Louis René de Rohan

Kardinal im Schatten der Französischen Revolution

im Schatten der Franz. Revolution


Weiter-ButtonZurück-Button 1. Christliches Land am Oberrhein

Video-Animation-Icon Über die Anfänge des Christentums in der Ortenau fehlen uns jegliche Aufzeichnungen, doch zweifelsohne sind die alte Römergründung Straßburg und der in dieser Stadt residierende Bischof an der Chri­sti­anisierung des rechts­rheinischen Gebietes hauptsächlich betei­ligt gewesen. Jahrhunderte lang war die Ortenau ein Teil des Bistums Straßburg, das neben den drei rechts­rhei­ni­schen Kapiteln Lahr, Offenburg und Otters­weier im Elsass die Kapitel Straßburg, Markolsheim, Rheinau, Schlettstadt, Andlau, Oberehnheim, Benfeld, Molsheim, Zabern, Ober- und Unterhagenau umfasste.⋅1⋅ Nachdem Straßburg selbst in den Wirren der Reformation protestantisch geworden war, residierten die Bischöfe in Zabern.

Eine große Zahl von Klöstern belebte sowohl rechts als links des Rheins die kirchliche Landschaft. Sie waren allesamt nach der eigentlichen Christianisierung entstanden. In Gengenbach, Schuttern und Schwarzach existierten Benediktinerklöster, Prämonstratenser fanden sich in Allerheiligen und Zisterzienserinnen in Lichtenthal,⋅2⋅ um nur einige der klösterlichen Gemeinschaften zu nennen.

Im Jahre 762 wurde das aufgrund der Landelinsverehrung ⋅3⋅ im Unditztal entstandene Kloster, das später den Namen Ettenheimmünster tragen sollte, erneuert. Damit wurde der Grundstein für das nachmalig zweitgrößte badische Kloster gelegt. Seine Erneuerung verdankt die Benediktinerabtei dem Straßburger Bischof Etto, Sohn Ettikos II.,⋅4⋅ Auf ihn geht auch die Gründung des Ortes Ettenheim zurück, der Jahrhunderte lang in Konkurrenz zum Kloster wuchs und Anfang des 14. Jahrhunderts als seit seiner Gründung den Bischöfen von Straßburg als weltlicher Besitz zugehöriger Ort das Stadtrecht erhielt.⋅5⋅

a. Bischof und Fürst

Historische Oberrheinkarte

Karte der politischen Situation am Oberrhein -
Johann Baptist Homann (1664-1724), Nürnberg, um 1720.

Foto-Button Im Besitz der Stadt Mahlberg - Foto: Jörg Sieger, März 2003

Während der Bischof von Straßburg für die ganze Ortenau der Diözesanoberhirt war, war sein weltliches Territorium stark zersplittert und keineswegs so überschaubar wie die Diözese. Der größte Teil des weltlichen Gebietes lag links des Rheins. Er umfasste das Ried nördlich von Straßburg, die beiden großen Distrikte Zabern und Molsheim, die Besitzungen an der Ill von Erstein bis Ebernheim und am Rhein von Rheinau bis Markolsheim, die Mundat von Rufach, die sich mit den beiden Abteien Murbach und Masmünster von Egisheim bis an die obere Thur hinzog, und endlich die Mitte des 14. Jahrhunderts an das Bistum gekommenen Güter der Grafschaft Oettingen an der Gieser und Leber. Alle diese Besitzungen zählten im 18. Jahrhundert etwa 1350 Quadratkilometer und 30.000 Einwohner.

Rechts des Rheins gehörte die alte Mark Ettenheim, die später in der Hauptsache das Gebiet des Klosters Ettenheimmünster und des Oberamtes Ettenheim einschloss und sich von der oberen Schutter bis an den Rhein hinzog, zeitweilig schon  im achten Jahrhundert und endgültig dann ab dem 12. Jahrhundert zur weltlichen Herrschaft des Bistums Straßburg. Im 11. Jahrhundert hatte das Hochstift darüber hinaus auch an der Rench Fuß gefasst. 1017 erlangte es durch Schenkung des fränkischen Edelmannes Siegfried die Feste Ullenburg bei Oberkirch, und 1303 kaufte der Straßburger Bischof Friedrich von Lichtenberg die Herrschaft Oberkirch.⋅6⋅

Die sogenannte Untere Herrschaft an Rench und Acher umfasste das Stadtgericht Oberkirch und die fünf Gerichte Kappelrodeck, Sasbach, Oppenau, Ulm und Renchen.⋅7⋅

