Louis René de Rohan

Kardinal im Schatten der Französischen Revolution

im Schatten der Franz. Revolution


Weiter-ButtonZurück-Button 9. Propaganda und Provokation

Das revolutionäre Elsass stand der Mira­beau'schen Legion in nichts nach. Johann von Türckheim, der im Juni des Jahres 1791 Eltern und Freunde besuchen wollte, konnte Straßburg nur in Frauenkleidern wieder verlassen,⋅1⋅ im Juli wurde Michael Blank im Gegenzug für die Misshandlung mehrerer Straßburger Schiffleute in Kappel durch die Mirabeau'schen Soldaten als völlig unbeteiligter inhaftiert,⋅2⋅ und Michael Hammerstihl, der am 13. Juli 1792 in Rohans Auftrag mit Briefen unterwegs war, wurde von Elsässern in den Rhein geworfen.⋅3⋅

Von der gespannten Atmosphäre an beiden Rheinufern zeugen die Unmenge der Flugschriften dieser Jahre,⋅4⋅ wie auch die Ausgaben der von Abbé Beck in Offenburg gedruckten Zeitung 'Wahrheits Freund'.⋅5⋅

Trotz aller Neutralität und Nichteinmischung waren auch Badens Beziehungen zu Frankreich und ebenso die des übrigen Deutschlands seit Ausbruch der Revolution unterkühlt.⋅6⋅ Die Wirtschaftsbeziehungen gingen merklich zurück, wie die Straßburger Messe im Jahre 1791 deutlich machte.⋅7⋅ Die beständigen Provokationen und Zwischenfälle an der Rheingrenze bei Kappel beziehungsweise Rheinau drohten größere Ausmaße anzunehmen.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Vgl.: GLA 74-6282, 9r/v;
vgl. über ihn auch: Julius Rathgeber, Eine Straßburger Patricierfamilie: Bernhard Friedrich von Türckheim und sein Haus, in: Julius Rathgeber, Elsässische Geschichtsbilder aus der französischen Revolutionszeit - Ein Beitrag zur elsässichen Sittengeschichte (Basel 1886) 185-216. Zur Anmerkung Button

2 Vgl.: Joann Conrad Machleid, Diarium II, *137r;
vgl. auch hier und GLA 138-83, 165r/v. Zur Anmerkung Button

3 Vgl.: Joann Conrad Machleid, Diarium II, *153r;
dies waren nur einige Beispiele. General Klinglin wurde am 28. Juni 1791 in effigie verbrannt, seine Frau und Schwester auf der Flucht gefangengenommen.
(Vgl.: GLA 74-6282, 15v.)
Scharen von Menschen vermochten lediglich ihr Leben zu retten.
(Vgl.: GLA 74-6282, 53r/v; GLA 74-6283, 51r, 202r, 203r.).
Auch wenn einige Emigranten sich recht exzentrisch gaben (vgl. GLA 74-6285, 143r-145r.), darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Großteil froh war, überhaupt irgendwo Hilfe und Unterkunft zu bekommen. Zur Anmerkung Button

