Deshalb ist es letztlich auch nicht wirklich bedeutend, ob das letzte Abendmahl ein Pessachmahl oder ein "normales" Abendessen gewesen ist. Wichtig allein ist, was uns Jesus bei diesem Mahl mit auf dem Weg gegeben hat:

"Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt." (1 Kor 11,26)

Das hat Christen von Anfang an gestärkt und gehalten. Beim gemeinsamen Brotbrechen dachte man an den Tod Jesu und daran, dass er nicht im Tod geblieben ist. Man machte sich fest an der Verheißung, dass er auch uns nicht im Stich lassen wird, dass er auch in unserer Mitte ist und uns nicht nur den Weg weist, sondern diesen Weg auch mit uns geht.

Das hat Christen durch all die Jahrhunderte hindurch getröstet und ihnen Kraft gegeben. Und es will auch uns helfen. Allein deshalb sind die Texte niedergeschrieben worden, allein deshalb wurden sie durch die Jahrhunderte tradiert. Aus keinem anderen Grund.

Jörg Sieger

Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis! Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.

1 Korintherbrief 11,32-26

Eine Hilfestellung für einen Gottesdienst zuhause finden Sie hier: Hausgottesdienst für den Gründonnerstag.