Louis René de Rohan
Kardinal im Schatten der Französischen Revolution
im Schatten der Franz. Revolution
2. Schwinden der Hoffnungen
Außer Furcht und Unsicherheit halten die Quellen nach Ausbruch der Revolutionskriege wenig fest. Die Zeiten, in denen der Kardinal für Skandale sorgte und in ehrlichem Ringen um die altvertrauten Zustände Soldaten um sich scharte, waren vorbei. Das Interesse der umliegenden Herrschaften an Louis de Rohan schwand. Nur mühsam lässt sich der weitere Lebensweg des Kardinals rekonstruieren.
a. Unbeschwertes Leben in schwerer Zeit
Louis Antoine Henri de Bourbon,
Duc d'Enghien.
Auch nach der Kriegserklärung versuchte man mit dieser schwelenden Unsicherheit fertig zu werden, indem man die Feierlichkeiten am Ettenheimer Hof fortdauern ließ, wenn dieselben auch spürbar ruhiger, bescheidener und weniger spektakulär verliefen. Anfang August 1792 verbrachte der Kardinal drei Tage in St. Blasien ⋅1⋅ und am 8. desselben Monats fuhr er mit der gesamten Hofhaltung nach Oberkirch,⋅2⋅ von wo er am 26. dem Kloster Allerheiligen ⋅3⋅ und am 15. September mit großer Wahrscheinlichkeit dem Badhaus des Schwetzinger Schlosses ⋅4⋅ einen Besuch abstattete, bevor er vier Tage später mit seinem Gefolge nach Ettenheim zurückkehrte.⋅5⋅
Neben Jagden und Spazierritten ⋅6⋅ sorgten die in Ettenheim beständig anwesenden Franzosen für Abwechslung. Noch im Winter 1795/96 zogen Feste und Feiern Emigranten nach Ettenheim.
"Keine Artigkeit, keine Gefälligkeit, die der Cardinal uns nicht erweist",⋅7⋅
urteilte der Duc d'Enghien.
b. Am Rande der Geschehnisse
Während am Mittelrhein, in den Niederlanden und an anderen Kriegsschauplätzen starke Kämpfe stattfanden, war die Beschießung Kehls ⋅8⋅ das einzige militärische Ereignis der ersten Kriegsjahre in der Ortenau
Dies war sicherlich mit ein Verdienst Markgraf Carl Friedrichs, der bereits zehn Tage nachdem die Kriegserklärung bekannt geworden war verkünden ließ, dass die französischen Nachbarn zwar mit dem König in Ungarn und Böhmen im Krieg stünden, nicht jedoch mit dem Kaiser, das Reich daher immer noch im Friedenszustand und die Verträge mit Frankreich in Kraft seien. Alles wäre zu tun,
"... dass jene
Kriegs Erklärung das bisherige gute Einverständnis
zwischen den diß= und jenseitigen Landen nichtunter-
brechen werde..." ⋅9⋅
Dennoch beherrschte auch am Oberrhein der Krieg das Geschehen. Die badische Regierung ließ die wichtigsten 'Staats-Effecten und insbesondere die Hauptarchive' auslagern ⋅10⋅ und am 25. September 1792 folgte das Lahrer Ruralkapitel, indem das Archiv und einige Ornate beziehungsweise liturgische Geräte 'ob metum invasionis, ab insurgentibus et seditiosis gallis' nach Schuttertal gebracht wurden, diesem Beispiel.⋅11⋅
Die Quellen berichten von ausgedehnten Truppenbewegungen am Oberrhein.⋅12⋅ Der Raum Kippenheim-Mahlberg diente im Oktober 1792 den im Elsass fechtenden Condé'schen Soldaten als Hauptquartier, bevor dasselbe Ende des Monats nach Lahr verlegt wurde.⋅13⋅ In Oberkirch entstand ein Lazarett mit dem Namen 'Rohan'sches Spital' ⋅14⋅ und am 14. September 1792 wurde 'in dem Kloster Ettenheimmünsterischen Badhaus zu St. Landolin' ein Lazarett des Condé'schen Korps eingerichtet,⋅15⋅ was im Jahre 1793 zum Ausbruch von 'Fleck-' beziehungsweise 'Faul-Fiebern' führte.⋅16⋅
Für weitere Belastungen der Bevölkerung sorgten die Soldaten auf ihre Art.⋅17⋅
c. Der König und der Bischof
Hinrichtung Louis' XVI.
