Interkulturelle Kompetenz
Herausforderung für unsere Gesellschaft
Wo überall geschossen wird ...
- Mit einer Pipeline fing es an
- Wirtschaftliche und machtpolitische Interessen
- Kaum "weiß", viel "schwarz" und noch mehr "grau"
- Deutliche Worte
Wo überall geschossen wird, da geht es letztlich doch um nichts anderes als um Öl.
Nein, das ist nicht wahr. Das ist verkürzt und blendet viele andere Probleme aus. Und dennoch 'hat es was'. Es stimmt, dass viel zu oft wirtschaftliche Interessen im Hintergrund stehen, wenn manche Regionen dieser Erde einfach nicht zur Ruhe kommen.
Mit einer Pipeline fing es an
Lizenz: Bild von John R Perry auf Pixabay
Was den Konflikt in Syrien angeht, spielt zumindest Erdgas eine nicht zu unterschätzende Rolle. Der Krieg gegen Basher al-Assad hat sogar sehr viel damit zu tun.
Robert F. Kennedy jr. hat darauf hingewiesen, dass dieser Krieg in der Wahrnehmung vieler Araber nicht mit den Protesten des arabischen Frühlings im Jahr 2011 begann. Sie sehen den Beginn bereits im Jahr 2000 ⋅1⋅. Damals legte Katar seine Pläne vor, eine 1.500 km lange Pipeline durch Saudi-Arabien, Jordanien, Syrien und die Türkei bauen zu lassen. Bis heute muss das Land sein Gas verflüssigt auf dem Seeweg transportieren, was mit Volumeneinschränkungen und hohen Kosten verbunden ist. Katar und mit ihm die sunnitischen Königshäuser am Persischen Golf hätten enorm von solch einer Pipeline und dem direkten Zugang zum europäischen Markt profitiert. Und die Vereinigten Staaten, die in Katar zwei mächtige Militärbasen und das US-Hauptquartier für den Mittleren Osten unterhalten, erhofften sich dadurch nicht minder eine Stärkung der eigenen Position. Keine Frage ist, dass auch die Europäische Union, die 30% ihres Erdgasbedarfs in Russland deckt, sich von mehr Konkurrenz und Alternativen zum russischen Angebot, nur Vorteile erhoffte. ⋅2⋅
Für Wladimir Putin aber - so Robert F. Kennedy jr. -, ist eine solche Pipeline ein reines NATO-Projekt. Es gehe um nichts anderes als darum, die russische Wirtschaft zu strangulieren und den Einfluss Russlands auf den europäischen Energiemarkt zu beenden. ⋅3⋅
Im Jahr 2009 erklärte der syrische Staatspräsident Assad, dass er die Erlaubnis für diese Pipeline durch Syrien verweigern werde, um die "Interessen unserer russischen Verbündeten zu schützen". Andererseits befürwortete er nun eine "islamische Pipeline", die vom Iran durch Syrien zu den Häfen im Libanon führen sollte. Diese Pipeline würde den schiitischen Iran und nicht das sunnitische Katar zum Hauptlieferanten für den europäischen Energiemarkt machen. Der Einfluss Teherans im Nahen Osten und letztlich der ganzen Welt würde um ein Vielfaches steigen. Es verwundert nicht, dass Israel von Anfang an darauf aus war, solch ein Projekt zu verhindern und dass die Vereinigten Staaten - in Wahrung der eigenen Interessen - sich der Sache annahmen.
