Kar- und Ostertage 2020
ein wahrhaft besonderes Osterfest
Welcher Weg?
Freitag, 8. Mai 2020
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott, und glaubt an mich! Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten? Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin. Und wohin ich gehe - den Weg dorthin kennt ihr. Thomas sagte zu ihm: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen? Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.
Evangelium nach Johannes 14, 1-6
Das heutige Evangelium ist ein Text, der häufig für Trauerfeiern verwendet wird. Aber auch für unser irdisches Leben beschäftigt uns die Frage nach dem "Wohin" sehr. Die vor uns liegenden Wege sind uns nicht bekannt. Wir fragen uns, welchen Weg wir gehen sollen. Jesus sagt, wir wissen, wohin es geht. Thomas bezweifelt dies. Es ist wieder Thomas, derjenige, der den anderen auch nicht glauben wollte, dass ihnen der Auferstandene erschienen ist, der die Aussage hinterfragt. Er traut sich, Fragen zu stellen. Fragen, die ich auch oft habe. Thomas glaubt nicht einfach, er hinterfragt. Ich kann ihn so gut verstehen. Ich mag diesen Thomas, der Zweifel hat.
Ich weiß nicht, wohin die Wege meines Lebens mich führen.
Beim Lesen des Bibeltextes muss ich an ein Lied denken, dass wir in den 70ger und 80ger Jahren gern im Gottesdienst gesungen haben:
Foto: Roland Sand
"In deinem Haus bin ich gern, Vater,
wo du mein Denken füllst;
da kann ich dich hören, Vater,
sehn, was du willst.
In deinem Haus will ich bleiben, Vater;
du weist mich nicht hinaus,
und nichts soll mich vertreiben, Vater, aus deinem Haus.
Mich locken viele Sterne
an meinem Horizont.
Sie weisen in die Ferne,
und jeder sagt mir, dass sein Weg sich lohnt.
(Manfred Siebald 1972)
Momentan ist die Mahnung, unser Herz soll sich nicht verwirren lassen, für mich sehr aktuell. Es dringen viele Stimmen auf uns ein. Stimmen, die wissen, was gut für uns, für unser Land, für unser Leben ist. Ich vertraue da lieber der Stimme meines Herzens, der Stimme Jesu, und schaue, was dem Menschen dient.
Ich habe den Eindruck, unsere Politikerinnen und Politiker tun sich momentan sehr schwer damit, in der Coronakrise zu entscheiden, wie wir aus dem Lockdown herauskommen. Die Angst, Fehler zu machen, lähmt bei vielen Entscheidungen. Ich denke, es ist trotz der Tragweite, über die Gesundheit eines ganzen Landes entscheiden zu müssen, dennoch wichtig, nun mutig Schritte in eine Normalität zu gehen. Mir ist klar, das Virus ist nicht weg und es kann sein, dass es wieder heftig ausbricht, vielleicht jedoch erst im kommenden Winter. Sollen wir so lange einfach warten?
Auch der Schutz von anderen Bereichen des Lebens ist wichtig, nicht nur die Verhinderung der Ausbreitung des Virus. Wir müssen darauf achten, dass die seelische Gesundheit nicht unter Kontaktverboten und Arbeitslosigkeit leidet. Wir müssen darauf achten, dass Kinder spielen können, aber auch lernen dürfen. Wir müssen Familien vor Überforderung schützen. So vieles prasselt auf die Entscheidungsträgerinnen ein.
Ich denke, es ist gar nicht möglich, alle Bereiche zu berücksichtigen, alles mit zu bedenken. Daher sollte es die Möglichkeit geben, größere Spielräume zu haben. Erste Schritte in die Richtung wurden getan.
Aber vieles ist noch unsinnig reglementiert. Wieso dürfen Gottesdienste wieder stattfinden, dieselben Menschen, die sich dort begegnen, können aber keine gemeinsame Pfarrgemeinderatssitzung abhalten, um sich abzustimmen, wie in dieser Zeit, in der alles neu und unbekannt ist, gehandelt werden soll?
Wieso wird einerseits immer wieder betont, dass es wichtig ist, Infektionsketten nachvollziehen zu können, andererseits müssen die Listen mit den Teilnehmenden im Gottesdienst nicht geführt werden? Im Erzbistum Köln muss jede und jeder registriert werden, der zum Gottesdienst kommt, im Erzbistum Freiburg nicht. Wäre dies zur Dokumentation nicht wichtig?
Ich verstehe so vieles nicht. Es wäre gut, wenn jede Gruppierung, die den Überblick über ihren Bereich hat, dort auch den Handlungsspielraum hätte, sorgfältig und mit Bedacht die Wege einzuschlagen, die den Menschen dienen.
Marieluise Gallinat-Schneider