Louis René de Rohan
Kardinal im Schatten der Französischen Revolution
im Schatten der Franz. Revolution
1. Invasio Gallorum
Furcht und Schrecken verbreitete das Erscheinen der französischen Truppen in der Ortenau. Viele flohen, brachten ihre Habseligkeiten in Sicherheit. Nahezu alle Pfarrer des Landkapitels Lahr verließen ihre Pfarreien; Gottesdienst und Seelsorge lagen darnieder. Die Franzosen sollen Tabernakel erbrochen, das Allerheiligste entehrt, sakrale Gegenstände und Gewänder geraubt haben. Reiche und Arme wurden geplündert, geschlagen und mit dem Tod bedroht, beleidigt und beschimpft. Was nicht fortgeschleppt werden konnte, wurde zerstört. Etliche Wochen dauerte dieser Zustand.⋅1⋅
Die meisten Religiosen des Klosters Ettenheimmünster hatten das Kloster verlassen, vor den Franzosen ihr Heil in der Flucht gesucht, sich ähnlich wie die Pfarrherren in den Wäldern oder in entfernteren Gegenden, bis hin nach Schwaben, Bayern und auch in der Schweiz verborgen. Chorgesang und feierlicher Gottesdienst waren verstummt.⋅2⋅ In Allerheiligen und Ettenheimmünster verließen die Seminaristen ihre bisherigen Unterkünfte und zogen vor allem ins Schwäbische.⋅3⋅
"La Marseillaise" - François Rude (1784-1855).
Lizenz: Siren-Com, La Marseillaise Arc de l'Etoile Paris,
CC BY-SA 3.0
Rohan und sein ganzes Konsistorium hatten Ettenheim verlassen.⋅4⋅ Weihbischof Lanz, der sich bereits einige Jahre in Schuttern aufgehalten hatte, wo er im Kloster wohnte, wich über den Schwarzwald ins Schwäbische aus, und Ettenheimer Fuhrleute waren am 28. Juni 1796 damit beschäftigt, die wichtigsten Unterlagen der Stadt Ettenheim vorerst nach Waldshut auszulagern.⋅5⋅ Der Kardinal selbst hatte in Baden in der Schweiz Zuflucht gesucht, von wo er am 20. August 1796 an Erzpriester Anton Sartori, Pfarrer in Ottenheim, der als einer der wenigen trotz kriegsbedingter Wirren für Ruhe und Ordnung sorgte, schrieb.
"De tuis capacitate, discretione, vitae ac morum
probitate et in rebus gerendis experientia in domino
confidentés..." ⋅6⋅
übertrug der Kardinal dem Erzpriester die notwendigen Kompetenzen im Bereich des Lahrer Kapitels für die Zeit seiner Abwesenheit.⋅7⋅
Über den Verlauf dieser Zeit ist kaum etwas bekannt;⋅8⋅ sicher ist lediglich, dass Rohan im Dezember 1796 wieder in Ettenheim war, da er am 30. in seiner Residenzstadt einen Brief herausgab, in dem er die Gläubigen um Gebete in diesen Kriegszeiten bat.⋅9⋅
Zu dieser Zeit befand sich die Ortenau zwar wieder in der Hand der Kaiserlichen,⋅10⋅ doch war die Lage noch lange nicht entspannt. Bis zum 10. Januar 1797 fanden heftige Gefechte um Breisach statt, und am 22./23. April traten die Franzosen, nachdem sie bei Diersheim erneut den Rhein überschritten hatten, nochmals den Vormarsch an. Erst der Friede von Campoformio, der im Oktober 1797 diesen ersten Koalitionskrieg beendete, brachte eine Beruhigung, ohne die Kampfhandlungen ganz zu beendigen.⋅11⋅
Anmerkungen
Michael Hennig, Geschichte des Landkapitels Lahr (Lahr 1893) 245-246;
Henriette Stuber hielt die Ereignisse folgendermaßen fest:
