Interkulturelle Kompetenz

Herausforderung für unsere Gesellschaft


Jetzt reichts! Kein Platz für Rassismus ...

"Priester wie Sie braucht das Land (wirklich nicht)" - zu dieser Erkenntnis kam Werner K., nachdem er - nach eigenen Angaben - einige Zeit in das Studium meiner Website investiert hatte. Ausgangspunkt war mein angebliches "Anbiedern an den Islam mit gleichzeitiger Selbstbezichtigung", das "zwar modisch, aber würdelos" sei. Wie so häufig offenbarte der Inthalt der Mails einen nicht nur unterschwelligen Rassismus, der unter uns leider Gottes immer schon da war und sich nur noch weiter ausbreitet.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Beantwortung solcher Mails zu nichts führt, weil es mit den meisten Mailschreibern nicht zu einem wirklichen Austausch von Argumenten kommt, sondern in der Erwiderung vorab lediglich Phrasen und Halbwahrheiten widergekäut werden und an einem wirklichen Erkenntnisfortschritt - selbst da, wo Fehler belegbar nachgewiesen werden können - kein wirkliches Interesse sondern eigentlich nur Beratungsresistenz herrscht.

Auf solche Stimmen aber gar nicht zu reagieren, kann keine Lösung sein. Die ersten Asylbewerberheime brannten bereits. Ich werde deshalb jetzt einen anderen Weg einschlagen: Ich antworte hier, so dass alle es lesen können; vor allem auch die, die in ihrem eigenen Umfeld gerne ebenfalls antworten und fundiert Stellung behziehen möchten, wenn Menschen wieder einmal Unsinn reden - Unsinn, der in der Vergangenheit unseres Landes schon mehr als einmal - vor allem aber vor einem Dreiviertljahrhundert - fatale Folgen hatte. Hier soll lesen können - ob gelegen oder ungelegen.

Alle Namen sind anonymisiert, hinter jedem Zitat aber verbirgt sich eine tatsächliche Zuschrift und ihr tatsächlicher Wortlaut. Und das sind leider keine bedauerlichen Einzelfälle. Es reicht schon lange ...

Warum jetzt?

Einer der Opferanwälte des NSU-Prozesses sagte auf einer Tagung in Köln, dass ihn von den 350.000 Seiten Akten-material zwei bis drei Fotos besonders erschüttert haben. Es waren Bilder, die die Täter mit 12 bis 13 Jahren zeigen.

"Da blicke ich in offene Kindergesichter. Das sind liebe Kinder", sagte er. Weiter unterstrich er, dass er unendliches Mitleid mit den Opfern und den Opferangehörigen habe. Er habe aber auch großes Mitleid mit den Kindern, aus denen diese Täter wurden. "Das sind keine Monster. Sie haben monströse Taten vollbracht, aber sie sind Kinder unserer Gesellschaft".

Es hat mich zutiefst betroffen gemacht, als plötzlich die Frage im Raum stand, was in diesen wenigen Jahren seit sie Kinder waren, mit diesen Menschen passiert sei. Was ist passiert, dass aus diesen Kindern Täter wurden? Und die Antwort von Dr. Mehmet Gürcan Daimagüler, Opferanwalt im NSU-Prozess, lautete banal wie niederschmetternd: "Wir sind passiert! Wir haben diese Kinder geformt." Er erinnerte an die endlosen Diskussionen über die Flüchtlinge in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts, an Parolen wie "das Boot ist voll" und den Ausdruck "Asylschmarotzer". All dies hat Kinder geprägt.

Deshalb ist es notwendig, dagegen zu reden: Gegen billige Parolen an den Stammtischen, gegen scheinbar einfache Wahrheiten, die in allzuvielen Elternhäusern verbreitet werden, gegen offensichtliche Unwahrheiten, die wider besseres Wissen von bestimmten Kreisen wohlkalkuliert gestreut, und gegen allzu vereinfachende Halbwahrheiten, die immer wieder nur allzugerne geglaubt werden.

Das ist ein Unterfangen, das nicht wohl gelitten ist. Aber es ist um so notwendiger, denn jedes noch so kleine Wort entfaltet am Ende eine Wirkung - so oder so.

Jörg Sieger

NSU: Abkürzung für "Nationalsozialistischer Untergrund".

 

Derselbe Gott?

"Mein Leserbrief richtet sich gegen den Satz: 'Schließlich glauben die Muslime genau an den gleichen Gott wie wir Christen.' Diese Aussage ist nicht richtig", behauptete Michael L. und begründete dies damit, dass es für einen Muslim unmöglich sei, sich vorzustellen, dass "Gott einen Sohn hat, der schließlich auch noch qualvoll am Kreuz verenden muss."

Wo Michael L. recht hat, hat er recht. Für einen Muslim ist das nicht vorstellbar. Aber das ist auch nicht notwendig. Es ist nämlich nicht entscheidend, was ich mir vorstellen kann, sondern wie etwas wirklich ist. Das wird hoffentlich deutlich, wenn ich an folgende Begebenheit erinnere:

"Meine Mama ist eine blöde Schnepfe!" meinte nämlich ein Kind. Komisch, dachte ich, kenne ich die Mutter doch als liebevolle, gütige Frau. Offenbar hat der Junge eine andere Mutter, als die Frau, die ich bisher für seine Mutter gehalten habe - oder etwa nicht? Dass der Junge ein anderes Bild von seiner Mutter hat, als das, das ich wahrnehme, ändert doch nichts daran, dass es sich um ein und dieselbe Frau handelt.

Im ersten Semester Philosophie lernt jeder Student, dass es zwischen dem Sein einer Sache bzw. einer Person und der unterschiedlichen Wahrnehmung zu unterscheiden gilt. Dies scheinen all diejenigen, die von unterschiedlichen Gottesbildern auf verschiedene Götter schließen, zu vergessen.

Auch innerhalb des Christentums existieren die unterschiedlichsten Vorstellungen von Gott und damit verbunden ganz eigene Gottesbilder. Dies ändert nichts daran, dass alle von ein und demselben Gott sprechen, auch wenn sie ihn unterschiedlich zu erkennen glauben. Dies gilt nicht minder, wenn bei Christen, Juden und Muslimen ein unterschiedliches Erkennen Gottes festzumachen ist. Letztlich ist es ein und derselbe Gott, an den wir glauben.

Katholiken könnten es da im übrigen sehr einfach haben. Sie bräuchten nur in ihren "Weltkatechismus der Katholischen Kirche" schauen (Ziffer 841) wo es ausdrücklich heißt. "Die Heilsabsicht umfasst aber auch die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslime, die sich zum Festhalten am Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einzigen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird."

Dies ist im übrigen nichts anderes als das, was in den Konzilsdokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils steht (Lumen Gentium 16), eine Stelle, die der ständige Diakon Harry H., der immer wieder glaubt, die Kirche gegen die Umtriebe der modernistischen Theologen verteidigen zu müssen, in einem Schreiben an mich allerdings als "zweifelhafte Konzilsaussage" abgetan hat. Es wundert mich immer wieder, wie frei Menschen, die anderen regelmäßig vorwerfen, Sie würden sich nur das aus dem Glauben herauspicken, was ihnen passen würde, mit kirchlichen Lehraussagen umgehen - insbesondere mit Aussagen genau dieses Konzils, das verheirateten Männern wie Harry H. ja erst ermöglicht hat, als ständige Diakone amtlich tätig zu werden.

