Interkulturelle Kompetenz
Herausforderung für unsere Gesellschaft
Was Du nicht willst...
Kennen Sie TTIP? Nein, ich meine nicht den Inhalt dieses gewaltigen Vertragswerkes. Die wenigsten werden überhaupt auch nur einen Blick in diese Berge von Papier hineingetan haben. Aber Sie haben ganz sicher davon gehört. Und Sie haben vielleicht sogar eine Meinung dazu.
Große Widerstände, noch größere Ängste
Lizenz: Mehr Demokratie, Stopttip, CC BY-SA 2.0
Und durchaus ansehnlich ist die Zahl derer, die auf die Straße gehen, um TTIP zu stoppen. Nicht wenige fühlen sich von der "Transatlantic Trade and Investment Partnership", diesem "Transatlantischen Freihandelsabkommen" bedroht.
Und auch das "Comprehensive Economic and Trade Agreement" (CETA), das Freihandelsabkommen mit Kanada, scheint vielen nicht unbedingt vertrauenserweckender zu sein. Irgendwie hat eine große Zahl von Menschen in Europa die Befürchtung, über den Tisch gezogen zu werden, den Kürzeren zu ziehen und demnächst von den großen Konzernen die Standards diktiert zu bekommen.
Ganz unabhängig davon, ob diese Befürchtungen zu Recht bestehen oder nicht, es herrscht das Gefühl, dass TTIP und CETA nicht gut für uns seien - und deshalb gehen Menschen auf die Straße.
Neue Absatzmärkte
Kennen Sie EPA? Ich gebe zu, ich habe auch eher zufällig davon erfahren ⋅1⋅. Ich wusste nichts davon. In den Medien begegnet EPA schließlich eher selten. Und es gibt auch kaum Demonstrationen bei uns. Denn EPA ist gut für Europa!
EPA steht für "Economic Partnership Agreement" und bezeichnet das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Afrika. Durch EPA können 83% des Handels zwischen der EU und dem größten Teil der afrikanischen Staaten frei fließen.
Allerdings kommt dies recht einseitig und vor allem den Waren zugute, die von Europa nach Afrika unterwegs sind. Deshalb haben sich die meisten afrikanischen Staaten auch jahrelang gegen die Unterzeichnung des Abkommens gewehrt. Bis die Europäische Union die einzelnen Regierungen durch massive Einfuhrzölle auf afrikanische Waren in die Knie gezwungen hat. Die afrikanischen Staaten wurden gleichsam gezwungen, dem Freihandelsabkommen beizutreten.
Durch EPA gibt es nun endlich wieder einen Absatzmarkt für billige Fleisch- und Milchprodukte, die aufgrund der Sanktionen nicht mehr nach Russland exportiert werden konnten. Nicht zuletzt deswegen hatte die Europäische Union am Ende auch so stark auf die Inkraftsetzung des Abkommens gedrängt.
Die Verträge sind nicht geheim. Die Papiere sind bekannt. Und schon am 4. November 2014 hatte "Report Mainz" ausführlich darüber berichtet ⋅2⋅.
War es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von "Report Mainz" damals aber lediglich möglich, über die möglichen Auswirkungen zu spekulieren, so konnte der Südwestrundfunk im September 2015 bereits über die ersten Ergebnisse berichten:⋅3⋅ Nicht mehr konkurrenzfähige Milchbauern in Kenia sahen sich gezwungen, über die Aufgabe ihrer Kleinbetriebe nicht nur nachzudenken. Kein afrikanischer Bauer kann zu den Konditionen produzieren, die die europäischen Großbetriebe vorgeben. Kein afrikanischer Möbelschreiner kann so produzieren, dass er mit einem schwedischen Großkonzern mithalten kann.
Die nächste Generation
Nicht die jetzigen Bauern und Schreiner, wohl aber deren Söhne werden vermutlich darüber nachdenken, was sie in ihrer Heimat noch hält. Und die Wahrscheinlichkeit ist recht hoch, dass sie - da sie keine Perspektive in ihrer Heimat mehr sehen - aufbrechen werden, um ihr Glück anderswo zu machen. Und viele davon wird es nach Europa ziehen ...
Dies ist nur ein Beispiel von vielen!
Allen Beteuerungen unserer Politik, dass wir die Fluchtursachen nämlich bekämpfen werden, zum Trotz "produzieren" wir die nächste Generation von Flüchtlingen bereits wieder. Ohne Frage, "bei uns" werden Arbeitsplätze gesichert und die Gewinne gesteigert - aber um welchen Preis? Als wolle man nicht wahrhaben, dass die Folgen solch kurzsichtiger Politik gleichsam als Bumerang zu uns zurückkehren werden.
Dr. Jörg Sieger
Anmerkungen