Louis René de Rohan
Kardinal im Schatten der Französischen Revolution
im Schatten der Franz. Revolution
7. Leiden der Bevölkerung
Nicht nur die Legion selbst hatte unter Eskapaden einzelner Soldaten zu leiden. Weitaus gewichtiger waren die Vorfälle, die zu Lasten der einheimischen Bevölkerung gingen. Hinter den wenigen spektakulären Ereignissen, die überliefert sind, lässt sich das Ausmaß der Belastung erahnen.
a. Soldaten im Konflikt mit der Bevölkerung
Karte des Amtes Ettenheim aus dem Jahre 1670
mit einer der ältesten Ansichten Ettenheims.
Badisches Generallandesarchiv Kalrsruhe K H/Ettenheim Nr. 1 -
Foto: Martha Oehler, Ettenheim
Diebstähle von Legionären und Deserteuren wuchsen sich zur großen Belastung aus.⋅1⋅ Besonders auf Pferde hatte man es abgesehen. Ein Mirabeau'scher Offizier verkaufte Ende 1791 in Friesenheim gegen 10 Taler ein Pferd, das er sich in Ringsheim ausgeliehen hatte. Der Eigentümer musste dem Friesenheimer Käufer die Hälfte der Auslagen ersetzen, um sein Pferd zurückzuerhalten.⋅2⋅ Auch Anton Winterer musste, als ihm am Abend des 1. Februars 1792 sein Schimmel gestohlen worden war, das Tier nach fünf Tagen Suche in der Gegend von Renchen zurückkaufen.⋅3⋅
Immer wieder wurde die Bevölkerung mit den Fluchtversuchen von Soldaten konfrontiert. Bei der Rückkehr vom Ettenheimer Martinimarkt des Jahres 1791 wurde ein in Kippenheim arbeitender fremder Maurergeselle von einem Deserteur dazu veranlasst, einem Kleidertausch zuzustimmen. Da im Kippenheimer Ochsen, wo man die Kleidung wechseln wollte, ein Capitain der Legion saß, begaben sich die beiden auf die Landstraße unterhalb Kippenheims. Als fünf oder sechs Volontairs und einige Lahrer hinzu- kamen, entstand ein Streit,⋅4⋅ in dessen Mittelpunkt der Maurergeselle stand.⋅5⋅ Capitain Montmare schlichtete und verhinderte ein Blutvergießen.⋅6⋅
Auseinandersetzungen zwischen Bürgern und Soldaten gab es auch in Broggingen, wo sich in der Sonne ein Deserteur unter dem Vorwand, auf einige Freunde aus dem Elsass zu warten, einquartiert hatte. Als vier Mirabeau'sche Legionäre ihn in das Lager bei Ringsheim zurückbringen wollten, einer der vier jedoch plötzlich die Partei des Deserteurs ergriff,⋅7⋅ kam es zum Wortwechsel, Streit und Säbelziehen. Die herbeigeeilten Bürger, die für Ruhe und Ordnung sorgen wollten, wurden gemeinsam mit ihrem Vogt mit blanken Säbeln zurückgehalten. Nur das selbstsichere Auftreten des Vogts veranlasste die Soldaten schließlich dazu, den Deserteur in Ruhe zu lassen und sich zurückzuziehen.⋅8⋅
Häufig bemühten sich Werber anderer Armeen um die Mirabeau'schen Deserteure ⋅9⋅ und nicht selten kam es zu Zwischenfällen. So suchten drei von vier Deserteuren, die im Juli 1791 einem kaiserlichen Werber, Unteroffizier vom K. u. K. Regiment Bender, nach Freiburg folgten, in Emmendingen bei der dortigen hachbergischen Oberamtsverwaltung um Schutz nach, und weigerten sich weiterzuziehen.⋅10⋅ Am 14. August wurde ein österreichischer Werber von einem Franzosen bei einer Auseinandersetzung in Herbolzheim niedergeschossen,⋅11⋅ und bei der Werberei in Lautenbach verlor ein Werber ein Auge.⋅12⋅
Konflikte gab es auch dadurch, dass Soldaten ohne Grund und Erlaubnis fremdes Gebiet betraten und Unruhe und Aufsehen erregten. 10 oder 12 Reiter und ebenso viele Soldaten zu Fuß erschreckten am 22. Mai 1791 auf der Landstrasse oberhalb Kippenheims zwei Passanten.⋅13⋅ Drei Tage später trommelten am Vormittag zwei Tambours in Kippenheim, bis sie beim Gasthaus zum Ochsen angehalten und aus dem Ort gewiesen wurden.⋅14⋅
Ein Säbel, den man einem Straßburger namens Bär abgenommen und zerbrochen hatte,⋅15⋅ verursachte wie die Provokationen der Mirabeau'schen Legion am Grenzübergang in Kehl,⋅16⋅ viel Aufregung. Besonders im Juni fingen immer wieder Mirabeau'sche Soldaten mit der französischen Schildwache Streit an. Die Bemühungen des Kehler Amtes, die fremden Soldaten aus der Stadt zu weisen, zogen sich bis zum beginnenden Spätjahr 1791 hin.⋅17⋅
b. Probleme im bischöflichen Oberamt
Auseinandersetzungen mit der Bevölkerung nahmen in der bischöflich-straßburgischen Herrschaft eine Sonderstellung ein. Die Vorgesetzten des Oberamtes hatten immer wieder zwischen Bürgern und Soldaten zu vermitteln.⋅18⋅ Rohans Rolle als Landesherr war nicht nur durch die Streitigkeiten innerhalb des Lagers belastet.⋅19⋅ Sowohl Bürgerschaft als auch Soldaten beanspruchten den Kardinal für sich, und Streitigkeiten arteten daher leicht in größere Unruhen aus.