Jörg Sieger

 

Und er "hat" keinen!

"Frage einen Muslim, ob sein Gott einen Sohn hat, und wenn er nein sagt, dann glauben wir auch nicht an den selben Gott." So schrieb es ein Kollege aus den Freikirchen und er meinte damit das Thema mit dem Gott der Muslime endgültig erledigt zu haben.

Ich möchte es ihm nicht unterstellen. Mein Kollege war sich dieser Tragweite sicher nicht bewusst. Aber wenn man so argumentieren könnte, dann hätte man auch den Gott der Juden gleich "mit erledigt", denn ein Jude würde auch nie dem Satz zustimmen, dass sein Gott einen Sohn hat. Damit hätte man aber dann auch gleich geklärt, dass Juden nicht an denselben Gott glauben, wie Christen.

Wenn man dann aber daran festhält, dass es tatsächlich nur den einen Gott gibt, gleichzeitig aber "nachgewiesen" hat, dass Juden und Muslime an diesen Gott nicht glauben, dann hat man beide damit gleich - mir nichts dir nichts - zu Götzenanbetern degradiert. Der wahre Gott ist nämlich der unsere und einen anderen gibt es ja nicht.

Und was ist nun falsch an diesem Gedankengang? Nun, wenn unser Gott einen Sohn hat, was ist denn dann dieser Sohn? Ein anderer Gott? Haben wir dann zwei? Oder ist Jesus Christus nicht Gott? Hier müsste eigentlich wirklich deutlich werden, wie schnell man seinen eigenen Glauben ad absurdum führt, wenn man theologisch nicht wirklich sauber argumentiert. Jeder Theologiestudent, der erklären würde, dass wir an einen Gott glauben und dass der einen Sohn hat und dass der auch Gott ist, würde mit Fug und Recht durch jede Prüfung fallen. Christen, die so sprechen, haben den Monotheismus, den Glauben an den einzigen Gott, schon längst verlassen. Und nicht umsonst werfen viele jüdische und muslimische Theologen dies den Christen vor.

Der Gott der Christen aber hat keinen Sohn. Er ist der einzige Gott, wie der der Juden und der Muslime auch. Es ist nämlich ein und derselbe. Christen glauben aber, diesen Gott durch die Botschaft Jesu von Nazareth tiefer erkannt zu haben, erkannt zu haben dass dieser eine Gott in sich Vater, Sohn und Geist ist. Das heißt aber: der dreieinige Gott hat keinen Sohn, er ist Vater, Sohn und Geist. Auf den kleinen Unterschied zwischen "haben" und "sein" kommt es hier wirklich an.

Wenn wir häufig unbefangen einfach von Gott und seinem Sohn sprechen, wie dies ja auch die Schrift tut, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass dann mit Gott immer Gott-Vater gemeint ist. Vater, Sohn und Geist sind aber der eine Gott - der selbe, den auch Muslime und Juden anbeten - der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.

Noch einmal: Muslimen - und damit letztlich auch Juden - abzusprechen, an den selben Gott wie wir zu glauben, hieße letztlich zu behaupten dass sie gar nicht an Gott glauben - denn es gibt nur den einen. Wer dies dennoch allen Ernstes tut, hat aus 2000 Jahren Antisemitismus immer noch nichts gelernt.

Jörg Sieger

 

Woher kommt Kultur?

"Europa hatte bis Karl der Große eine mehr oder weniger bedeutungslose Zeit. Die Araber dagegen eine Blütezeit, vermutlich weil sie sich die Kulturen der eroberten Völker einverleibt hatten. Jedenfalls ist es nicht vorstellbar, dass diese Blüte der Kultur aus dem Innern eines Volkes von räuberischen Beduinen entstanden ist."

So schrieb mir Werner K. und das vermutlich, ohne rot zu werden. Woher kam die Blüte der Kultur dann bei den Griechen? Gut, ich vergaß, die waren ja kein räuberisches Beduinenvolk.

Ich möchte Herrn K. nicht zu Nahe treten. Vermutlich ist er sich selbst nicht bewusst darüber, dass das, was er da schreibt, Rassismus in Reinkultur ist. Natürlich entwickelt sich menschliche Kultur immer vor allem durch den Dialog und den Austausch mit anderen Kutluren. Da spielt Handel eine Rolle, ja und da spielen in der Geschichte selbstverständlich auch Kriege eine Rolle. Aber einer ganzen Gruppe von Menschen, eben einem Beduinenvolk, abzusprechen, dass es, da wohl räuberisch veranlagt, nicht in der Lage wäre, sich neben allen anderen Einflüssen auch von innen heraus weiterzuentwickeln, entstammt dem Denken nach aus Lehrbüchern einer längst überwunden gehofften Zeit.

Wie weit solches Denken - ohne dass wir uns dessen am Ende wirklich bewusst würden - in unseren Gesellschaften (und ich betone ausdrücklich, dass das leider Gottes beileibe kein deutsches Problem ist) verbreitet ist, macht eine Fallanalyse deutlich, die im Zusammenhang mit dem NSU-Prozess im Auftrag der Innenministerien Baden-Württemberg und Bayern erstellt wurde. Der Kriminalhauptkommissar beim LKA-Baden-Württemberg und hauptverantwortliche Fallanalytiker Udo H. schreibt darin wörtlich: "Vor dem Hintergrund, dass die Tötung von Menschen in unserem Kulturkreis mit einem hohen Tabu belegt ist, ist abzuleiten, dass der Täter hinsichtlich seines Verhaltenssystems weit außerhalb des hiesigen Normen- und Wertesystems verortet ist". Wahrscheinlich sei daher auch, dass die Täter "im Ausland aufwuchsen oder immer noch dort leben".

In anderen Kulturen also, vor allem wohl in denen, die aus räuberischen Beduinenvölkern hervorgegangen sind, ist man anscheinend weit weniger friedliebend und weniger zivilisiert als bei uns. - Allein, so etwas zu denken! Eigentlich müsste das weh tun...

Jörg Sieger

 

Krankheit und Seuche

"Ohne eine gründliche Diagnose klappt keine Therapie und ist nur Kurpfuscherei2, schrieb mir der Biologe und Mediziner Dr. Bernhard J. G. und empfahl mir erst mal an die Diagnose des heutigen Islam und seiner Erscheinungsformen zu gehen.

Ich solle ihm dabei aber nicht mit Inquisition, Kreuzzügen und Hexenverbrennung der Christen kommen, da dies nicht das Thema "der heute zu therapierenden Krankheit und Seuche" sei.

Diese Mail musste ich zwei Mal lesen, um wirklich glauben zu können, was Dr. G. hier schrieb. Für ihn ist der Islam offenbar ein Patient. Der Islam als ganzes ist demnach krank und muss erst einmal therapiert werden. Im weiteren Verlauf der Mail zählte Dr. G. dann eine Vielzahl von Gräueltaten gegenwärtiger Terroristen auf, illustriert durch eine Reihe von Bildern und eine Fülle von Links. Sie allesamt scheinen zu belegen, dass es sich beim Islam um alles andere als eine friedliebende Religion handele. Letztlich wird - ohne es ausdrücklich zu sagen - der Eindruck erweckt, dass der Islam ja nicht nur der Patient, sondern auch bereits die Ursache der Krankheit sei. Und jede Krankheit bekämpft man immer noch am Besten, indem man ihre Ursachen beseitigt.

