Interkulturelle Kompetenz
Herausforderung für unsere Gesellschaft
Herr A. aus Teheran ist unpässlich
Dies ist ein Beispiel für die Arbeit mit einem sogenannten "kritischen Ereignis". Auf diese Art und Weise kann man gut mit solchen und ähnlichen Vorfällen - auch aus der eigenen Arbeit vor Ort - zum Beispiel in einem Helferkreis in der Flüchtlingsarbeit arbeiten.
Zur Arbeit mit diesem Formular:
- Lesen Sie das "kritische Ereignis" und machen Sie sich ihre eigenen Gedanken über die möglichen Gründe.
- Blenden Sie die vorgegebenen Möglichkeiten ein und bewerten Sie dieselben mit 1-10.
- Blenden Sie die Bemerkungen zu den Möglichkeiten ein und vergleichen Sie die dort angegebene Bewertung mit Ihrem Ergebnis.
Wenn Sie das Formular mehrfach ausfüllen möchten und mit dem "Firefox"-Browser arbeiten, beachten Sie bitte, dass hier die Formulareinträge gespeichert werden. Sie müssen gegebenenfalls "Steuerung-Umschalt-R" ("Control-Shift-R") drücken, um die vorherigen Einträge zu löschen.
Zunächst das "kritische Ereignis":
In einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge wohnt seit einigen Monaten Herr A. aus Teheran. Er hat auch nach den ersten Monaten in Deutschland noch kaum Deutschkenntnisse und kann sich nur leidlich auf Englisch verständigen. Frau Maier ist aktiv im Helferkreis an der Gemeinschaftsunterkunft und engagiert sich ehrenamtlich in Deutschkursen. Sie betreut schon einige Asylbewerberinnen und gibt individuell zugeschnitten Einzelunterricht. Das kostet sie viel Zeit und sie musste dafür bei einigen anderen Aktivitäten, die ihr ansonsten wichtig sind, kürzertreten. Jetzt hat sie sich doch dazu breitschlagen lassen, Herrn A. zu unterrichten. Als sie am frühen Freitagnachmittag zum ersten Mal zu ihm gehen möchte, ist ausgerechnet ihre Freundin, die ansonsten auf ihren Pudel aufpasst, krank geworden. Sie nimmt das Tier, das nach dem Tod ihres Mannes ihr ein und alles ist, einfach mit. Die steilen Treppen trägt sie den Pudel - wie gewöhnlich - hinauf. Sie hat ihn noch auf dem Arm, als sie an der Tür von Herrn A. klopft. Als er öffnet, will sie gleich eintreten und ihre Unterlagen ablegen. Um so überraschter ist sie, dass Herr A. richtig blass wird, als er sie sieht. Er erklärt ihr kurz angebunden, dass er heute unpässlich sei, doch keine Zeit habe und sie doch einfach wieder gehen solle. Sie geht, aber voller Unverständnis für die abweisende Art von Herrn A., für den sie doch extra diesen Nachmittag freigehalten und den sie schließlich erst nach langem Drängen der zuständigen Sozialarbeiterin überhaupt unter ihre Schüler aufgenommen hat.
Versuchen Sie sich Lage von Herrn A. zu versetzen. Was könnte ihn zu seiner Reaktion bewogen haben? Diskutieren Sie die möglichen Gründe - am besten in einer Gruppe - und halten Sie die Ergebnisse fest.
Einige mögliche Gründe finden Sie, wenn Sie auf untenstehendes Icon klicken. Haben Sie andere gefunden? Finden sich hier Möglichkeiten, auf die Sie nicht gekommen sind? Klicken Sie erneut, um die Einblendung wieder zu schließen.
Untersuchen Sie die folgenden Gründe für die Reaktion der jungen Frau. Stimmen Sie mit Ihren Ergebnissen überein?
Herr A. war einfach unpässlich und hat sich wenig dabei gedacht.
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Das ist zwar nicht der wirklich wahrscheinlichste Grund, er ist aber auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Wir müssen uns letztlich auch davor hüten, hinter allem und jedem etwas anderes zu suchen. Manchmal sagen Menschen auch einfach das, was sie eben sagen. Es kann natürlich durchaus sein, dass Herrn A. an diesem Tag einfach nicht wohl war.
Wahrscheinlichkeit im Bereich 1-2.
Herr A. hat Angst vor Hunden.
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Das ist durchaus möglich, in Verbindung mit der vermutlich grundsätzlichen Ablehnung Hunden gegenüber aber wohl nicht der wirklich ausschlaggebende Grund.
Wahrscheinlichkeit im Bereich 3-5.
Herr A. wollte nicht, dass Frau Maier zu ihm auf das Zimmer kommt, war aber zu höflich, das direkt zu sagen.
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Auch dies ist nicht von der Hand zu weisen. Frau Maier hatte bisher nur mit Frauen zu tun. Dass eine Frau alleine auf das Zimmer eines Mannes geht - es handelt sich hier zusätzlich ja um das Schlafzimmer des Mannes - ist eigentlich ein Unding.