Zu einem Handgemenge kam es am Sonntag, 29. Mai 1791, als mehrere Jugendliche, die sich gegen die Anweisungen der wachhabenden Soldaten dem Grafenhausener Posten näherten,⋅20⋅ von demselben mit Gewehrkolben weggetrieben wurden. Durch die Verletzung zweier Bürger veranlasst, Versuchten die Grafenhausener Sturm zu läuten, fanden aber die Kirchentüren von Soldaten besetzt. Drei Bürger wurden verhaftet. Als daraufhin eine Delegation der Grafenhausener vom Kardinal in Ettenheim die Freilassung der Gefangenen und Genugtuung forderten, wurde ersteres gewährt. Genugtuung erhielten die Grafenhausener nicht. Die dort stationierten Soldaten mussten sich am darauffolgenden Montag daher verborgen halten, wollten sie Zusammenstößen mit der Bevölkerung aus dem Weg gehen.⋅21⋅
Am 2. Juli gab es erneut Unruhen, als beim Kegeln zwischen Bauern und Soldaten in Ringsheim ein Streit ausbrach, der auf beiden Seiten Verletzte forderte.⋅22⋅ Hundert bewaffnete Legionäre von Kappel eilten gemeinsam mit Mirabeau und dem Kardinal nach Ringsheim, um Ruhe und Ordnung wiederherzustellen.⋅23⋅
Der Landesherr gab den Ringsheimern sein Missfallen darüber, dass sie Anlass zu solchen Unruhen gegeben hätten, zur Kenntnis, was die Bürger in ihrer Meinung, der Kardinal stehe auf Seiten der Soldaten, bestärkte.⋅24⋅
Am 10. August gab es in Ringsheim erneut Ärger. Mitglieder der 'Freiwilligen' hatten sich unter Alkoholeinfluss damit vergnügt, Fensterscheiben einzuwerfen. Auch dieses Mal kam es zu einer Schlägerei, die mehrere leicht Verletzte mit sich brachte. Jene Soldaten, die den Aufruhr provoziert hatten, wurden mit harten Strafen belegt, und Maßnahmen gegen künftige Ausschweifungen getroffen.⋅25⋅
Anmerkungen
"und in diesen kann sich allerdings viel verbergen laßen."
(Vgl.: GLA 74-6284, 162r.).
Kaum ein Schwein, kaum ein Wirtshaus war vor den Soldaten sicher.
(Vgl.: Joann Conrad Machleid, Diarium II, *146r, *147v; vielleicht haben die Soldaten auch mit dem Vorfall, von dem GLA 74-6283, 19r-20r berichtet, zu tun.)
vgl. einen ähnlichen Vorfall unter GLA 74-6285, 151r/v.
(Vgl.: Joann Conrad Machleid, Diarium II, *145v.)
(Vgl.: GLA 74-6284, 107r-108r.)
Im März 1792 bewarfen sie einen Offizier des Kardinals mit Kot und stießen Schimpfworte gegen ihn und den Kardinal aus.
(Vgl.: Joann Conrad Machleid, Diarium II, *147v.)
(Vgl.: GLA 74-6284, 107r-108r.)
(Vgl.: GLA 74-6284, 107v-108r; ähnlich spektakulär auch GLA 74-6285, 150r-151r.)
