Louis René de Rohan
Kardinal im Schatten der Französischen Revolution
im Schatten der Franz. Revolution
1. Feste im Glanz prunkvoller Liturgie
Machleid ist Zeuge für ein reges Interesse der Bevölkerung an den zahlreichen im Geiste des Barock prachtvoll ausgestalteten Gottesdiensten.⋅1⋅ Dies ist einer der Gründe, warum er minutiös die liturgischen Feierlichkeiten durch die Jahre hindurch festhält.
Ornat, gestiftet von Abt Johann Baptist Eck (1710-1740)
Kirche St. Landelin, Ettenheimmünster - Foto: Martha Oehler, Ettenheim 1978
Die Schilderung derartiger FestlichKeiten nimmt in den Jahren, in denen der Fürstbischof in Ettenheim weilte, ungewöhnlich breiten Raum ein, beginnend mit dem Weihnachtsfest des Jahres 1790, an dem der Landesfürst - die letzten Baumaßnahmen an der fürstlichen Residenz in Ettenheim waren gerade beendet - selbst an der Christmette teilnahm. Der Kardinal wurde in der Nacht, vor Beginn der Messe, mit Kreuz und Fahnen abgeholt, wonach er mit allen Bedienten, geistlichen und weltlichen Würdenträgern zur Kirche hinaufzog. Musik mit Pauken und Trompeten begleitete die Prozession. Rohan selbst erschien im Ornat. Zeichen seiner weltlichen Würde war der rot gekleidete Kammerdiener, der den silbern und goldenen Reichszepter dem Fürsten vorantrug.⋅2⋅
Gleiches vollzog sich auch vor dem Hochamt und der Vesper des Weihnachtstages. Die Ratsherren trugen dabei den Himmel, und der Propst von Neuweiler stand Amt und Vesper als Zelebrant vor. Machleid bewunderte an letzterem, dass er
"... ein gulden creüz wie ein prelat" ⋅3⋅
trug.
Am Sonntag, 2. Januar 1791, zelebrierte Rohan selbst am Hochaltar, während Stadtpfarrer Mast assistierte,⋅4⋅ und am 20. Januar wohnte der Kardinal dem Amt und der Vesper des Sebastianusfestes bei.⋅5⋅ Die darmstädtischen und 'burgerlichen ßoldatten', mit Ausnahme derjenigen, die die Wache versahen, nahmen am Gottesdienst teil. Machleid erinnerte sich, dass die Kirche in den 20 Jahren ihres Bestehens noch nie mit so vielen Fremden angefüllt war, wie an diesem Tag. Viele Bewohner der benachbarten Orte waren zum Gottesdienst und der anschließenden Prozession - 'wo eß in 50 iaren nit geweßen' - erschienen, vor allem um den Kardinal 'in ßeinem cardinal Rothen habit' mit dem 'Reichsstab, von purem goldt, und ßilber' zu sehen.⋅6⋅
Bereits am Palmsonntag begegnet der Kardinal und dessen Gefolge erneut im Pfarrgottesdienst. Wiederum wurde er im Schloss mit Kreuz und Choralmusik, mit all seinen bewaffneten Soldaten zu Amt und Vesper abgeholt und im Anschluss daran auch wieder von der Kirche zu seiner Residenz geleitet.⋅7⋅ In der sich anschließenden Karwoche besuchte Rohan mit all seinen Leuten sämtliche Gottesdienste.⋅8⋅ Am Gründonnerstag zelebrierte er selbst am Marienaltar der Stadtpfarrkirche, spendete das Sakrament der Buße und teilte die Kommunion aus. Weihbischof Lanz assistierte ihm bei der Benediktion des heiligen Öles.⋅9⋅ Nachdem der Kardinal auch am Karfreitag allen Gottesdiensten beigewohnt hatte, zelebrierte er am Karsamstag wie am Ostertag selbst. In der Ostervesper erteilte er den Segen.⋅10⋅ Am Mittwoch, 27. April 1791, gingen mehrere Ettenheimer Kinder zum erstenmal zur Hl. Kommunion. Machleid erwähnt, dass bei diesem Anlass der Kardinal die
"bieble, und meitele ßelber geßpißen." ⋅11⋅
Kaum ein Festtag des Jahres 1791 verging ohne die Anwesenheit des Kardinals. Bereits an Christi Himmelfahrt ist seine Teilnahme an allen Gottesdiensten, an Predigt, Amt und Vesper - er teilte persönlich die Kommunion aus - ein weiteres Mal belegt.⋅12⋅ Wiederum war er von seinen Bedienten, den Soldaten und dem ganzen Hof begleitet. Und erneut ist feierliche Musik nachweisbar, welch letztere anscheinend eine große Rolle spielte, so dass Machleid sich immer wieder von neuem veranlasst sah, diesen Umstand festzuhalten. Wir wissen, dass die Straßburger Rohans eine recht enge Beziehung zur Musik unterhielten,⋅13⋅ und auch die Jahre im Ettenheimer Exil scheinen für eine solche zu sprechen.