4 Weit über 600 Seiten Umfang hat allein die Sammlung der 'politischen Schriften' der Jahre 1790 und 1791 im Archiv des heutigen Dekanats Lahr (vgl. DAL-Politische Schriften zur Französischen Revolution, besonders Elsas betr.) und Maßnahmen wegen Flugblättern begegnen in den Polizei-Akten des badischen Staates immer wieder (z. B. GLA 74-6281, 1r, 10r, 13r, 16r, 31r/v, 148r/v, 186r/v; oder auch: GLA 74-6282, 42r/v, 167r/v; GLA 74-6283, 29r/v, 102r; GLA 74-6284, 13r/v; GLA 74-6288, 137r und öfters).
Michael Hennig hat einige Aussagen, vorwiegend aus rechtsrheinischen Schriften zusammengestellt:
"In einer Broschüre heißt es: "Man beredete das dumme Volk, daß es inskünftige kein Ohmgeld, kein Pfund= und Haar=Zoll mehr wird bezahlen dürfen, und jetzt fallen die neuen Auflagsdekrete in unsere unglückliche Provinz wie Donner und Hagel".
 "Anstatt ein Mittel auszufinden, wie man die Unterthanen mit der Zeit glücklich machen könnte, so hat man angefangen, uns wider den König, wider den Hof, wider unsere Herrschaften, wider Gott, wider die Priester, wider den Nächsten aufzuhetzen."
 "Die Hauptsache ist, daß jetzt die Spitzbuben die Kirchengüter verthan haben; die Schulden (sc. des Staats) sind nicht nur nicht bezahlt, sondern haben sich um ein Drittel vermehrt."
In einer Broschüre vom Jahre 1792 schreibt ein Elsässer an seine Landsleute, die der Neuerung anhingen:
"Gestehet es doch, seit zwei Jahren habt ihr große Dinge gemacht. Ihr waret zwar nicht reich, aber ihr hattet so ziemlich zu leben; nun seid ihr Lumpen und eben darum seid ihr so trotzige Flegel. Ihr waret gute Leute, jedermann lobte eure Ehrlichkeit, man hatte gern mit euch zu thun; jetzt ist nichts mehr als Bescheißerey und Betrug in allen euren Handlungen; ihr habt keinen Begriff mehr von der Gerechtigkeit; was euch gefällt, das nehmet ihr; Straßenräuber handeln ebenso. Ehedessen hattet ihr noch gute Sitten, weil ihr noch Religion hattet; ehedessen wußte man euch von anderen Gläubigen zu unterscheiden; anheut ist Jud, Heid, lutherisch, kalvinisch und katholisch alles einerlei. Das Wirtshaus ist eure Kirche, und die Habsucht euer Gott. Ehedessen hattet ihr eine gleichsam angeborene Hochachtung gegen eure Vorgesetzten; jetzt haben König, Richter, Priester und sogar eure Eltern keine Gewalt mehr über euch; der Teufel ist an allen Ecken los. Dieß ist die Folge eurer göttlichen Konstitution, welche euch so glücklich machen sollte."
 "Was habt ihr gewonnen? Die Freiheit. Was ist denn diese Freiheit? Niemalen waren die Gefängnisse so voll wie heute. Jeder Narr spielt heut den Meister; die Maires, die Distrikte, die Departementer, die Gerichte, die Klubs werfen euch ins Loch, daß es eine Lust ist. Wo ist denn diese so gepriesene Freiheit, und welche sind die freien Bürger? Es ist das Lumpengesindel, welches den Rädelsführern und Aufwieglern zu eurem Werkzeug dienet. Diese haben die Freiheit, zu rauben, zu verheeren, umzubringen."
 "Was habt ihr gewonnen? Die Gleichheit. Ich sehe nirgends keine andere Konstitutions=Gleichheit, als das allgemeine Elend; Dank sei der unvergleichlichen Revolution, wir sind alle gleich zu Grund gerichtet. Der Unterschied ist nur, daß einer bisweilen mehr Papier (Geld) als der andere in der Brieftasche hat; aber was Gold und Silber anbelangt, so sind alle unsere Beutel gleich leer, ausgenommen jene unserer hochgebietenden Gesetzgeber."
 "Was habt ihr gewonnen? Das Wahlrecht. Und was für Leute erscheinen bei den Wahlen? Die Auswürflinge der Gemeinde, die Klubisten. Und wer sind meistenteils eure Auserwählten? Hundsfötter und Lumpen, die keinen Groschen vermögen; Leute ohne Treue und Glauben, lauter Klubisten, von euren hoch=wohl=edel und gebietenden Herren Deputierten, die ihr nach Paris geschickt, angefangen, bis auf den Maire vom kleinsten Dörfchen."
 "Die Municipalbeamten sind meistens unruhige Köpfe, die Distrikts= und Departements=Glieder arglistige und durchtriebene Kauzen, die froh sind, daß ihr sie zum Speck eingesperrt habt. Unter euren Friedensrichtern habt ihr Weber, Sattler, Schneider, Schmiede, Perückenmacher und Schuhflicker." "Unter den Deputierten bei der Nationalversammlung sind Bankrottirer und Dummköpfe, Leute, denen ihr keinen großen Thaler würdet anvertrauen."
 "Eurer Brendel ist ein ketzerischer Schwelger, welcher Aergernis auf Aergernis häufet; euer armseliger Martin ist ein Hornviehe, und alle eure geschworne Pfarrer. Ach Himmel! was sind das für Leute! Sie sind so verächtlich wegen ihrer Schwelgerei, ihrer Ausgelassenheit und ihrem lüderlichen Leben, daß sie nicht wert sind, daß sie der Teufel holet. Sehet, das sind eure Auserwählten."
In dieser Weise führt die Broschüre alle einschlägigen Fragen durch und findet überall, daß die Revolution dem Volke nur Schaden gebracht habe. Den Protestanten, denen ihre Kirchengüter, ihre Stiftungen belassen wurden, und welche die Katholiken, die so fürchterlich unterdrückt wurden, verhöhnten, sagt er voraus, "daß es ihnen schließlich auch nicht besser gehen werde."
(Michael Hennig, Geschichte des Landkapitels Lahr (Lahr 1893) 243-245) Zur Anmerkung Button

5 Vgl.: GLA 74-6281, 173r; Joann Conrad Machleid, Diarium II, *135r; vgl. auch: GLA 74-6282, 217r/v.. Zur Anmerkung Button

6 Trotz Berichten wie GLA 74-6282, 128v-129r. Zur Anmerkung Button

7 Vgl.: GLA 74-6281, 40r; GLA 74-6282, 29r. Zur Anmerkung Button