Weitaus kleiner war die Obere Herrschaft des Straßburger Hochstiftes. Sie umfasste neben Ettenheim die Gemeinden Ringsheim, Grafenhausen und Kappel am Rhein. Zur Stadt Ettenheim gehörten darüber hinaus das Dörflein Ettenheimweiler und drei Häuser von Wallburg.⋅8⋅

Das Kloster Ettenheimmünster, das sich Jahrhunderte lang mit seinen Dörfern Wittelbach, Dörlinbach und Schweighausen im oberen Schuttertal, ferner Münstertal und Münchweier bei Ettenheim und dem dritten Teil des Orts Riegel am Kaiserstuhl dem Zugriff des Fürstbischofs zu entziehen versucht hatte, nahm eine Sonderstellung ein. Durch den Vertrag von 1740 war zwar nach langen Irrungen die bischöfliche Landeshoheit ausdrücklich anerkannt worden, aber gerade in den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts wurde sie vom Kloster wieder aufs lebhafteste angefochten. Die Tage des letzten Abts Arbogast Heißler waren erfüllt von erbittertem Kampf gegen das Hochstift, dem man vorwarf, die Abtei durch Hinterlist der Reichsunmittelbarkeit beraubt zu haben. Dennoch blieb das Kloster bis zuletzt - wie übrigens auch die Prämonstratenserprälatur Allerheiligen - der vollen straßburgischen Landesoberhoheit unterworfen.⋅9⋅

Freiburger Münster

Freiburger Münster.

Foto-Button Foto: Jörg Sieger, Juli 2019

Die beiden Oberämter Ettenheim und Oberkirch waren umgeben von verschiedensten mehr oder minder souveränen Herrschaften. Dabei spielt vor allem badisches Gebiet eine große Rolle. Die badischen Oberämter Mahlberg und Hachberg umgaben das Oberamt Ettenheim gemeinsam mit vorder­öster­reichischem Territorium, das sich südlich Ringsheim anschloss und von Freiburg aus verwaltet wurde. Der Unteren Herrschaft des Hochstifts Straßburg war das badische Amt Staufenberg benachbart, neben dem großen Gebiet der vorder­österrei­chischen Ortenau. Dazwischen gab es eine Unmenge kleinerer ritter­schaftlicher Herrschaften, Reichs­städte und reichsunmittelbarer Klöster; alles in allem ein undurchsichtiger Flicken­teppich unterschied­lichster Kom­petenzen und Zustän­digkeiten, wie er sich dem Politiker am Vorabend der Revolution darbot.

b. Ettenheim - Stadt zwischen Staat und Kirche

Video-Animation-Icon Der Hauptort des Oberamtes Ettenheim lag Jahrhunderte lang im Spannungsfeld zwischen Bischof und Landesherrn, zwischen Straßburg und Ettenheimmünster. Vom Straßburger Bischof gegründet, wurde der Stadt von jenseits des Rheins beständig eine große Aufmerksamkeit geschenkt. Mit drei Toren, zwei Mauerringen und Gräben versehen bot der Flecken im ausgehenden Mittelalter ein äußerst wehrhaftes Bild. Der Kirchturm der Chorturmkirche auf dem Ettenheimer Kirchberg war mit einer Wachstube versehen, von der aus das ganze umliegende Land eingesehen werden konnte.⋅10⋅

Nachdem Ettenheim 1637 im Dreißigjährigen Krieg von den Truppen Bernhards von Weimar zerstört worden war,⋅11⋅ musste die Stadt fast zur Gänze wiederaufgebaut werden. Im Zeichen des Barock entstand das neue Rathaus und vor allem die Stadtpfarrkirche St. Bartholomäus, die auf dem Kirchberg ein notdürftig wiederhergestelltes Gotteshaus ersetzte.⋅12⋅ Das straßburgische Amtshaus ⋅13⋅ scheint die Kriegsjahre einigermaßen unbeschadet überstanden zu haben. Dort residierte, während das Rathaus Schultheiß und Bürgermeister vorbehalten war, der bischöflich-straßburgische Amtmann mit der Verwaltung der Oberen Herrschaft des Hochstiftes.⋅14⋅

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Vgl.: Wolfgang Müller, Zur Kirchengeschichte der Ortenau, in: Dieter Weis, St. Bartholomäus Ettenheim (München/Zürich 1982) 201-208;
André Marcel Burg, Die alte Diözese Straßburg von der bonifazischen Reform (ca. 750) bis zum napoleonischen Konkordat (1802), in: Freiburger Diözesan Archiv (86/1966) 220-351;
Franz Xaver Schwartz, Populäre Kirchengeschichte von Straßburg und Basel, 2 Bde. (Rixheim 1877-1878). Zur Anmerkung Button