"Der Cardinal, alle die französischen Prinzen, die sich einige Zeit hier aufgehalten hatten, kurz alle Emigranten mußten plötzlich wieder flüchten. Ich selbst war nach der Schule mit den anderen Kindern in die Kirche gelaufen, denn es hieß, die Patrioten, so hieß man damals die Franzosen, wollten kommen, und da betete man laut, daß uns' Gott vor ihnen verschonen möchte, denn sie brannten und plünderten überall, und es war ein panischer Schrecken über jedermann von uns gekommen. Als wir gerade so bete- ten, kam unser Kindsmädchen eilig, mich zu holen, weil wir flüchten müßten. Ich hatte keine Idee, was dies sei, und so freute ich mich darauf. Als wir zum Hause kamen, stand ein großer Leiterwagen mit 3 Pferden und einigen Bund Stroh darauf vor der Tür. Mein Vater hatte eine große Kiste voll Schriften, dann eine Bouteille mit Wasser, 2 Gläser und einige blecherne Löffel in einer Tasche; dies ward alles untergebracht. Dann wurden wir 4 Kinder, mein Bruder Louis, der etwa 4 Jahre alt war, meine Schwester Josephine, die kaum 2 Jahr, das Kindsmädchen mit dem Jüngsten, das 1/2 Jahr alt war, Eduard, ich und endlich meine Mutter auf den Wagen. In diesem Augenblick kam noch eine Französin, deren Mann bei der Armee de Condé war, eine Gräfin d'Autaune mit ihren 2 Kindern, einem Knaben von 12 und einem Mädchen von 9 Jahren im Arm und bat meine Mutter um Gottes willen, sie mitzunehmen; da sie, eine vornehme Emigrantin, sonst verloren wäre, nahm meine Mutter sie mit. Mein Vater versprach, zu Fuß nachzukommen, da er persönlich für sich zu fürchten hatte, und so bat ihn meine Mutter dringend darum, denn es war ihm gedroht worden, wenn man ihn fände, würde er ohne Gnaden erschossen, weil er lange mit dem damaligen Maire von Arnsburg (sic!) Dietrich Schriften gewechselt hatte wegen einem Mörder, den der Vater ins Zuchthaus gebracht hatte, und welcher geschickt worden war, um die Prinzen, die damals in Ettenheim waren, zu ermorden. Er hatte diesen Mann namens Despiard arretieren lassen, da er keinen Paß hatte und in seinen Schriften gefunden wurde, daß er zu besagtem Zweck gekommen war, nun war aber dieser Despiard wieder aus dem Zuchthaus entkommen, und man hatte deshalb meinem Vater blutige Rache geschworen, und, da er noch bei Zeiten gewarnt wurde, schickte er seine Frau und Kinder voraus und, nachdem er alle Maßregeln getroffen und auch mit der Bürgerschaft verabredet hatte, wie sie sich, wenn der Feind käme, verhalten sollte, ging er erst, als der Feind schon beinahe am Tor war, zum andern hinaus; es war aber auch höchste Zeit, denn die erste Frage war nach dem Hofrat Stuber, sie wollten ihn henken! Da hieß es, er sei schon lange fort mit der ganzen Familie, und das Haus leer; es war aber nicht leer, sondern ein treues Dienstmäschen (sic!) war darin geblieben nebst allem, was sie noch besaßen, doch hatte das Mädchen klugerweise alle Läden zugemacht und zeigte sich nirgends, so daß jedermann glaubte, es wäre wirklich leer, und so blieb alles erhalten, bis sie wieder zu- rückkamen. Wir waren indessen mit unserem Wagen oben zum Tore hinausgefahren, mitten durch Flüchtende, welche Kinder, Kühe, Schweine und ihr bißchen Gut teils auf Karren, teils auf dem Kopfe tragend, da hinausströmten. Anstatt aber eine gebahnte Straße, die wir wohl hätten erreichen können, fuhren wir durch den Wald einen steilen Holzweg hinan auf den Steißberg (sic!). Oben auf dem Gipfel war ein einsames Wirtshaus, dahin wollten wir, und, da es schon von Flüchtlingen überfüllt war, erhielten wir zur Not eine kleine Dachkammer, wo wir auf unseren mitgebrachten Matratzen alle nebeneinander auf dem Boden lagen, nachdem wir noch zur Not eine Milchsuppe bekommen hatten. Viele mußten im Freien campieren, zum Glück war es Sommer. Der Tag war Peter und Paul. So waren wir doch nicht allein, und es war schauerlich schön, die vielen Menschen, die alle an: kleinen Feuern im Freien kochten, und dann das ewige Rufen und Jammern, bald nach einem Kinde, bald nach einem Veih (sic!), das der eine oder andere meinte verloren zu haben, und so ging es die ganze Nacht..."