Lizenz: Graveur: Isidore Stanislas Helman
creator QS:P170,Q3155327 Graveur (eau-forte);
Antoine-Jean Duclos (1742-1795). After Charles Monnet
creator QS:P170,Q4233718,P1877,Q2959838, LouisXVIExecutionBig,
als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons
Als Ludwig XVI. am 21. Januar 1793 die Guillotine bestiegen hatte, sank der Mut der Emigranten nahezu gänzlich. Trotz des Grams über die Halsband-Affäre, trotz aller Verbitterung des Kardinals über das vergebliche Werben um die Gunst der Königin, hatte auch er auf das Monarchenpaar, die Personifikation des 'Ancien régime', seine ganze Hoffnung gesetzt. So unversöhnlich der Straßburger Kardinal und die französische Königin schienen, so ähnlich waren ihre Charaktere, so ähnlich ihr Auftreten als Vertreter des längst zu Ende gegangenen 'Anden régime'. Unglücklich miteinander verstrickt wuchsen diese beiden 'mittleren Charaktere' ⋅18⋅ in den Herausforderungen dieser Zeit zu einer Größe heran, die ihre Möglichkeiten bei weitem zu ersteigen schien.
Am 1. Oktober 1792 hatte der Kardinal die Bevölkerung Gebete für den König und die Königin gebeten;⋅19⋅ knappe vier Monate später urteilte er:
"mortuus est heros verè christianus; heros!" ⋅20⋅
Anmerkungen
über den Verlauf dieses Besuches ist nichts bekannt.
"Den 26ten Augustmonat beehrten uns Se. Eminenz Herr Cardinal Rohan, die sich schon einige Monate in unserm Hause zu Oberkirch mit seinem ganzen Gefolge aufhielten, mit ihrer Gegenwart, speisten hier zu Mittage und fuhren Abends nach Oppenau. Am folgenden Tage kam ein ausgewanderter Abbé, sagte, als er den Tisch in der Abtei wohl besetzt sah: Herr Cardinal ist doch recht gütig gegen sie! ... Wie so, fragte ihn confrater Leonhard (Lenz)? Weil er ihnen eine so gute Kost und gute Kleidung verschafft ... Sie haben recht, sagte cf. Leonhard im Scherze, und wir haben gesündigt, daß wir dem H. Kardinal, der gestern hier war, für seine vielen Gnaden zu danken vergessen: genießen sie dann die gute Kost, fuhr Leonard fort, mit dankbahrem Gemüthe, u n s werden sie wie noch viele andere doch nicht danken.
Einige Zeit darauf wurden in unserem Hof zu Oberkirch 4 Wägen mit Wein beladen, hieher geführt zu werden. Zween Diener des H. Kardinals sahen zu. Einer fragte den andern: weißt wohl auch der H. Kardinal, daß sein Wein aus seinem Keller weggeführt und wohin er geführt wird? ... cf. Leonard war gegenwärtig und sagte ihnen: Diese Weine sind unsere Weine, sie kommen aus unserm Keller und werden für unser Haus auf Allerheiligen geführt. Sie wurden etwas aufgebracht, und cf. Leonard wollte mit diesen ... (Wort später unleserlich gemacht (Anm. d. Verf.)) nich (sic!) weiter anbinden."
(Zitiert nach: Karl Sachs, Schicksal des Klosters Allerheiligen und Mittelbadens während der Koalitionskriege, in: Die Ortenau (14/1927) Anhang, 43-44.)
"S.A.R. le prince Louis Ferdinand de Prusse; generalmajor d'infanterie
mde la Vicomtesse de (Name unleserlich (Anm. d. Verf.))
Le prince Louis de Rohan
mde la Vicomtesse de (Name unsicher (Anm. d. Verf.)) (...)"
(Fremdenbücher des Badhauses, Bd. 1793-1808, Eintrag unterm 15. September 1793 (GLA 65-20022, 12v-13r); Vgl. Karl Kölmel, Die Fremdenbücher des Schwetzinger Badhauses, in: Baden - Monographie einer Landschaft (Karlsruhe 6/1954) 25.)
(Vgl.: Carl Ludwig, Freiherr Schilling von Canstatt, Tagebuch, in: Lahrer Wochenblatt (1905), 451; GLA 74-6286, 139v.)