Wahrscheinlichkeit im Bereich 4-7.
Herr A. möchte keinen Hund auf seinem Zimmer haben, weil ein Hund ein unreines Tier ist.
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Im Falle dieser Geschichte dürfte das der eigentliche Grund für die ablehnende Haltung des Herrn A. sein. Hunde gelten in vielen Kulturen des Orients als unreine Tiere. Sie sind Aasfresser und dieser Umgang mit Totem macht sie zu Tieren, mit denen man nicht verkehrt. Was hier noch schwerer wirkt, dürfte der Umstand sein, dass Frau Maier den Hund auf dem Arm getragen hat, derselbe Herrn A. dementsprechend gleichsam auf Augenhöhe begegnet. Die Reaktion auf den Hund ist dabei nicht rational gesteuert, sondern steckt bei vielen Menschen aus dem Orient genauso tief drin, wie in unserem Kulturkreis die Ablehnung Ratten gegenüber oder die Angst vor Spinnen.
Wahrscheinlichkeit im Bereich 8-10.
Frau Maier hat mit dem Freitag einen ungeschickten Tag gewählt, da Freitag ein muslimischer Feiertag ist.
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Auch dies darf man nicht unberücksichtigt lassen. Nicht überall ist der Besuch des Freitagsgebetes in der Moschee üblich und vermutlich war dasselbe zum Zeitpunkt, als Frau Maier Herrn A. aufsuchte auch schon vorüber. Man sollte sich in diesem Zusammenhang aber bewusst machen, dass für viele Menschen - gerade aus dem Orient - Religion eine viel größere Rolle im Leben spielt als für Menschen aus Deutschland. Hier gilt es - wie so oft - darauf zu achten, mit wem ich es in dieser Situation genau zu tun habe. Das ist in unserem Kulturkreis schließlich nicht anders. Wenn ich mich mit jemandem am Sonntagvormittag verabrede, wird der eine darin kein Problem sehen, während mir die andere entgegenhält: "Du weißt doch, dass ich zu dieser Zeit in der Kirche bin."
Wahrscheinlichkeit im Bereich 1-5.
Frau Maier hätte die Schuhe ausziehen sollen.
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Bei der hastigen Art, die Frau Maier hier an den Tag legt, könnte es durchaus sein, dass sie drauf und dran war, einfach in das Zimmer hineinzustürmen. Zumindest die Frage, ob ich die Schuhe ausziehen soll oder nicht, ist hier angezeigt. Immer häufiger hört man davon, dass einem Besucher dann bedeutet wird, er könne die Schuhe ruhig anbehalten. Das ist dann ein Zeichen der Wertschätzung.
Wahrscheinlichkeit im Bereich 4-7. Bei all den genannten möglichen Gründen fehlt am Ende noch einer, der mit großer Wahrscheinlichkeit dieses (fiktive) kritische Ereignis verursacht hat. Und dieser Grund ist nicht zu gering zu veranschlagen. Frau Maier lebt in einem Kulturkreis, in dem eine direkte Kommunikation gepflegt wird. Bei uns ist es üblich, Fragen klar und direkt zu beantworten. Ein "Ja" bedeutet in unserem Kulturkreis "Ich stimme Dir zu!". Und wenn wir etwas nicht wollen, dann kann man bei uns auch unumwunden und deutlich "Nein" sagen. Und genau das sollte man auch tun. Vor allem dann, wenn es um den Selbstschutz geht. So hätte auch Frau Maier reagieren sollen und zwar schon, als die Sozialarbeiterin sie gefragt hat, ob sie Herrn A. nicht auch noch betreuen könnte. Im Grunde wusste Frau Maier, dass dies jetzt wirklich zu viel war. Und letztlich war niemandem geholfen, dass sie sich selbst so überforderte. Hier wäre ein deutliches "Nein, das wird mir jetzt zu viel!" mehr als hilfreich gewesen. Im richtigen Augenblick ein klares "Nein!" zu sagen, ist ein Rat, den sich nicht nur Frau Maier zu Herzen nehmen sollte.
Versuchen Sie die unterschiedlichen Möglichkeiten zu gewichten. Wie wahrscheinlich ist es, dass Herr A. aus einem dieser Gründe so zurückweisend reagiert? Gewichten Sie die einzelnen Möglichkeiten auf einer Skala von 1 bis 10, wobei 1 "ganz unwahrscheinlich" und 10 "höchst wahrscheinlich" bedeutet.
Sie können Ihre Ergebnisse in der obenstehenden Tabelle eintragen.
Ein paar Bemerkungen zu diesen Möglichkeiten finden Sie, nach Klick auf den untenstehenden Pfeil-Button. Sie Bemerkungen werden jeweils unter den einzelnen Möglichkeiten angezeigt. Sie finden dort auch eine Einschätzung der Wahrscheinlichkeit für dieses Verhalten. Sind Sie zu einem ähnlichen Schluss gekommen?
Klicken Sie erneut, um die Bemerkungen wieder auszublenden.