Kar- und Ostertage 2020

ein wahrhaft besonderes Osterfest


Leben in Fülle

4. Ostersonntag, 3. Mai 2020

Im Sonntagsevangelium heißt es heute:

"Dieses Gleichnis erzählte ihnen Jesus; aber sie verstanden nicht den Sinn dessen, was er ihnen gesagt hatte."

Diesen Satz kann ich unterschreiben. Oft sind mir die Bilder, die Jesus wählt, fremd. Es ist nicht meine Welt. Und wenn sie dann noch im Johannesevangelium in einer Sprache geschrieben sind, die für mich unverständlich ist, macht es mir das nicht leichter. Jesus wählt Gleichnisse aus der Lebenssituation der Menschen seiner Umgebung. Die Bilder, die darin genannt werden, sind für die Menschen seiner Zeit verständlich. Die Vergleiche, die er damit zieht aber nicht immer. Wie schwer ist es dann erst für uns, die wir selbst die Gegebenheiten, von denen berichtet wird, nicht kennen, diese Stellen in ihrer Bedeutung zu verstehen.

Ich muss daran denken, wie ich in Israel war und bei der ersten Fahrt mit dem Leihwagen gleich zweimal an den Straßenrand lenkte, um das Auto zu parken, weil ich fotografieren musste: einmal war es ein Kamel, das nächste Mal waren es dunkelbraune, ja fast schwarze Schafen.

Meine Begleitung meinte, wenn ich bei jedem Kamel oder jeder Schafherde anhalten würde, würden wir im Urlaub zu nichts kommen. Im Laufe der Reise habe ich dies verstanden. Kamele, die einfach irgendwo grasen, gibt es in Israel zuhauf. Auch schwarze Schafe sind häufig anzutreffen. Die kannte ich aus Deutschland so nicht.

Mein Bild, wenn es im Tierreich verankert wäre, wären wohl die Kühe. Aber auch dieses Bild ist nicht für alle ein vertrautes. Kinder, die denken, Kühe wären lila, werden sich mit solchen Gleichnissen ebenso schwer tun wie mit Hirten und Schafherden.

Außerdem ist das Bild vom Schäfer und seinen Schafen ein anderes, als das von der Kuhweide. Der Hirte sorgt sich um seine Herde, wacht darüber, damit nachts keine Wölfe oder Diebe kommen. Jesus vergleicht sich oft mit einem Hirten, der sich um uns als seine Schafe sorgt. Ich mag den Vergleich mit Schafen zwar nicht, aber manchmal habe ich dennoch gedacht, wir benehmen uns wie eine Herde, die sehr unbedacht und unreflektiert ihr Leben lebt.

Wir haben uns in Deutschland umsorgt und beschützt gefühlt und in Sicherheit gewogen. Die Corona-Pandemie zeigt, wie schnell wir angegriffen werden können. Wir sind nun auch geschwächt.

Viele Stimmen wollen uns in dieser Situation den Weg aus dieser Krise aufzeigen. Viele melden sich zu Wort und sagen, wo es langgeht.

Nun machen bedenkliche Videos und Nachrichten über die sozialen Netzwerke die Runde. Da werden wir zum Umdenken, zur Umkehr aufgerufen. Das Virus wurde der Menschheit geschickt, um sie eines Besseren zu belehren. Mir graust vor diesen Filmchen, die mir geschickt werden.

Ich denke, wenn wir uns auf den letzten Satz des Evangeliums berufen, dann wissen wir, was Jesus will. Er will, dass wir das Leben haben und es in Fülle haben. Dieser Satz ist verständlich, auch für uns heute und zeigt uns, dass Gott uns niemals strafen will, sondern will, dass es uns gut geht. Auf diese Stimme sollten wir hören. Von dieser Aussage her ist der Bibeltext absolut verständlich.

Marieluise Gallinat-Schneider

In jener Zeit sprach Jesus: Amen, amen, ich sage euch: Wer in den Schafstall nicht durch die Tür hineingeht, sondern anderswo einsteigt, der ist ein Dieb und ein Räuber. Wer aber durch die Tür hineingeht, ist der Hirt der Schafe. Ihm öffnet der Türhüter und die Schafe hören auf seine Stimme; er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und führt sie hinaus. Wenn er alle seine Schafe hinausgetrieben hat, geht er ihnen voraus und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme. Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, sondern sie werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme der Fremden nicht kennen. Dieses Gleichnis erzählte ihnen Jesus; aber sie verstanden nicht den Sinn dessen, was er ihnen gesagt hatte. Weiter sagte Jesus zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ich bin die Tür zu den Schafen. Alle, die vor mir kamen, sind Diebe und Räuber; aber die Schafe haben nicht auf sie gehört. Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden. Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten; ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.

Evangelium nach Johannes 10, 1–10