Ein dreitägiges Bombardement zerstörte Dorf und Stadt Kehl, ohne die Festung schwer zu beschädigen, während die Rheinbrücke von württembergischen Kanonieren in Brand gesteckt wurde. Ansonsten verharrte die aus österreichischen und schwäbischen Kreistruppen bestehende Oberrheinarmee unter Oberbefehl des Feldmarschalls Dagobert Wurmser in der Defensive.
(Vgl. Manfred Krebs, Politische und kirchliche Geschichte der Ortenau, in: Die Ortenau (16/1929), 200-202.)
Franz II. wurde am 14. Juli 1792 zum Kaiser gekrönt.
(Vgl.: Joann Conrad Machleid, Diarium II, *153r; DAL-Protocollum Capituli ruralis Lahrensis ab anno 1731, 246; DAL-Protocollum decretorum et mandatorum episcopalium emanotorum ab anno 1733 ad venerabile Capitulum nostrum Lahrense transmissorum, 82-84.)
Der Krieg jedoch bereits am 20. April 1792 erklärt.
als nichts weiter geschah, wurden die ausgelagerten Gegenstände zurückgebracht, am 4. Juni 1793 jedoch erneut fortgeführt.
(Vgl.: DAL-Protocollum Capituli ruralis Lahrensis ab anno 1731, 251).
Am 19. Oktober 1792 wurde auch das Mahlberger Archiv ausgelagert.
(Vgl.: GLA 74-6287, 210r.)
Joann Conrad Machleid, Diarium II, *149v, *150r, *151r, *152v, *153r, *155v;
Carl Ludwig, Schilling von Canstatt, Auszug aus dem Tagebuch, in: Lahrer Wochenblatt (1905), Aufzeichnungen des Jahres 1792 ganz;
auf dem Kahlenberg als strategisch bedeutsamem Ort hatte man Alarmstangen errichtet.
Vgl.: (GLA 74-6287, 110r.)
Das Heer der Emigranten unter Condé war voller Zuversicht in den Krieg mit Frankreich gezogen:
"Die Revolutionäre werden schon beim Anblick einer Armee davonlaufen. Alles wird sich zurückziehen vor Männern, welche nur Feinde der Unordnung sind; von allen Seiten wird man uns rufen, wir werden mehr einen Spaziergang als einen Feldzug nach Paris zu machen haben."
(Johann Baptist von Weiß, Weltgeschichte (fortgesetzt von Richard von Krailik) Bd. XX (Graz/Leipzig 3. Auflage 1896) 385.)
am 2. Juli 1793 war Abt Landelin Flum verstorben. Bei einbrechendem Winter hatte der Kardinal den neuen Abt Arbogast Heisler und das Kapitel dazu veranlasst, das Badhaus für die verwundeten Soldaten...
"... zum großen Schaden des Klo=
sters und hiesigen Ortes herzugeben; denn diese
Soldaten brachten mit sich hieher das anstecken=
de Fleck= oder Faul=Fieber. Es war nicht anders
als wenn die Luft von diesem Lazaret ganz ver=
giftet worden wäre. Aus dem Badhauße dämpfte
ein abscheulicher Geruch bis in die Weite aus:
und selbst das Kloster war von diesem Geruche ganz
angefillet, so, daß man genöthiget war dassel=
be alle Tage xxxxx einigemale mit Wachhol=
der auszuräuchern.
Weil zu viele Soldaten an dieser fürchter=
lichen Krankheit starben, und der Freythof zu
St Landelin zur Begräbniß derselben nicht
mehr hinlänglich war, wurde ihnen im Anfange
des Jahres 1794 auf der Wiese hinder dem xxxKauf=
hauße bei der Brücke ein besonderer Platz
zu ihrer Begräbniß ausgestecket, und geweyhet,
Mehrere hiesige Einwohner und auch aus
Frankreich ausgewanderte mußten an dieser
Krankheit ihr Leben einbüßen. In dem Kloster
starben zween Seminaristen, und der Vize Prä=
ses des Seminarium xxx Franz St: Quentin,
ein fürtrefflicher Prediger, und schöner, junger
hofnungsvoller Mann, dessen Leichnam in der
Kapelle auf dem Freythofe zu St. Landelin
feyerlich begraben worden. Auch musten an dieser
Krankheit sterben ein Priester hiesigen Klosters,
ein Baumstarker, frischer, erst 33 Jahre alter Mann,
und ein noch junger, frischer Bedienter des Klosters.