2 Vgl.: Wolfgang Müller, Die Klöster der Ortenau = Die Ortenau (58/1978);
Wolfgang Müller, Christliches Land seit 15 Jahrhunderten, in: Das Erzbistum Freiburg (Freiburg 1977) 11-26. Zur Anmerkung Button

3 Über den iroschottischen Wandermönch vgl.: Ludwig Greber, Der fünfte Tod des H. Landelin aus Irland im Europapark zu Rust am Rhein, in: Dieter Weis, St. Bartholomäus Ettenheim (München / Zürich 1982) 209-217;
Hubert Kewitz, Die Legende des Hl. Landelin auf dem Sockel der Landelinsbüste, in: Ettenheim - Geschichte einer Stadt in ihrer Landschaft (Ettenheim 1978) 83-90. Zur Anmerkung Button

4 Vgl.: Ludwig Heizmann, Das Benediktinerkloster Ettenheimmünster (Lahr 1932);
Albert Kürzel, Benediktiner-Abtei Ettenheimmünster - geschichtliche Beschreibung (Lahr 1870);
Adolf Hacker, Ettenheimmünster - Seine Baugeschichte (Würzbürg 1938);
Reinher Gassert, Ein Kloster ohne Bibliothek ist eine Festung ohne Waffen, in: Ettenheim - Geschichte einer Stadt in ihrer Landschaft (Ettenheim 1978) 18-22. Zur Anmerkung Button

5 Vgl.: Wolfgang Schwab, Überblick über die Geschichte Ettenheims, in: Ettenheim - Geschichte einer Stadt in ihrer Landschaft (Ettenheim 1978) 5-17;
Hubert Kewitz, Daten zur Geschichte der alten Ettenheimer Kirche, in: Ettenheim - Geschichte einer Stadt in ihrer Landschaft (Ettenheim 1978) 91-95. Zur Anmerkung Button

6 Vgl.: Erwin Schell, Das Hochstift Straßburg rechts des Rheins im Jahre 1802, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins (87/1935) 133-134;
Hubert Kewitz, Terminalia silvulae - Die Grenzbeschreibung von "926", in: Die Ortenau (56/1976) 158-173. Zur Anmerkung Button

7 Abgesehen vom Hauptort und von einer Menge weit zerstreuter Weiler und Gehöfte, den sogenannten Rotten, gehörten zum Stadtgericht Oberkirch die Orte Lautenbach, Ödsbach und Butschbach, zum Gericht Sasbach Sasbachried, Obersasbach, Malchhurst und Sasbachwalden, zum Gericht Kappelrodeck Seebach, Furschenbach, Waldulm und Ringelbach, zum Gericht Oppenau Ibach, Ramsbach, Peterstal und Griesbach, dann zum Gericht Ulm Stadelhofen, Tiergarten, Mösbach, Erlach und Haslach und endlich zum Gericht Renchen die Orte Wagshurst und Honau am Rhein.
(Vgl.: Erwin Schell, Das Hochstift Straßburg rechts des Rheins im Jahre 1802, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins (87/1935) 143-144.) Zur Anmerkung Button

8 Vgl.: Erwin Schell, Das Hochstift Straßburg rechts des Rheins im Jahre 1802, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins (87/1935) 143. Zur Anmerkung Button

9 Vgl.: Erwin Schell, Das Hochstift Straßburg rechts des Rheins im Jahre 1802, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins (87/1935) 139;
vgl. über die beiden Klöster: Hugo Schneider, Geschichte des Klosters Allerheiligen im Schwarzwald, in: Wolfgang Müller, Die Klöster der Ortenau = Die Ortenau (58/1978) 348-387; Friedhelm Schultz / Hans Schadek, Das Benediktinerkloster Ettenheimmünster, in: Wolfgang Müller, Die Klöster der Ortenau = Die Ortenau (58/1978) 150-201. Zur Anmerkung Button

10 Vgl.: Hubert Kewitz, Terminalia silvulae - Die Grenzbeschreibung von "926", in: Die Ortenau (56/1976) 158-173; Kewitz, Daten, 91-95. Zur Anmerkung Button

11 Vgl.: Johann Baptist von Weiß, Weltgeschichte, Bd. IX (Graz / Leipzig 3. Auflage 1896) 360;
Johann Baptist Ferdinand, 300 Jahre seit der Schlacht bei Ettenheim, in: Miscellen aus Vergangenheit und Gegenwart des Bezirks Ettenheim (Ettenheim 1936/37) 153-158. Zur Anmerkung Button