(Henriette Stuber, Memoiren einer Ahnherrin (Abschrift einer Handschrift) *4-*7.)
der Konvent von Allerheiligen verblieb im Kloster.
(Vgl.: Karl Sachs, Schicksal des Klosters Allerheiligen und Mittelbadens während der Koalltionskriege, in: Die Ortenau (12/1925) 27.)
als die Truppen in Ettenheim einmarschierten, wurde die Stadt nach Rohan'schem Besitz durchsucht. Folgendes wurde bekannt gegeben:
"Freiheit! Im Namen der französischen Republik. Gleichheit!
Der Agent der französischen Republik fordert alle Bewohner der Stadt Ettenheim auf anzugeben, ob und welche Effekten sie von dem hier wohnhaft gewesenen Kardinal Rohan sowohl als von anderen französischen Emigranten in Händen haben, es sei nur, daß sie solche an sich gekauft oder als Unterpfand besitzen oder zum aufbewahren erhalten, oder wie immer sie auch solche an sich gebracht haben.
Der oder diejenigen, die in Zeit von 4 Tagen diesem Aufgebote nicht Folge leisten und in der Folge entdeckt wird, daß sie derlei Dinge in Händen haben, werden als Entwender am Eigentum des Staatsvermögen(s) der gedachten Republik angesehen und als solche bestraft werden.
Gegeben zu Ettenheim am fünften Tag des Obstmonats im vierten Jahr der französischen Republik (= 22. August 1796). Metternich, Agent."
(Zitiert nach: Ernst Batzer, Testament und Hinterlassenschaft des Kardinals Rohan, in: Die Ortenau (10/1923) 30.)
Die Lieferanten, die Waschfrau, halb Ettenheim wurde verhört und die Aussagen protokolliert. Die Beute blieb allerdings gering.
(Vgl.: Ernst Batzer, Testament und Hinterlassenschaft des Kardinals Rohan, in: Die Ortenau (10/1923) 30.)
die Stadt Ettenheim hatte ihr Archiv, das zwischenzeitlich in die Schweiz gebracht worden war, wieder zurückbringen lassen.
(Vgl.: StA-Ettenheim, Stadtschaffnei Rechnung 1796.)
Moreau, der nur 2500 Mann zur Deckung des Rheintales zurückgelassen hatte, wurde durch einen Angriff im Rücken der französischen Hauptarmee zum Rückzug durch das Höllental gezwungen.
(Vgl. zu diesen Vorgängen die ausführlichen Darstellungen bei Manfred Krebs, Politische und kirchliche Geschichte der Ortenau, in: Die Ortenau (16/1929) 203-204.)
Das Ettenheimer Bürgerbuch vermerkt am 8. Januar 1797:
"Die Ratserneuerung wird bei wieder glücklich durch die K. K. österreichischen Waffen eroberten Landen abgehalten."
(Zitiert nach: Johann Baptist Ferdinand, Geschichtliche Niederschläge - im Ettenheimer Bürgerbuch von 1695ff., in: Neue Miszellen aus Heimat und Landschaft, Bd. II (1954-1959) 155; das Original des Bürgerbuches im Archiv der Stadt Ettenheim ist nicht mehr auffindbar.)