Machleid berichtet ferner, dass Rohan und sein Hofstaat auch am Pfingsttag und Dreifaltigkeitssonntag, sowie am Fronleichnamsfest in den Gottesdiensten anzutreffen war.⋅14⋅
Für die Prozession dieses Tages hatte man besonderes geplant, doch verhinderte der anhaltende Regen die Durchführung des Vorhabens. Am Sonntag, 26. Juni 1791, wurde die Fronleichnamsprozession daher nachgeholt. Hinter der sprachlichen Kargheit der machleidschen Schilderung lässt sich die ganze Pracht dieser Festlichkeit erahnen:
Ettenheimer Fronleichnamsaltar mit einem Gemälde
der "Heiligen Familie" vermutlich von Johann Pfunner.
Der Prozessionsweg - ganz geprägt von barockem Lebensgefühl - war auf das prächtigste hergerichtet. Um das Rathaus hatte man 26 Gobelins aus dem Besitz des Kardinals ⋅15⋅ unter freiem Himmel aufgehängt, die Stadtsoldaten, der Vicomte de Mirabeau mit seinen sicherlich teilweise uniformierten und armierten Truppen waren anwesend, messingene Kanonen und Katzenköpfe feuerten zu Ehren des Allerheiligsten Salut. Machleid berichtet in seinem katholischen Stolz, dass Fremde aus allen umliegenden Orten, sogar die 'luteraner' gekommen waren, um das farbenprächtige Zusammenspiel der vielen Geistlichen, der Seminaristen und Ministranten, der städtischen Beamten und des Hofstaates des Kardinales zu sehen. Mehrere Altäre hatte man am Zugweg errichtet. Am Thomastor, beim Adler in der Vorstadt, bei den Häusern der Herren Laible und Stoll und beim Sonnenwirtshaus unmittelbar am Rathaus machte die Prozession jeweils Station. Der Beschreibung des Chronisten zufolge war die ganze Stadt auf den Beinen. So scheint es nicht verwunderlich, dass die Prozession, die um 8 Uhr begann, erst gegen 12 Uhr mittags endete. ⋅16⋅
Über die Osterfeiertage und am Gründonnerstag - so bleibt nur noch nachzutragen - hatte der Kardinal nach Machleids Angaben in jenem Jahr 17.050 Menschen die Heilige Kommunion selbst gespendet.⋅17⋅
Diese Monate scheinen die in liturgischer Hinsicht glanzvollsten Wochen im Ettenheimer Oberamt gesehen zu haben. Von solchen Feierlichkeiten hören wir so bald nicht wieder, obgleich der Kardinal auch weiterhin in den Gottesdiensten anwesend war. Am Allerheiligen- und Allerseelentag 1791 nahm Rohan wiederum mit 'ßeiner ganzen hoffstatt, mit allen ceremonin' am Gottesdienst teil und zelebrierte am 1. November auch auf dem Marienaltar,⋅18⋅ ebenso wie am darauffolgenden Weihnachtsfest 1791, am Neujahrstag 1792 und dem sich am 6. Januar anschließenden Dreikönigstag. Dass er in diesen Gottesdiensten von seinem Gefolge begleitet wurde, erübrigt sich anzufügen.⋅19⋅ Gerade im Hinblick auf die große Anzahl elsässischer Priester in Ettenheim erachtete es Machleid als besonders vorbildlich, dass der Kardinal in der Karwoche 1792 täglich die Gottesdienste sowie die Passion besuchte und diesen in der vollen Länge beiwohnte, 'allen briesteren zum Exempel'.