12 Am 27. August 1782 wurde die neue Kirche vom Straßburger Weihbischof Toussaint (1713-1785) konsekriert.
(Vgl.: Hubert Kewitz, Der Bau der Pfarrkirche St. Bartholomäus in Ettenheim, in: Dieter Weis, St. Bartholomäus Ettenheim (München / Zürich 1982) 15-37;
Hermann Brommer, Bauleute und Künstler am Ettenheimer Kirchbau des 18. Jahrhunderts, in: Dieter Weis, St. Bartholomäus Ettenheim (München / Zürich 1982) 38-79;
Philipp Harden-Rauch, Die Ettenheimer Stadtpfarrkirche "St. Bartholomäus" (Ettenheim 2. Auflage 1969).) Zur Anmerkung Button

13 Vgl.: Robert Furtwängler, Ettenheims "altes Schloß" und seine Geschichte, in: Geroldsecker Land (19/1977) 147-161;
vgl. zur Rolle Straßburgs in Ettenheim auch: Joann Conrad Machleid, Diarium II, *72v. Zur Anmerkung Button

14 Kaum jemand hat sich besser in die Welt der tiefreligiösen, lokalpatriotischen und vor allem traditionsbewussten Ettenheimer des 18. Jahrhunderts hineinzuversetzen gewusst, als der am 17. Juli 1820 dort geborene Historiker Johann Baptist von Weiß (vgl. über ihn: Johann Baptist Ferdinand, Der Geschichtsschreiber J. B. v. Weiß, in: Neue Miszellen aus Heimat und Landschaft, Bd. 1 (Ettenheim 1955) 16-25). Ettenheim hatte sich seit den Tagen eines Louis de Rohan kaum verändert, als von Weiß in seiner Weltgeschichte den Ort folgendermaßen beschrieb:
"Ettenheim liegt malerisch an einem Ausläufer der Berge des Schwarzwaldes. Von weitem her sieht man schon die Kirche emporragen, die auf einem Hügel am südlichen Ende der Stadt thront; sie ist hoch und weit, am Sonntag aber dicht besetzt von der frommen Gemeinde. Zur Zeit Karl Martells vom Bischof Etto gegründet, im dreißigjährigen Krieg vollkommen infolge einer Schlacht in nächster Nähe verbrannt, wurde sie nach einem einheitlichen, zweckmäßigen Plane wieder erbaut und zum Schutz mit Graben und Stadtmauer umgeben. Sie gehörte mit der Umgebung zum Bisthum Straßburg. Zwei Stunden davon im Osten war das Kloster Ettenheimmünster, von wo aus die Stadt mit Geistlichen versehen wurde. Zwischen Ettenheim und Ettenheimmünster ist die große Kirche St. Landolin, an der Stätte gebaut, wo in heidnisch=alamannischer Zeit ein Glaubensbote aus Irland den Märtyrertod erlitt. In dem nur eine Viertelstunde entfernten Altdorf zeigt man noch die Hütte, wo der fromme Mann sich aufhielt, ehe er in dem Urwald, wo jetzt ihm zu Ehren der prachtvolle Tempel steht, eine Einsiedelei sich erbaute. Der Jäger des nahen Grundherrn Giso soll dem Betenden das Haupt abgeschlagen haben. Da, wo das Blut des Glaubensboten floß, sprudelt jetzt eine Quelle, welcher Heilkraft für kranke Augen zugeschrieben wird; in der Nähe zeigt man die Trümmer von der Burg Gisos. Andere Glaubensboten vollendeten, was Landolin begonnen, und in der Nähe entstand das Benedictinerkloster Ettenheimmünster; als es aufgehoben wurde, war darin ein Gymnasium und eine Buchdruckerei. - Rings um St. Landolin stehen prachtvolle Buchenwälder, in welchen Enghien Rehe und Hirsche jagen konnte.
Aus dem Thale bei St. Landolin windet sich an Ettenheim vorbei ein kleines Flüsschen, die Unditz, jetzt oft Ettenbach genannt. Der Name ist keltisch, von einer Pflanze genommen, die viel darin gedeiht - er ergießt sich in die Elz und mit dieser in den Rhein.
Die Bewohner von Ettenheim leben dem Ackerbau. Der fruchtbare Boden liefert durch ihre Emsigkeit reichen Ertrag. Im Juni ist ein Wald von blühenden Bäumen und wogenden Saaten um die Stadt zu sehen, zur Zeit der Ernte und des Herbstes eine geordnete Regsamkeit wie in einem Bienenstock."

(Johann Baptist von Weiß, Weltgeschichte (fortgesetzt von Richard von Krailik) Bd. XX (Graz/Leipzig 3. Auflage 1896) 397-398.) Zur Anmerkung Button