Was die aufgezählten Gräueltaten angeht, braucht man mich weiß Gott nicht zu bekehren. All das, wovon Dr. G. da schreibt, das sind Verbrechen und diejenigen, die so etwas tun, das sind Verbrecher. Und eine große Zahl von Verbrechern stammt heute aus dem Kreis der Menschen, die man nur als verblendete Islamisten bezeichnen kann. Vor denen gilt es zu warnen, vor ihnen muss man sich schützen und ihnen darf man das Feld nicht überlassen.

Diese Menschen aber und den übrigen - nein nicht den übrigen Teil, sondern die große Masse der Muslime auf dieser Welt, in einen Topf zu werfen, das ist bestenfalls törricht und entsetzt mich bei einem Akademiker um so mehr. Wie kann man etwas - und zumal Menschen - so undifferenziert betrachten. Wo mir dies als Christ widerfährt, wehre ich mich dagegen. Und ich tue das zu Recht! Von den engen Anschauungen Amerikanischer Kreationisten etwa auf die Wissenschaftsfeindlichkeit aller Christen zu schließen und zu behaupten, das Christentum als Ganzes bräuchte hier eine entsprechende "Therapie", verbietet sich schließlich. Genauso wie es letztlich nicht nachvollziehbar ist, aus der evangelischen Kirche auszutreten, wenn der Papst etwas verlautbaren lässt, was man selbst nicht unterschreiben kann.

Werner K. hat mir über seine wohl negativen Erfahrungen geschrieben, die er gemacht hat, als er mit "Ahmadiyya-Moslem über den Kreuzestod von Jesus reden" wollte. Mit anderen Muslimen habe er es noch nicht versucht. Hätte er tun sollen! Er hätte feststellen können, dass die Bandbreite zwischen den einzelnen muslimischen Glaubensgemeinschaften, zwischen Sunniten, Schiiten, türkischen Muslimen, arabischen oder in Europa aufgewachsenen Muslimen bis hin zu den Ahmadiyya mindestens so groß ist, wie das Spektrum von Katholiken, Methodisten, Protestanten und Zeugen Jehova. Und genau weil das so ist, deshalb konnte ich mit Muslimen schon Gespräche führen, die andere von vorneherein für unmöglich halten würden; Gespräche, bei denen mir beispielsweise dargelegt wurde, dass der Koran selbst Jesus als Gesalbten, als Messias, verkünde, der allein - und nicht etwa Mohammed - wiederkehren und das Endgericht ankündigen wird.

So könne man nur mit wenigen Muslimen sprechen und das würden auch nicht alle unterschreiben, wird mir da meist entgegengehalten. Aber das ist bei Christen nicht anders. Russisch-orthodoxe Christen wird man auch schwerlich, zu einem positiven Bekenntnis zur Unfehlbarkeit des römischen Papstes bewegen können. Es gibt eben nicht die Christen. Ich muss im Dialog mit christlichen Kirchen und Gruppen immer im Blick haben, dass ich mich je neu auf die jeweiligen Gesprächspartner einzulassen habe. Und das gilt für muslimische Gemeinschaften nicht minder. Das macht ja gerade die Schwierigkeiten des Dialoges aus, dass man zunächst einmal den Gesprächspartner zu Wort kommen lassen muss, ihn zu verstehen versuchen und ihm Gelegenheit geben muss, seine Position selbst darzulegen. Dialog hat keine Chance, wenn ich dem anderen von vorneherein erkläre, dass ich bereits besser als er selbst weiß, was er denn letztlich glaubt. Und das gehört eben zu einer wirklichen "Diagnose" "mit offenen Augen", um das Bild von Dr. G. aufzugreifen, auch dazu, dass man genau hinschaut, sein Gegenüber differenziert betrachtet, nicht mit Vorurteilen alles platt walzt und am Ende die ganze Familie in Gips legt, weil sich ein Mitglied das Bein gebrochen hat.

Dialogbereitschaft bedeutet alles andere als die Augen vor den Realtitäten zu verschließen. Verbrechen sind zu verurteilen, vor Gewalt muss man sich schützen und Terror ist zu bekämpfen. Aber Verallgemeinerungen sind törricht, pauschalisierende Vorverurteilungen sind dumm und Diffamierungen einer Weltreligion als krank - am Ende gar selbst as Krankheit und Seuche - sind sündhaft; und das im wahrsten Sinne des Wortes: Sie sondern einen ab von der Nachfolge des Jesus von Nazareth, der immer differenziert sein gegenüber in den Blick genommen und den Dialog gesucht hat.

Dr. G bezeichnet sich in seiner Mail selbst näher als "Arzt f. Allgemeinmedizin, Katholik, noch nicht im Rahmen des Dialogs geköpft ... noch nicht!" - In diesem Punkt glaube ich ihn auch wirklich beruhigen zu können. Wer sich so rundweg als Dialogverweigerer gebärdet, dem wird zumindest im Dialog wohl auch nichts Widriges widerfahren können.

Jörg Sieger

Kreationismus (von lat. creatio "Schöpfung") ist die Auffassung, dass das Universum, das Leben und der Mensch durch einen unmittelbaren Eingriff eines Schöpfergottes in natürliche Vorgänge entstanden sind. Häufig verbunden mit der Vorstellung, dass diese Schöpfung exakt wie in der Bibel beschrieben in sechs Tagen vor sich gegangen ist.

 

Selbstbezichtigung

Der Koran fordere zu Gewalt auf, die Bibel berichte höchstens von ihr, das sei ein großer Unterschied, meint Berthold D. und glaubt damit einmal mehr bewiesen zu haben, dass der Islam eben von vorneherein gewalttätig, das Christentum aber eine Religion des Friedens sei.

Weder das eine noch das andere ist richtig, auch wenn es in jüngster Zeit schon beinahe gebetsmühlenartig wiederholt wird. In einem anderen Zusammenhang habe ich nur ein paar wenige Zitate aus der Bibel zusammengestellt, die bereits eindeutig belegen, dass man auch in der Bibel entsprechende Stellen findet - und nicht zu wenige. Auch wenn Werner K. dies als "Selbstbezichtigung", als "würdelos" und modisches "Anbiedern an den Islam" abqualifizieren möchte, so giebetet nichts anderes Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit. Auch die Bibel bringt einen heutzutage da und dort zum Kopfschütteln, lässt manchen voller Unverständnis und mit Ablehung reagieren. Es gibt nicht nur Kapitel 22 der Genesis (1. Mose), in dem Gott das Opfer des Isaak verhindert, es gibt nicht minder - die zugegebenermaßen ältere Stelle - Richter 11 mit Jiphtachs als Gott offenbar wohlgefällig geschilderten Opfer seiner eigenen Tochter.

Und sage man jetzt nicht, das sei ja Altes Testament, für Christen gelte doch das Neue! Dass für alle chrstlichen Großkirchen die Bücher des Ersten wie des Neuen Bundes untrennbar in ihrer Gesamtheit die christliche Heilige Schrift darstellen, ist ein Faktum, das vielfach ganz einfach nicht zur Kenntnis genommen wird oder nicht zur Kenntnis genommen werden will. Hinzu kommt, dass auch das Neue Testament nicht frei von Aussagen ist, die man nicht unkommentiert stehen lassen kann.