Die, welche auch von dieser Krankheit wieder
genesten, hatten lange Zeit zu thun, bis sie wie=
der davon""sichganz erholet hatten.
Auf das Fest der Erscheinung des Herrn
wurde die ganze Herrschaft des Klosters mit Trup=
pen und Pferden von der Armee des Prinzen
Condé angefüllet, und darinn in das Winter quar=
tier gelegt: doch am 22ten Jänner mußten sie
alle ab, und nach Rothenburg am Neckar in
Schwaben ziehen."
(PfA-Ettenheimmünster, Kurze Historische Beschreibung der Pfarrey Münsterthal bei St: Landelin von dem siebenden Jahrhunderte nach Christi Geburt bis auf das Jahr 1804 verfasset von P: Bernard Stöber des Ordens des heil Benedicts, Professen des aufgehobenen Klosters Ettenheimmünster geweßten Pfarrherrn dieser Pfarrey, 161-163.)
am 21. März 1792 verkündete der Ettenheimer Stadtbote, dass man keinem Soldaten etwas borgen solle, was für Reichstruppen wie Emigranten in gleichem Maße galt (Joann Conrad Machleid, Diarium II, *147r.);
Ende 1793 hatte der Krieg die Bevölkerung nach Machleids Angaben bereits 30 000 fl gekostet (Joann Conrad Machleid, Diarium II, *158r.);
vielleicht gehört auch folgende Nachricht zur Bilanz der ersten Kriegsjahre:
"den 22:te(n) merzen, hat mann einen dodten
cörper, nur zwar beiner in dem knoßen
wald an der hunts halden gefunden, ßo
ist der ober ambtmann, o(der) hoffrath, H schulz,
H: ambschreiber ßartori, 2 umgelter
H: burgermeister Jeger, mein ßohn Josep
alß Chirurgus, zue sectionieren, mann hat
aber nichtß könen abnemen od(er) finden,
alß daß eß ein Weibsbild ware, den
kleideren nach, auß dem thal geweßen,
ßein mieße, wie lang eß schon ware,
geschehen, kan niemand ßagen, dann alles
ware darvon, und alle beiner ßambt
dem kopf ware schon ßchne weiß R: I: P."
(Joann Conrad Machleid, Diarium II, *157r.)
Das Ettenheimer Bürgerbuch von 1695ff berichtet über die ersten Kriegsjahre:
"Bei den gegen Frankreich vorwaltenden Kriegsläuften ist die dahiesige Gegend und der ganze Rheinstrom mit K. K. und K. preußischen, auch Reichstruppen besetzt." (13. Januar 1793)
"Bei den fürwaltenden Kriegszeiten sind die ganze hiesige Rheingegend und das Rheinufer wegen beständig androhenden französischen Überfalls nicht nur mit K. K. Militär, sondern auch mit mehreren hundert Bürgern aus diesseitigen und den benachbarten Oberämtern und Ortschaften besetzt, auch liegen wirklich (d. h. zur Zeit) ein Teil der Prinz Condéischen Edelleute und ein Teil des Löblichen fürstlichen Regiments von Rohan dahier im Winterquartier." (12. Januar 1794)
"Bei dem noch andauernden leidigen Krieg gegen Frankreich wird wirklich ein Teil der hiesigen Mannschaft bei einem allgemeinen Landsturm zur Verteidigung des Vaterlandes aufgerufen, ausgewählt und geübt." (11. Januar 1795)
(Vgl. hierzu: Johann Baptist Ferdinand, Geschichtliche Niederschläge - im Ettenheimer Bürgerbuch von 1695ff., in: Neue Miszellen aus Heimat und Landschaft, Bd. II (1954-1959) (Ettenheim 1959 (maschinenschriftlich)) 153-154; das Original des Bürgerbuches im Archiv der Stadt Ettenheim ist nicht mehr auffindbar.)
Rohan bat in diesem Schreiben um die Gebete für den Verstorbenen.
(Vgl.: DAL-Protocollurn decretorum, 99-101; vgl. auch: DAL-Protocollum Capituli ruralis Lahrensis ab anno 1731, 247.)
Zur Hinrichtung Marie Antoinettes am 16. Oktober 1793 vgl.: DAL-Protocollum Capituli ruralis Lahrensis ab anno 1731, 255.