"Geheime Depeschen der US-amerikanischen, saudischen und israelischen Geheimdienste weisen darauf hin, dass Militär- und Geheimdienstplaner in dem Moment, als Assad das Katar-Pipeline Projekt verwarf, schnell zu dem Konsens gelangten, dass das Schüren eines sunnitischen Aufstands gegen Assad ein gangbarer Weg wäre, um den unkooperativen Bashar al-Assad zu stürzen und das gemeinsame Ziel der Katar/Türkei Verbindung zu erreichen. Gemäß Wikileaks begann die CIA 2009 kurz nachdem Bashar al-Assad die Katar-Pipeline verwarf, mit der Finanzierung von oppositionellen Gruppen in Syrien. Es ist wichtig zu beachten, dass dies vor dem Aufstand gegen Assad stattfand, der vom "arabischen Frühling" ausging." ⋅4⋅
Wirtschaftliche und machtpolitische Interessen
Die Folge davon war ein nicht enden wollender Stellvertreterkrieg, der symptomatisch für viele kriegerische Auseinandersetzungen der Gegenwart ist. Und mehr als oft geht es im Letzten um nichts anderes als um wirtschaftliche Interessen. Da und dort wurde dies ja auch ganz offen ausgesprochen. Michael Lüders zitiert in diesem Zusammenhang die Carter-Doktrin von 1980. Es heißt dort:
"Der Zugang zum Öl des Persischen Golfs und die Sicherheit befreundeter Schlüsselstaaten in der Region sind entscheidend für die nationale Sicherheit der USA (...) Die Vereinigten Staaten halten daran fest, ihre grundlegenden Interessen in der Region zu verteidigen, notfalls mit militärischer Gewalt, gegen jede Macht, deren Interessen den unseren schaden." ⋅5⋅
Das Kapitel, das Lüders der "Rückeroberung Kuwaits" im Jahr 1991 widmet, überschreibt er denn auch mit den Worten: "Eine Tankstelle wird befreit". ⋅6⋅
Kaum "weiß", viel "schwarz" und noch mehr "grau"
Das hat nichts mit Verschwörungstheorien oder Antiamerikanismus zu tun. Es hat einfach damit zu tun, dass die Welt sich eben nicht so einfach in Gut und Böse einteilen lässt, wie wir das meist gerne hätten. Die US-Amerikaner gehören genauso wenig zu "den Guten" wie wir. Und vermutlich gibt es die "Guten" nicht einmal. Letztlich haben alle nur ihre eigenen Interessen im Blick - allen Lippenbekenntnissen und Sonntagsreden zum Trotz.
Heckler-&-Koch-Werk, Oberndorf am Neckar
Lizenz: Aspiriniks, Heckler & Koch Oberndorf 01, CC BY-SA 3.0
So gehört die Bundesrepublik Deutschland ungebrochen zu den größten Waffenexporteuren der Welt. An jeder kriegerischen Auseinandersetzung wird hierzulande kräftig mitverdient. U-Boote, Panzer und Gewehre aus Deutschland finden sich auf der ganzen Welt. ß“berall wo Menschen erschossen werden, sind unsere Waffen beteiligt. Und in ganzen Regionen - gerade in Baden-Württemberg - würden die Lichter ausgehen, wenn Rüstungsexporte wirklich gestoppt würden.
Ein Teil unseres Wohlstandes basiert darauf, dass Menschen anderswo zum Krieg rüsten oder im Krieg sterben.
Dagegen gibt es kaum wirkliche Proteste. Keine der politischen Parteien geht ernsthaft dagegen vor und auch der kirchliche Widerstand beschränkt sich auf die einschlägig bekannten Friedensgruppen.
Deutliche Worte
Umso mehr lässt aufhorchen, wenn Papst Franziskus am 21. Juni 2015 bei einer Begegnung mit Kindern und Jugendlichen in Turin sein Unverständnis darüber zum Ausdruck bringt, dass Christen im Waffengeschäft tätig sind:
"Menschen, Unternehmer, leitende Angestellte, die sich als Christen bezeichnen, produzieren Waffen!" ⋅7⋅
Den Versuch, sich damit herauszureden, dass man ja nur sein Geld investiere und ansonsten nichts damit zu tun habe, missbilligte er dabei besonders ⋅1⋅ - durchaus deutlicher und prägnanter, als es in der vorbereiteten Ansprache vorgesehen war. Und so fasste die Spiegelredaktion schon einen Tag später die Papstworte wie folgt zusammen:
"Wer Waffen herstellt oder in die Waffenindustrie investiert, kann sich nicht ernsthaft als Christ bezeichnen." ⋅9⋅
In dieser Form ging das Wort durch die Medien. Und so zitierte es auch der in der Friedensbewegung äußerst aktive Pfarrer Alexander Schleicher in Christian Drewings Dokumentation "Vom Töten leben" gegenüber seinen Kollegen in Oberndorf am Neckar. Einer der dabei anwesenden katholischen Pfarrer meinte daraufhin:
"Also bei aller Wertschätzung für den Papst Franziskus, die ich auch habe, mir ist manche Äußerung manchmal zu schnell und - ja - zu undurchdacht. (...) Also er denkt manchmal Dinge einfach nicht zu Ende!" ⋅10⋅
So sehr deutliche Worte immer wieder gefordert werden - so manches von ihnen verhallt selbst bei denen, denen es eigentlich in den Ohren klingeln müsste, im Leeren.
Dr. Jörg Sieger
Anmerkungen