Einen Text zu interpretieren ist eine Kunst, die gelernt sein will. Und allzuoft sind Texte in der Geschichte schon vergewaltigt worden. Das hat die Bibel erlebt und erlebt sie bis heute und das erlebt der Koran. Selbst wenn man behauptet, dass man einen Text wörtlich zu befolgen hat, ist das eine Intrepretation, denn das Verständnis von Worten und Sätzen ist immer - selbst beim vermeintlich wortwörtlichen Verstehen - an das Vorverständnis des Hörers und Interpreten gebunden.

Und was heißt das jetzt? Die Bibel ist in der Geschichte des Christentums schon mehr als einmal missverstanden worden und sie wird es noch heute. Glaubt man daran, dass sie Offenbarungsquelle unseres Glaubens ist und sie von Gott kündet, lohnt es sich dennoch, dieses viel geschundene Buch immer wieder in die Hand zu nehmen und durch es hindurch danach zu fragen, was wir von diesem Gott durch es erfahren können.

Für Muslime ist der Koran Offenbarungsquelle. Und er kündet von ein und demselben Gott wie die Bibel. Für den Glaubenden können die Unterschiede im Endergebnis so groß demnach gar nicht sein. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Koran gar nicht auf diesen Gott, an den wir glauben, zurückgehen würde, wenn er in sich falsch wäre und demnach auch keine wirkliche Offenbarung beinhaltet. Zu sagen, dass der Islam von vorneherein eine gewalttätige Religion sei, dass also dort, wo Gewalt herrsche, der Islam nicht falsch verstanden würde, sondern dass dies gar sein wahres Gesicht wäre, führt folgerichtig zur Annahme, dass der Koran von seiner Anlage her falsch sei und demnach auch keine Botschaft von Gott beinhaltet. Der Islam wäre also nichts anderes als ein Irrglaube.

Wer so denkt oder dies vertritt macht genau das, was Muslimen immer vorgeworfen wird: Er bezeichnet die anderen als Ungläubige, als Menschen, die einfach irren und bestenfalls bekehrt werden können.

So aber denken Christen nicht. Zumindest stimmen die großen christlichen Konfessionen darin überein, dass Muslime keinen Götzen, sondern den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, den uns nicht minder die Bibel überliefert, verehren und anbeten. Und die römisch katholische Kirche hat auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil in der dogmatischen Konstitution "Über die Kirche in der Welt von heute" (Lumen Gentium, 16) sogar ausdrücklich festgehalten, dass auch die Muslime von Gottes Heilswillen umfasst werden.

Als römisch-katholischer Christ kann ich nur schwerlich Muslimen absprechen, gottgläubige Menschen zu sein. Und ihre Heilige Schrift, der Koran, kündet von diesem Gott. In der Nachfolge des Jesus von Nazareth werde ich solchen Menschen immer mit Hochachtung und ihrer Religion gegenüber voller Respekt begegnen. Auch nur anzukündigen, den Koran verbrennen zu wollen, wie vor einiger Zeit jener unselige Pastor aus den USA, beleidigt nicht nur Muslime; es beleidigt den Gekreuzigten.

Jörg Sieger

Konzilskonstitution "Lumen Gention", NR. 16: "Der Heilswille umfaßt aber auch die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslim, die sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird."

 

Einen Gefallen tun

"... tun Sie Ihrem Land den Gefallen und informieren Sie sich über die Islamisierung Europas", schrieb mir Victor E. und ich gebe zu, ich weiß bis heute nicht, wie der Gefallen genau aussehen soll, den ich dem Land erweisen möge.

Die Information, dass die Menschen, die hier zuziehen, zu einem guten Teil Muslime sind, dass sie statistisch gesehen mehr Kinder haben, als die angestammte Bevölkerung, und dass diese Menschen in ganz ähnlichem Umfang, wie das bei uns der Fall ist, das Bedürfnis haben, ihre Traditionen, ihr Brauchtum und ihre Religion zu pflegen, wird es ja allein wohl nicht sein, die Victor E. hier meint. Denn diese Informationen - so man sie mit echten Zahlen belegt - machen ganz schnell deutlich, dass von einer Islamisierung absolut nicht die Rede sein kann.

Die Zahl der Muslime in Deutschland bewegt sich im unteren einstelligen Prozentbereich und die Religiosität ist in der Regel auch nicht sehr viel ausgeprägter als bei evangelischen oder katholischen Christen. Natürlich werden Traditionen und Brauchtum hochgehalten, dieses Brauchtum aber beührt, bei genauerer Betrachtung das theologische Zentrum von Religion auch nicht stärker, als das christlche Brauchtumspflege tut; will sagen: es hat mit dem Kern von Religion auch nicht mehr zu tun, als der Schnee an Weihnachten und die Eier an Ostern. Muslime in Deutschland wollen in aller Regel auch nichts anderes als Christen und Atheisten: in Ruhe und Sicherheit und natürlich auch mit dem nötigen Auskommen leben.

Das aber hat Victor E. sicher nicht gemeint. Er vermutet nämlich einen Plan, eine gesteuerte Unterwanderung unserer Gesellschaft mit dem Ziel, die Herrschaft zu übernehmen. Solche Verschwörungstheorien haben immer hohe Konjunktur. Und ich warte auf den Tag, an dem Dan Brown in einem Bestseller nachweisen wird, dass es alte Nazi-Kreise sind, die mit Hilfe des Vatikans ein Terrornetzwerk aufbauen, um das Weltjudentum zu vernichten.

Aber die Angelegenheit ist viel zu ernst, um sie ins Lächerliche zu ziehen. Ganz ehrlich: Was wollen Menschen, wie Victor E. eigentlich? Sollen wir dafür sorgen, dass keine weiteren Muslime mehr nach Deutschland kommen? Und wie sollen wir das tun? Heißt es, dass wir, um den Zuzug von Menschen muslimischen Glaubens zu verhindern, die Grenzen einfach noch dichter machen sollen, die Mauern um die Festung Europa erhöhen und die Flüchtlingsboote im Mittelmeer einfach noch früher abfangen? Ist es das, was Menschen wie er in letzter Konsequenz meinen?

Und was ist dann mit den Muslimen, die bereits unter uns leben? Soll man ihnen die Ausübung der Religion verbieten? Oder es wenigstens so einrichten, dass niemand etwas davon mitbekommt, wenn sie beten?

Wir hatten - so weiß ich aus Erzählungen meiner Großmutter - schon einmal eine solch aufgeregte Diskussion in unseren Breiten. Damals, als nach dem Zweiten Weltkrieg nämlich die gewaltigen Flüchtlingsströme aus dem Osten unsere katholischen Ortschaften überschwemmten und damit für eine Protestantisierung des Ortes sorgten. Die katholische Strategie, die unter dem Schlagwort "Zeugt sie nieder!" sprichwörtlich geworden ist, hat damals schon keine überzeugenden Erfolge gezeitigt. Wie aber stellen sich all die Kritiker, die so vehement vor einer Islamisierung des Abendlandes warnen, die "Gegenmaßnahmen" dann genau vor? Was wollen sie eigentlich?