(Vgl.: GLA 74-6283, 154r-156r.)
der Wirt, der den Deserteur gegen die Vorschrift beherbergt hatte, wurde anschließend zur Rechenschaft gezogen.
(Vgl.: GLA 74-6283, 155r/v.)
(Vgl. auch hier.)
er überlebte nur mit einigem Glück.
(Vgl.: GLA 74-6283, 112r.)
vgl. auch die Auseinandersetzung der Mirabeau'schen Soldaten mit einem preußischen Werber in Kehl GLA 74-6288, 137v-138r und GLA 74-6282, 229r/v;
GLA 74-6283, 72r/v, 73v.
am 1. September 1791 befanden sich erneut 20 Mann auf Mahlberger Gebiet.
(Vgl.: GLA 74-6283, 119r-120v.)
Vgl. auch GLA 74-6283, 84r/v.
der Vorfall belastete das Verhältnis zischen Rohan und dem Straßburger Maire wie auch die Beziehung zu Karlsruhe in gleicher Weise.
eine besondere Rolle spielte in Kehl der ehemalige Maire von Schlettstadt. Die Gebrüder Herrenberger hielten sich lange mit den Mirabeau'schen Soldaten in Kehl auf. (Vgl.: GLA 74-6282, 48r/v, 53r.)
Die Karlsruher Sicherheitsvorschriften vom Juni 1791 - Reisende sollten genau beobachtet, auf hohen Türmen und Anhöhen das Umland beobachtende Posten eingerichtet, die Rheinschiffe abends fest angeschlossen und die Grenzen mit Patrouillen gesichert werden (vgl.: GLA 74-6282, 1r-3v, 34r/v, 63r- 66r; Carl Ludwig, Schilling von Canstatt, Auszug aus dem Tagebuch, in: Lahrer Wochenblatt (1905), 450) - waren nur bedingt dazu geeignet, die vielen Grenzverletzungen und die Unsicherheit der Bevölkerung zu mindern. Zumindest gelang es die Ruhe zu wahren und entstehenden Unruhen frühzeitig zu wehren, wenn auch die Einrichtung neuer Wachen eine erneute Belastung der badischen Untertanen zur Folge hatte.
(Vgl.: GLA 74-6285, 113r/v.)
(Vgl.: GLA 74-6284, 150r.)
(Vgl.: GLA 74-6281, 204r/v.)
Die Grafenhausener sollen sich übrigens in Mahlberg erkundigt haben, wie man dort auf einen Aufstand reagieren würde. Das Oberamt Mahlberg berichtet daraufhin nach Karlsruhe:
"... die hiesigen und andern benach=
barten halten sich ruhig, und scheinen nicht
geneigt zu seyn, sich in fremde Händel zu
mischen, sondern sich nur als denn zu Wehre
zu sezzen, wenn sie angegriffen werden
sollten."
(GLA 74-6281, 205v)
Die Karlsruher Regierung brachte ihre Zufriedenheit darüber zum Ausdruck (Anmerkung auf dem Schreiben vom 4. Juni 1791 (vgl.: GLA 74-6281, 204r).)
ein Ringsheimer war so schwer verletzt worden, dass man an seiner Genesung zweifelte. (Vgl.: GLA 74-6282,105r.)
Der Kardinal ließ ihm 2 Louisd'or zukommen und ordnete an, dass alles Erforderliche zu seiner Wiederherstellung unternommen werde.
(Vgl.: GLA 74-6282, 105r.)
würde die starcke Vorder-Oesterreichische Gemeind
Herbolzheim dazu gekomen seyn, welche sich be-
reits auf den Weg begeben hatte."
(GLA 74-6282, 105v.)
15 Soldaten reagierten daraufhin mit Desertion, nicht ohne den Ringsheimern, die sie für diese Maßnahmen verantwortlich machten, zu drohen. Die Gemeinde hielt daher in der Nacht vom 13. auf den 14. August 1791 aus Furcht vor Brandstiftung - die Ernte war bereits eingebracht und die Scheunen bis an den First gefüllt - Wache.
(Vgl.: GLA 74-6283, 73r/v.)
Es soll an dieser Stelle allerdings nicht vergessen werden, dass Legionäre, als es im August in Grafenhausen durch ein Gewitter tatsächlich zu einem Brand kam, das Feuer einzudämmen halfen und ein Übergreifen auf andere Gebäude verhinderten.
(Vgl.: GLA 74-6283, 84v.)