Louis René de Rohan
Kardinal im Schatten der Französischen Revolution
im Schatten der Franz. Revolution
3. Der Bischof und die Kinder
Der Ettenheimer Oberamtmann Michael Heinrich Stuber,
Vater der Henriette Dietz, geb. Stuber.
Aus Schauinsland 30/1903, Seite 32 - Dort mit dem Vermerk:
"Nach einem im Besitze des Herrn Professor H. Stuber
in Freiburg befindlichen Pastellbildchen"
Auch in seiner Beziehung zur Familie des Oberamtsverwesers Stuber, von deren Treue und Ergebenheit der Kardinal überzeugt sein konnte, schlug sich Rohans umgängliches Wesen nieder. Besonders die Aufzeichnungen der Tochter des Oberamtsverwesers, die Erinnerung an ihren Spielplatz im Schlosshof, ihren vierbeinigen Spielgefährten - ein Hund des Kardinals - und den Fürstbischof selbst, der sich manchmal 'den Spaß erlaubte', der kleinen Henriette Stuber Pasteten oder Zuckerwerk aus dem Fenster in ihr aufgehobenes Schürzchen herabzuwerfen, geben einigen Aufschluss über diesen Charakter.⋅1⋅
Die Taufe ihres Bruders, des Louis René Eduart Charles Dorothée Stuber,⋅2⋅ anlässlich derer seine Taufpaten, der Kardinal und die Princesse Charlotte de Rohan-Rochefort, der finanziell angeschlagenen Familie nichts anderes als ein Hauptmannspatent für den Täufling und fünfzig Ellen Brabanter Spitzen - 'unnütze Herrlichkeiten' - zu schenken wussten,⋅3⋅ beleuchtet den Eindruck, den man von Rohan gewinnen muss, von einer wieder anderen Seite und rückt den in gewisser Weise naiven Kirchenfürsten unweigerlich in die Nähe der nicht minder weltfremden französischen Königin Marie Antoinette.
Anmerkungen
"Meine Eltern (...) waren beide sehr feine gebildete Leute, da beide ihre frühere Erziehung in Frankreich erhalten hatten, so daß ihnen der damalige feine Ton nicht fremd war, und alles, was nach Ettenheim kam, besuchte meine Eltern, wo (sic!) daß alle Tage ein ausgesuchter Zirkel bei meiner Mutter war, die darüber dennoch ihre Pflichten als Hausfrau und Mutter keineswegs vergaß, und beides sehr wohl miteinander zu verbinden wußte; so kam es, daß ich immer im Zimmer bei ihr war, ja meistens hatte sie noch eins von den kleinen Kindern auf dem Schoß oder auf dem Sofa neben sich sitzen während sie mit den Prinzessinen Rohan sprach, oder ihnen eine feine weibliche Arbeit zeigte, in denen sie sehr wohl erfahren war oder von dem Herzog von Enghien sich aus seinen früheren Feldzügen erzählen ließ, während mir der Marquis von Sully zeigte, wie man Filet strickte, oder der Maltheser Commandeur von Farques mich ein französisches Liedchen lehrte, und der Baron von Grünstein mir versprach, ich sollte morgen auf dem kleinen Pferdchen und auf dem Sattel der Prinzess Charlotte reiten lernen, diese wollte mir beides schenken, allein da wir keinen Pferdestall hatten, so mußten wir das Geschenk ablehnen, da wir lieber eine Kuh im Stall hatten, die uns Milch gab, als ein Pferd, das uns nichts nützte. Oft, wenn ich aus der Schule kam, spielte ich meistens im Schloßhof, weil mir da nichts geschehen konnte. Der Cardinal hatte einen von den großen Schäferhunden vom Montblanc. Dieser war mir so zugetan, daß ich auf seinem Rücken reiten durfte, was mir lieber war als das versprochene Pferdchen besonders, wenn sich manchmal der Cardinal den Spaß machte, mir aus dem Fenster oben herab in mein aufgehobenes Schürzchen einen Teller voll kleiner Pasteten oder Zuckerwerk herabzuwerfen..."
(Henriette Stuber, Memoiren einer Ahnherrin (Abschrift einer Handschrift), *3-*4.)
"So gab es noch manche Scene. Meine Mutter hatte es in ihrem Hause nicht besser, denn als einstmals die Condé-Anführer der Regimenter miteinander Streit bekamen, zogen sie die blanken Degen neben meiner Mutter, die vor der Wiege meines Bruders sass, und wollten aufeinander losgehen. Meine Mutter tritt mit Würde vor sie hin und sagt: "Meine Herren, wenn Sie Ihren Streit ausfechten wollen, so gehen Sie an einen geeigneten Ort, hier an der Wiege meines Sohnes werde ich dergleichen nicht leiden." - Beide steckten beschämt 'ihre Degen ein und baten meine Mutter um Verzeihung ihres Benehmens. - Meine Eltern hatten alle möglichen Prüfungen durchzuleben, und sie haben sie redlich bestanden. So war, wie ich schon sagte, im Hause beinahe kein Kreuzer Geld vorrätig, und man durfte nicht merken lassen und musste noch ein gutes Gesicht zu der Not machen. Als mein Bruder Louis geboren ward im Jahre 1792, da bot sich der Kardinal Rohan und die Prinzessin Charlotte Rohan-Rochefort, die Nichte des ersteren, zu Taufpaten an (Nach Auskunft der Taufbücher fand die Taufe 1791 statt (Anm. d. Verfassers)). Die Taufe ward natürlich in der Kirche mit grossem Pomp vollzogen, und mein Bruder erhielt die Namen Louis Ren~ Eduart Charles Dorotée. Nach der Taufe schickte der Fürst einen grossen Korb voll Konfekt nebst einem Hauptmann-Patent bei den 50er Leibhusaren (die er zu seiner Leibwache erhielt) für den kleinen Täufling, und die Prin zessin meiner Mutter 50 Ellen Brabanter Spitzen zum Geschenk. Mein Vater musste dagegen dem Bedienten, der diese unnützen Herrlichkeiten brachte, den letzten Kronentaler, den er im Hause hatte, zum Trinkgeld geben! Wären diese Kostbarkeiten Silber gewesen, so hätten sie doch etwas nützen können. So aber kann man sich die betrübten Blicke auf diese fürstlichen Geschenke denken! - Meine Mutter entwickelte bei allen diesen Prüfungen einen Heldenmut und christlichen Geist. Wer hätte je geahnt, daß diese freundliche, liebenswürdige, geistreiche Frau, bei der es jedem immer wohl war, oft sehr oft mit Mangel kämpfen musste, und oft das Notwendigste entbehrte, während sie immer eine offene Hand für andere hatte."
(Henriette Dietz, geb. Stuber, Familiennachrichten (Karlsruhe 1853) (Abschrift einer Handschrift) *13-*14.)