Ich glaube nicht, dass wir in einer globalisierten Welt, deren Annehmlichkeiten wir alle genießen und deren Schattenseiten wir zu einem guten Teil verursacht haben, darum herum kommen, sehr viel stärker als das in vergangenen Jahrhunderten der Fall gewesen ist, mit anderen Kulturen dicht an dicht zu leben, mit ihnen auszukommen, sie kennen und schätzen zu lernen und uns gegenseitig voneinander anregen zu lassen. Und ich glaube, dass das im Letzen nur bereichernd sein kann. Das bedeutet aber, dass ich auf andere zugehe, Fremde kennenlerne und die Menschen hinter ihnen entdecke. Es ist schließlich bezeichnend, dass die Angst vor anderen dort am größten ist, wo es am wenigsten Fremde gibt. Fremdenfeindlichkeit und Fremdenhass gedeihen am ehesten in der Distanz.

Ich fürchte aber, dass manche das nicht wollen. Dass sie sich weigern die Grenzen ihrer Vorurteile zu überschreiten. Und manche schon regelrecht hasserfüllte Mail, die mich erreicht, verstärkt diese Befürchtung nur noch. Ich hoffe nicht - und jetzt werde ich wirklich sarkastisch; und man möge mir das verzeihen, denn es ist nur auf diese Weise zu ertragen -, ich hoffe nicht, dass man letztlich daran denkt, das Problem einfach wieder einer endgültigen Lösung zuzuführen. Arabisch, die Sprache, in der der Koran verfasst ist, gehört zu den semitischen Sprachen und mit Antisemitismus hat man in unseren Breiten Erfahrung. Das Ergebnis waren schon einmal Millionen von Toten. Vor solchen Tätern habe ich wirklich Angst. Und das waren keine Muslime. Die Täter von damals waren in aller Regel christlich getauft.

Jörg Sieger

 

Überlebenschance

"Glauben Sie, dass mit der extremen Verbreitung des Islam in ganz Europa die christliche Kirche eine Überlebenschance haben wird?" fragt mich Andreas H. besorgt und seine Sorge hat einen ganz eigenen Charakter.

Andreas H. ist Jude und ich verstehe die Angst vieler Juden vor islamistischem Terror - in Israel genauso wie bei uns.

Dabei bin ich froh, dass die allermeisten Juden die Christen nicht in dieser Weise mit Antisemiten identifizieren, wie man das mit dem Islam tut. Man spricht bei uns von der rechten Szene und von Neonazis und von ungebrochenen antisemitischen Strömungen. Zum Glück differenziert man hier aber und wirft das Christentum damit nicht einfach in einen Topf. Zum Glück geht es uns nicht so, wie der überwältigenden Zahl der absolut friedlichen Muslime, die unterschiedslos mit Islamisten in einem Atemzug genannt werden.

Dabei hätte das Judentum allen Grund dazu, das Christentum als Bedrohung zu empfinden. Im Neuen Testament gibt es genügend Stellen, die nicht nur von latentem, sondern recht offenem Antisemitismus geprägt sind. Und das meiste Leid in der Geschichte erfuhren Juden durch Menschen, die im christlichen Kulturkreis aufgewachsen sind, christlich getauft waren und das Sprechen von den Juden als "Gottesmördern" als willkommene Begründung für ihren Hass gebrauchten.

Aber ich habe keine Angst - zumindest nicht um die Zukunft des Christentums oder irgendeiner anderen Religion - wor allem nicht nicht, wenn ich mir anschaue, was Gott wohl im Letzten vor hat.

Ja, wenn wir es so betrachten, wie Menschen das zu tun pflegen und wie das auch durch all die Jahrhunderte hindurch getan wurde, dann mag man sich allen Ernstes die Frage stellen, wie der Konkurrenzkampf unter den Religionen wohl ausgehen mag. Denn nichts anderes ist es ja! Sie stehen in unerbitterlicher Konkurrenz: das auserwählte Volk, das alleinseligmachende Christentum und der alleingültige Islam.

Wo Religionen und Religionen und religiöse Überzeugungen aufeinanderprallen, gibt es bekanntlich kaum Kompromisse. Entweder hat die eine recht oder die andere. Beides geht ja wohl schlecht - es kann doch nur eine geben, nur eine wahre Religion- Und weil das eben so ist, deshalb kann es auch kaum Frieden geben, weder in Palästina noch sonst irgendwo, wo Alleingültigkeitsphantasien aufeinanderprallen. Unendlich viel Leid hat dieser Kampf zwischen den Religionen schon über die Menschheit gebracht. Und geschichtlich betrachtet kommt das Christentum da nicht besser weg als der Islam.

Dabei gibt es in der Bibel einen Text, der uns zeigen müsste, dass Gott ganz anders denkt, dass Gott auch hier weit größer ist, als unser Herz und unser Verstand und dass dieser Konkurrenzkampf und das Denken in Rechthabereien und Alleingültigkeitsphantasien letztlich nichts anderes als widergöttlich ist. Er findet sich im 19. Kapitel des Jesajabuches (Jes 19,17-25).

In diesem Text geht es um Israel und Ägypten - den alten Todfeind, das Land der Bedrückung. Und es geht um Assur - den schrecklichen Aggressor, der im 8. Jahrhundert vor Christus ganz Palästina verwüstet hatte. Und es geht um eine Vision, um das, was Gott offenbar mit diesen drei Nationen vor hat - Nationen, die für viel mehr stehen als für Israel, Ägypten und Assur: Eigentlich sind es Symbole - Symbole für die miteinander verfeindeten Völker und Religionen schlechthin.

Israel stellte sich die Zukunft ja bekanntlich so vor: Am Ende der Tage werden alle zum Zion kommen, sich alle zu Israel bekehren und mit Israel zusammen Gott auf dem Zion anbeten. So wie es ganz ähnlich - nur unter anderen Vorzeichen natürlich - die Christen erhofften und erhoffen: dass sich am Ende nämlich alle zum Christentum bekehren, und - am Besten den Papst an der Spitze - Gott entgegenmarschieren würden; dann wäre ja alles in Ordnung. So stellen es sich, auch heute noch - gerade bei uns - sehr viele vor.

Stellt es sich Gott aber auch so vor? In Jesaja 19 heißt es:

"An jenem Tag werden fünf Städte in Ägypten die Sprache Kanaans sprechen und beim Herrn der Heere schwören. (...) An jenem Tag wird es für den Herrn mitten in Ägypten einen Altar geben, und an Ägyptens Grenze wird ein Steinmal für den Herrn aufgestellt."

Mitten in Ägypten - nicht auf dem Zion - ohne Vermittlung Israels! In Ägypten selbst beginnt man auf seine ganz eigene Weise, Gott zu erkennen und ihn zu verehren. Israel würde da sagen: Das ist ganz unmöglich, die müssen zuerst zu uns kommen. Nur auf dem Zion kann man Gott wirklich die rechten Opfer darbringen. Und die Christen würden sagen: geht doch gar nicht, die müssen doch zuerst getauft werden. Und dann muss das Ganze ja auch noch kirchenrechtlich abgesichert sein ...

Aber die biblische Vision kümmert sich wenig um solche Einwände. Der biblische Bericht fährt sogar fort:

"Wenn sie" - die Ägypter - "beim Herrn gegen ihre Unterdrücker Klage erheben, wird er ihnen einen Retter schicken, der für sie kämpft und sie befreit."