⋅20⋅ Die emigrierten Priester scheinen auf Machleid keinen solch positiven Eindruck gemacht zu haben.⋅21⋅ An seinem Landesherren kritisiert der Ettenheimer Bürger lediglich die 'lauen' Vorschriften zur Fastenzeit 1792, für die der Bischof letztendlich verantwortlich zeichnete.⋅22⋅ Ansonsten findet der sonst nicht zimperliche Chronist keine tadelnden Worte über Rohan, der auch Ostern 1792 in Amt und Vesper anwesend war und ebenso wieder an der Prozession teilgenommen hatte. Der Kardinal zelebrierte in einem prunkvollen Messgewand und wurde wie üblich mit Kreuz und Fahnen unter dem Himmel nach Hause geleitet.⋅23⋅
Anmerkungen
"nie ßo schön, ßo lang ich (Machleid) hier burger bin ..."
gewesen (Joann Conrad Machleid, Joann Conrad Machleid, Diarium II, *122v.), was als Beleg für grundsätzliches Interesse genügen mag.
(Vgl.: Hubert Kewitz, Geschichte der Pfarrei Ettenheim bis in die erste badische Zeit, in: Dieter Weis, St. Bartholomäus Ettenheim (München/Zürich 1982) 134, Abb. 49/133.)
wenn Oberamtsverweser Stuber am 17. Februar 1803 feststellte,
"wie sehr das Volk diesem unglücklichen Fürsten zugethan gewesen"
(GLA 229-27013, 2v), so hat sicherlich der Umstand, dass sich der 'hohe Herr' so häufig unter dem gemeinen Volk und gerade im Gottesdienst sehen ließ, einen großen Teil zu dieser Zuneigung beigetragen.
"historia von dem corporis christi fest.
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Erstens - haben auff dem hochaltar 65 weiße kerze(n)
gebrent, no 2: hat der lantsfürst bischoff und
kardinal, daß hochwirdg ßelbsten getrage(n),
und allen den ßegen geben, no: 3 ßein 26 stück
tapeten, um das Rathauß auffgemacht geweße(n),
4 heidnische stück, die vier welttheil, 4 him=
=lische Zeichen, die verzweifflung, und der=
=gleichen merer, in vier Eck groß bey 20 schue
no: 4 der General mirabo, thete die ßoldate(n)
ßelber comodieren, hußaren, dragoner, granadier,
und mußcgatier, mann gab 3: biß 5 ßalve
mit 8 meßene stückle und 9 unßere kazenköpf
neben unßeren statt ßoldaten 36 mann,
in allem unßerem ambt bey 600 mann starck,
mit 4 trumen, baucken, deß fürsten mußicant(en),
neben unßeren statt und kirchen mußicanten,
ßo vornem in allem mit einem wort, alß eß
nur hat ßein könen, eß ware eine ßuma
groß mit aller orten fremder leüthen all=
=hier, ßo gar vile luteraner, die der proc=
ession und allem zueschaueten, erstens am
ßontag in der octav, weilen an corporis christi
nicht hat kenen um gehn wegen großen regen=
wetter, ...".
geistliche ja auch briester, die kaum ßein
hochwürdigen Ja sogar am altar, wo daß hoch-
wirtige ßacrament außgeßezt ist schier
kein Reverenz gegen Gott machen, alß wann
ßie keine knie hetten, kaum daß manß eine
wenig ßicht, alß wann ßie ßich deßen Ehr
schamen thetten, alßo wirt der chatolische
klauben lau und kalt wan mann die
=leuth ßolches von geistlichen ßehen und hören."
(Joann Conrad Machleid, Diarium II, *148r.)