Da wird Ägypten - nicht Israel - ein Retter, letztlich bedeutet das ein Messias, verheißen. Das ist eine messianische Verheißung für Ägypten! Und als ob das alles noch nicht reichen würde, fährt der Text fort:

"An jenem Tag wird eine Straße von Ägypten nach" - nein nicht nach Israel -, "nach Assur führen, so dass die Assyrer nach Ägypten und die Ägypter nach Assur ziehen können."

Die Todfeinde versöhnen sich und das ganz ohne Vermittlung des auserwählten Volkes.

Und dann kommt das für Viele letztlich unvorstellbare:

"Und Ägypten wird zusammen mit Assur (dem Herrn) dienen."

Unabhängig vom Judentum! Unabhängig vom Christentum! Die anderen Völker, die ehemaligen Feinde, erkennen den Herrn und verehren ihn auf ihre Weise. Das muss man hören auf dem Hintergrund all der Vorstellungen, die sich Menschen normalerweise von Gott und von den Religionen machen. Da kommen die beiden Feindvölker über alle Grenzen von Nation und Religion zum Glauben an den einen Gott und verehren ihn ganz einfach auf ihre Weise - und Gott ist das recht!

Und dann setzt der Prophet sogar noch einmal eins drauf:

"An jenem Tag wird Israel" - nicht als erstes - "als drittes dem Bund von Ägypten und Assur beitreten, zum Segen für die ganze Erde."

Das auserwählte Volk stößt als letztes dazu! Und wenn wir das Ganze in die heutige Zeit übertragen, steht plötzlich die Frage im Raum, wann denn die alleinseligmachende Kirche begreifen würde, was der Herr da unter den Völkern wirkt, wann wir uns aufraffen würden, solch einem weltumspannenden Friedensbund die Hand zu reichen.

Und beim abschließenden Satz, habe ich mich, schon seit ich die Stelle kenne, gefragt, warum nicht bereits die Theologen Alt-Israels diesen Teil aus der Bibel gestrichen haben. Eigentlich unvorstellbar, was Gott hier, durch den Propheten den Menschen sagen lässt:

"Denn der Herr der Heere wird sie segnen und sagen: Gesegnet ist Ägypten, mein Volk," - nicht mein Volk Israel: mein Volk Ägypten! - "und Assur", "gesegnet ist Assur, das Werk meiner Hände", "und Israel," - ganz am Ende - "Israel mein Erbbesitz."

Das ist Friedensbotschaft - eine universale Heilsbotschaft, wie ich sie nirgendwo sonst bisher gefunden habe. Das ist die Vorstellung, eines weltumspannenden Friedens, wie Gott sie hat. Jeder findet auf seine Weise zu ihm und alle sind ihm am Ende genau auf diese Weise lieb und teuer: sein Volk, Werk seiner Hände und sein Erbbesitz. Alle Rechthaberei, alle Streitigkeiten, wer denn jetzt Gott richtig erkannt und recht verehrt habe, scheinen hier, in den Augen Gottes, nichtig und klein.

Das ist eine Vision von Frieden - einem Frieden, wie er allein auf diesem Weg, im Nahen Osten zu erlangen sein dürfte - wie er allein auf diesem Weg zwischen den Religionen möglich sein dürfte. Und eine Vision, die Grundlage für jeden Dialog zwischen den Religionen sein muss.

Wenn wir in den Dialog mit Menschen anderen Glaubens treten, dann müssen wir uns immer vor Augen halten, dass wir mit Menschen reden, die Gott als Werk seiner Hände betrachtet. Wenn wir mit anderen Nationen und anderen Völkern verkehren, dann müssen wir uns bewusst machen, dass es sich auch hier um Völker handelt, zu denen Gott "mein Volk" sagt.

Ich kann die Sorge verstehen, die hinter der Frage steht, ob die christliche Kirche bei der enormen Verbreitung des Islam eine Überlebenschance habe. Aber diese Sorge greift viel zu kurz. Ich frage mich vielmehr, ob wir begreifen werden, was Gottes eigentliches Anliegen ist. Ob wir seine Vorstellung von diesem endzeitlichen, vorbehaltlosen und partnerschaftlichen Bund des Friedens wirklich begreifen werden. Wenn ich den Propheten nicht völlig falsch verstehe, dann geht es Gott nicht darum, dass eine einzelne Religion die Oberherrschaft erlangt. Einzig wichtig ist ihm, dass wir durch sie zu ihm gelangen. Oh, wenn wir nur begreifen würden, dass es um das Miteinander geht und nicht darum, wer recht hat ...

... und Frieden auf Erden.

Jörg Sieger

"Das Land Juda wird für Ägypten zum Schrecken werden. Sooft man Judas Namen erwähnt, erschrickt Ägypten vor dem Plan, den der Herr der Heere gegen Ägypten gefasst hat. An jenem Tag werden fünf Städte in Ägypten die Sprache Kanaans sprechen und beim Herrn der Heere schwören. (...) An jenem Tag wird es für den Herrn mitten in Ägypten einen Altar geben, und an Ägyptens Grenze wird ein Steinmal für den Herrn aufgestellt. Das wird ein Zeichen und Zeugnis für den Herrn der Heere in Ägypten sein: Wenn sie beim Herrn gegen ihre Unterdrücker Klage erheben, wird er ihnen einen Retter schicken, der für sie kämpft und sie befreit. Der Herr wird sich den Ägyptern offenbaren, und die Ägypter werden an jenem Tag den Herrn erkennen; sie werden ihm Schlachtopfer und Speiseopfer darbringen, sie werden dem Herrn Gelübde ablegen und sie auch erfüllen. Der Herr wird die Ägypter zwar schlagen, er wird sie aber auch heilen: Wenn sie zum Herrn umkehren, lässt er sich durch ihre Bitte erweichen und heilt sie. An jenem Tag wird eine Straße von Ägypten nach Assur führen, so dass die Assyrer nach Ägypten und die Ägypter nach Assur ziehen können. Und Ägypten wird zusammen mit Assur (dem Herrn) dienen. An jenem Tag wird Israel als drittes dem Bund von Ägypten und Assur beitreten, zum Segen für die ganze Erde. Denn der Herr der Heere wird sie segnen und sagen: Gesegnet ist Ägypten, mein Volk, und Assur, das Werk meiner Hände, und Israel, mein Erbbesitz." (Jes 19,17-18a. 19-25)

 

Dem Mann gewidmet, ...

... der mich vergangenen Donnerstag in der Rintheimer-Straße in Karlsruhe angepöbelt hat. Ich unterhielt mich gerade mit meiner Begleitung über den Krieg in der Ukraine. "Hier ist überall Krieg!" rief er uns zu.

Als ich ihm erwiderte, wo denn hier Krieg sei, meinte er in gleicher Lautstärke: "Schauen Sie nach Berlin!" Dass man das nicht vergleichen könne, meinte ich. "Ihr werdet schon sehen, wohin uns die Kanacken noch bringen werden! Alle werden es sehen, die die Merkel gewählt haben, wie die Deutschland wieder zugrunde richten!"

Ich kann diesen Mann nahezu wörtlich zitieren, denn ich höre sie noch so deutlich, diese Worte, dass sie mir nicht aus dem Kopf gehen wollen.

Es seien schon die Deutschen selbst gewesen, die im letzten Jahrhundert Deutschland zugrunde gerichtet hätten, meinte ich. "Wer? Die Bolschewiken und die Juden waren es! Verpiss Dich!"

Ich habe das dann auch gemacht. Keiner der Passanten, die währenddessen vorübergingen, meinte eingreifen oder Stellung beziehen zu müssen. Niemand sonst hat widersprochen. Ich kann nicht einmal entschuldigend anführen, dass dieser Mensch alkoholisiert geklungen hätte. Das klang leider alles sehr nüchtern.

Was mittlerweile - es war der 19. Januar 2017 - mitten in der Stadt kurz vor 20 Uhr, der nahe gelegene Discounter hatte noch geöffnet, in aller Öffentlichkeit schon wieder möglich ist - mir fehlen immer noch die Worte.

Jörg Sieger

 

Ethnomasochisten

... ich bin neulich mehr oder minder zufällig über ihre Webseite gestolpert [... Es gab] dabei mehr oder weniger interessante Dinge [...] Was mir allerdings übel aufstieß, war die Rubrik "kein Platz für Rassismus".

Warum? Sehr einfach: Weil Sie, wie so viele andere in diesem Land, offenbar selbst voller Haß stecken und vollkommen blind sind: Haß auf sich selbst und die eigene Kultur, blind gegenüber den wahren Rassisten, die - durch Indoktrination von Kindesbeinen an - Toleranz für Schwäche halten, und der aufgeklärten westlichen Kultur deshalb mit Verachtung gegenüberstehen: unwillig und vor allem unfähig allein schon zu dem Versuch, das eigene megalomanische Selbstverständnis zu hinterfragen."

So beginnt eine lange Mail, die mir dieser Tage jemand, der sich Kerstin K. nennt, hat zukommen lassen [Nachname hier abgekürzt]. Es ist auch eine funktionierende Mailadresse angegeben. Ansonsten weiß ich aber nichts von dieser Person, die mich wiederum sehr gut zu kennen vorgibt. Zumindest meint sie ja, beurteilen zu können, dass ich voller Hass auf mich selbst stecken würde. Das aber entnimmt sie wohl einzig dem Umstand, dass ich für eine offene und vielfältige Gesellschaft einstehe und dieses Deutschland, wie ich es seit nunmehr fast sechzig Jahren kenne, genauso wie es ist, mit all den Freiheiten und in seiner ganzen Diversität, schätzen gelernt habe.

"Sie reden von "Unsinn" und beklagen "Beratungsresistenz" auch im Angesicht von Fakten. Genau das ist jedoch, was ich ein ums andere Mal in Diskussionen mit selbstgerechten politkorrekten Zeitgenossen beobachte.

Ich erinnere mich z.B. noch gut an Zeiten, als es noch keine "polizeibekannten Intensivtäter", keine "Clan-Kriminalität" und keine "Familienfehden" gab, man für einen "falschen" Blick oder ein "falsches" Wort noch nicht abgestochen wurde, eine junge Frau nach einer Trennung (oder ein Fahrkartenkontrolleur bei der Arbeit) noch nicht in Lebensgefahr schwebten, und sich keine LKWs oder Maschinengewehre auf Weihnachtsmärkte verirrten. Von rechtsfreien No-Go-Areas in unseren Innenstädten ganz zu schweigen.

Das alles sind Fakten. Sie sind tagtäglich erfahr- und erlebbar, und sie stehen im krassem Widerspruch zu den politkorrekt verordneten Geglaubtheiten. An solchen Widersprüchen, Herr sieger, erkennt man Diktaturen!"

Ich weiß nicht, wo Frau K. aufgewachsen ist und ich weiß auch nicht, wie alt sie ist. Ich jedenfalls habe in den letzten sechs Jahrzehnten diese Zeiten, von der sie spricht nicht kennengelernt. Man benannte diese Dinge zwar nicht mit all diesen Anglizismen, aber die damit bezeichneten Phänomene gab es nicht minder. Ich kenne aus meiner Kindheit noch all die Plakate, mittels derer man Terroristen suchte, weiß von den einschlägigen Meldungen in der Tagesschau und habe während meiner Arbeit in Sachen Digitalisierung mehrerer Zeitungsjahrzehnte kaum eine Ausgabe eines Nachrichtenblattes gesehen, in der nicht von Gewalttaten und abscheulichen Verbrechen in der näheren oder weiteren Umgebung berichtet wurde. Und ich höre noch die Worte meiner Großmutter, dass man ja nicht mehr alleine aus dem Hause gehen könne.

Ich weiß aber auch aus Erzählungen, dass die Zeiten davor kaum viel erstrebenswerter gewesen sein müssen. Vor allem für Ehefrauen, die noch bis in die Tage meiner Kindheit hinein, die Genehmigung ihres Mannes brauchten, um arbeiten gehen, ein eigenes Bankkonto eröffnen (erst 1962) oder einen Pass beantragen zu können. Und ich bin froh, dass wir dies alles hinter uns gelassen haben. Solche Zeiten will ich nicht zurück.

Natürlich hat Frau K. recht, dass es all diese Verbrechen gibt. Und jedes von ihnen ist abscheulich und durch nichts zu rechtfertigen - heute nicht, früher nicht, zu keiner Zeit. Und ich kenne niemanden, den ich ernst nehmen könnte, der dies in Abrede stellt. Es gibt kriminelle Banden, es gibt Terroristen, ideologisch verblendete Menschen, Missbrauch von Kindern und Schutzbefohlenen und all das, was ich in seiner Gesamtheit wohl nicht einmal auszudenken in der Lage bin. Aber es gibt niemand, der mir verordnet, politsch korrekt anderes zu glauben.

"Wie, so fragt man sich, konnte dieses Land soweit herunterkommen? Die Antwort hat einen Namen: Ethnomasochismus. Also das Lustgefühl an der Demütigung - in diesem Fall jedoch nicht der eigenen Person, sondern der eigenen Kultur. Es stammt aus einem pathologisch übersteigerten Schuldkomplex. Und es resultiert in Rassismus. Rassismus in seiner perversesten Form. Rassismus gegen die eigene Identität. Rassismus gegen sich selbst."

Damit hat Frau K. allerdings nicht recht. Diesen Absatz gründet sie auf ein Gedankenfundament, das wie aus einer Reihe von Säulen besteht und in sich zusammenfällt, wenn auch nur eine davon in Schieflage gerät. Und es hält keine einzige einer näheren Betrachtung stand.

  • Das beginnt schon mit dem Postulat, dass dieses Land "heruntergekommen" sei. Für die allermeisten Menschen hat sich Deutschland in den letzten Jahrzenten zum Positiven entwickelt. Nicht nur die Wahlergebnisse, auch die Statistiken zeigen, dass gut Dreiviertel der Bevölkerung dies so sieht. Die Lebensumstände und die Möglichkeiten der meisten Menschen haben sich durchgängig verbessert. Und die Zahl derer, die davon träumt, Zustände wie in den 60er Jahren zu haben, ist verschwindend gering.
  • Frau K. führt die Gewalttaten und Verbrechen, die sie aufgezählt hat, wohl allein auf die Anwesenheit von Fremden und Ausländern zurück. Aber das ist eine viel zu verkürzte Sichtweise. Auch wenn kein einziger "Ausländer" in Deutschland wäre, gäbe es Verbrechen in diesem Land. Und da die Zahl der Gewalttaten seit Jahren rückläufig ist, müssen es in der Zeit, an die sich Frau K. zurückzuerinnern können glaubt, ja nicht weniger Verbechen gewesen sein.
  • Frau K.'s Argumentation liest sich so, als seien "die Fremden" an den von ihr beklagten Zuständen schuld. Das unterstellt, dass "Fremde" so etwas wie eine homogene Gruppe seien. Das aber ist doch Blödsinn. Ich kenne hier aufgewachsene Menschen, die großartig sind, ich kenne Menschen, denen ich nicht nachts begegnen möchte. Ich habe mit straffällig gewordenen Jugendlichen aus Schwarzafrika zu tun, genauso wie mit hier eingewanderten Neubürgern, die aus unseren Kommunen nicht mehr wegzudenken sind. Fremde sind nicht von Natur aus gut, sie sind nicht per se schlecht, genauso wie seit Generationen hier lebende Menschen nicht von sich aus gut sind. Menschen sind so unterschiedlich, wie Menschen eben vielfältig sind. Und überall dort, wo Menschen nur nach ihrer Herkunft und Gruppenzugehörigkeit betrachtet und bewertet werden, resultiert dies in Rassismus. Das ist Rassismius!
  • Die perverseste Behauptung, die Frau K. aufstellt, ist aber die Formulierung, dass alle, die anderer Meinung sind als sie, Schwierigkeiten mit ihrer Identität hätten, dieselbe verleugnen, ja geradezu hassen würden. Von welcher Identität aber spricht sie hier? Augenscheinlich hat sie ein Bild von diesem Land vor Augen, von dem sie behauptet, es allein sei das richtige Bild von jenem Staat, in dem wir leben. Jede und jeder, der eine andere Vorstellung habe, hätte demnach ein Problem mit seiner Kultur, seiner Identität, sei irgendwie pervers und masochistisch veranlagt, indem es ihm oder ihr geradezu Lust bereiten würde, sich selbst zu zerstören. Dabei hat es dieses "Land" von dem Frau K. offenbar träumt, zu meinen Lebzeiten zumindest, nie gegeben: jenes weiß dominierte, genetisch reine Deutschland, in dem alle Menschen von einer einzigen Kultur geprägt seien. Das Deutschland, das ich erlebe, war schon immer mit einer kulturellen Vielfalt beschenkt, die seine Leistungen in der Vergangenheit ja überhaupt erst möglich gemacht haben.

Der Text, den mir Frau K. geschickt hat, ist noch lange nicht zu Ende. Da er sich in der Folge jedoch über weite Strecken wie aus Publikationen von Martin Sellner abgeschrieben liest - dem Kopf der österreichischen Identitären Bewegung -, unterlasse ich es an dieser Stelle, diese kruden Gedanken, allein indem ich sie zitiere, auch noch weiter zu verbreiten. Auch wenn Menschen, die so denken, sich gegenwärtig sehr laut äußern, danke ich Gott dafür, dass diejenigen, die differenziert auf die Dinge schauen, Probleme, die bestehen, klar benennen, aber trotzdem nicht einfach Sündenböcke herbeizerren, die absolute Mehrheit bilden. Es wird so gerne das Wort vom "christlichen Abendland" bemüht. Ein solches Abendland verdient diese Bezeichnung aber nur dann, wenn es sich auch wirklich an Jesus von Nazareth orientiert. Bei ihm aber gibt es keinen Platz für Rassismus.

Jörg Sieger

Jetzt hol ich mir mein Land zurück!

Denn ich will dieses Land behalten, so wie es ist: weltoffen, mit Grenzen, die immer unwichtiger geworden sind, im Bewusstsein, dass wir mit anderen Völkern zusammen nicht nur eine Schicksalsgemeinschaft bilden, sondern mit ihnen gemeinsam eine bessere Welt gestalten können; ein Land, in dem man weiß, was sich gehört, in dem man andere mit Respekt behandelt und ihre Eigenheiten achtet, in dem man neugierig ist auf neue Entwicklungen und nicht im Althergebrachten verharrt.

Dieses Land, das wir - viele andere mit mir gemeinsam - in den letzten Jahrzehnten unter gewaltigen Anstrengungen zu einem liebenswerten Deutschland gemacht haben, dieses Land will ich mir nicht kaputt machen lassen, kaputt machen von einer Minderheit, die mich bevormunden möchte, mir vorschreiben möchte, wie man hier zu leben hat und dabei auch noch behauptet, für dieses Deutschland zu sprechen.

Ich habe begriffen, dass ich denen die Öffentlichkeit nicht überlassen darf. Ich darf nicht zulassen, dass sie die Diskussion in den Medien bestimmen und mit ihren Themen die Talk-Shows dominieren. Ich werde noch mehr als bisher widersprechen, wenn Meinungen geäußert werden, die Fremde diskriminieren, längst überwunden geglaubtem rassistischem Gedankengut frönen und von einer nationalen Überlegenheit tönen, die uns in der Geschichte schon mehr als einmal ins Verderben gerissen hat.

Ich werde mithelfen, die Protagonisten als das zu entlarven, was sie in meiner Wahrnehmung sind: Blender, denen es einzig und allein um die Macht geht, und denen ich nicht abnehme, dass sie den Schwachsinn, den sie verzapfen, wirklich selbst glauben.

Und ich werde all denen, die diese Menschen stark machen, indem sie ihnen bei Wahlen ihre Stimme geben, sagen, dass ich sie ernst nehmen möchte. Ich werde nicht davon sprechen, dass es sich um fehlgeleitete Menschen handelt, die nicht klar denken können, sondern ich werde ernst nehmen, dass diese Menschen ihre Stimmabgabe wohl überlegt haben und dass sie genau so abstimmen wollten, wie sie es getan haben.

Ich werde aber deutlich dazu sagen, dass Sorgen, Ängste und auch Protest ihre Grenzen haben und dass Menschen, die bei solch einer Haltung bleiben und auch in Zukunft solche Kräfte unterstützen, nicht meine Freunde sein können, sondern meine politischen Gegner im Ringen um die Zukunft meines Landes sind. Denn es ist unser Land, nicht das von 13 Prozent der Bevölkerung, die plötzlich die Deutungshoheit in diesem Land für sich reklamieren.

Aber ich werde immer wieder dazu sagen, dass meine Gegner nicht minder diejenigen sind, die Grund für die Sorgen und Ängste in unserem Land liefern, indem sie nämlich davon sprechen, die Fluchtursachen zu bekämpfen, in Wahrheit aber immer neue Ursachen schaffen, indem sie nur davon sprechen, dafür sorgen zu wollen, dass sich alle in diesem Land wohl fühlen können, sich in Wirklichkeit aber vor allem darum kümmern, dass denjenigen, die haben, noch mehr gegeben wird, und diejenigen, die nichts haben, voller Angst auf diejenigen schielen, die noch weniger haben, nicht aber auf die eigentlichen Verursacher dieser Schieflage in unserer Gesellschaft.

Ich hole mir jetzt mein Land zurück, denn genau das erwartet von mir - davon bin ich überzeugt - dieser Jesus von Nazareth, dem ich folgen möchte.

Jörg Sieger