Louis René de Rohan
Kardinal im Schatten der Französischen Revolution
im Schatten der Franz. Revolution
1. Stürmt denn alles Unglück auf mich los
Noch im Mai 1791 war man darauf bedacht, im Elsas zu retten, was zu retten war. Amtmann Solf stellte auf Verlangen des Kardinals eine 'Ehescheidungsurkunde von Tisch und Bett' für den alten Prince de Rohan-Rochefort und dessen Gemahlin aus, vermutlich um durch diese Maßnahme, die Rohan'schen Güter für die Kinder der Rocheforts zu erhalten.⋅1⋅
Charlotte de Rohan-Rochefort,
Minitatur von François-Joseph Desvernois.
Château de Chantilly - Musée Condé,
Foto: Jörg Sieger, Februar 2020
Anfang September 1791 war dann zu hören, dass der Prince de Rohan-Rochefort das unsichere Grenzland mit seiner Tochter zu verlassen gedenke. Die Gerüchte über eine Auflösung der Ettenheimer Hofhaltung vermehrten sich mit der wachsenden Furcht vor einem französischen Überfall. Anfang November hieß es, dass sich der Prince de Rohan-Rochefort nach Freiburg, die Prinzessin mit ihrer ersten Hofdame, der Gräfin von Würmb, nach Koblenz und die zweite Hofdame nach Wien begeben würden. Auch Rohan solle daran denken, nach Freiburg überzusiedeln.⋅2⋅ Andere Gerüchte sprachen davon, dass sich de Rohan-Rochefort nach Worms zurückziehen werde, während der Abbé d'Eymar in Trier bereits Räume für die Prinzessin bestellt haben solle.⋅3⋅ Der Prinz und seine Tochter verließen Ettenheim wahrscheinlich erst am 30. April 1792,⋅4⋅ wobei Charlotte in Heidelberg blieb, ihr Vater jedoch nach Koblenz weiterzog.⋅5⋅
Bereits am 28. Dezember dürfte Charlottes Mutter Ettenheim mit zwei schwer beladenen Wagen verlassen haben.⋅6⋅ Rohan ließ einpacken und dem Vernehmen nach die Pferde beständig im Geschirr halten, um bei Gefahr rechtzeitig fliehen zu können.⋅7⋅ Bei Nacht wurden auf Wagen verladene Wertsachen aus dem Besitz des Kardinals in die Schweiz gebracht.⋅8⋅
Dem Beispiel ihres Landesherren und der benachbarten Herrschaften,⋅9⋅ folgten die Ettenheimer Beamten. Besonders die Juden der Gegend hatten Mühe, ihre wertvollsten Stücke teils nach Lahr, teils ins Vorderösterreichische und sogar bis in die Schweiz zu flüchten.⋅10⋅
Siegel der Stadt Ettenheim und der
Allgemeinen Handwerkerzunft von 1714.
Weitere vier große, mit Hausrat gefüllte Verschläge ließ Rohan ins Haus des Stadtschreibers Sartori bringen, damit es weniger Aufsehen errege, wenn auch diese abtransportiert werden würden; was allerdings die Dienerschaft nicht hinderte, ihre Habseligkeiten und sogar den Wein unter den Augen der Öffentlichkeit fortbringen zu lassen.⋅11⋅
Der Kardinal war davon überzeugt, in Ettenheim nicht mehr sicher zu sein und sich auf niemanden mehr verlassen zu können. Am Weihnachtsabend soll er in Gegenwart von Pfarrer Mast geweint und mit über dem Kopf zusammengeschlagenen Händen ausgerufen haben:
"Stürmt denn alles Unglück auf mich los." ⋅12⋅
Der Wiener Hof betrachtete die Anwesenheit Rohans auf rechtsrheinischem Territorium als Sicherheitsrisiko. Seine Bitte, während der in der Folge des Krieges zu erwartenden Unruhen im 'fürstlich Heitersheimischen Haus' in Freiburg wohnen zu können, scheint man im Januar 1792 abgeschlagen zu haben,⋅13⋅ woraufhin man in Baden vermutete, dass Rohan in St. Peter im Schwarzwald Zuflucht suchen werde, falls es zu Kämpfen am Oberrhein käme.⋅14⋅ Tatsächlich bemühte sich Rohan um das Schloss in Riegel als Wohnsitz für den Fall etwaiger Kampfhandlungen,⋅15⋅ während man andernorts sicher annahm, dass der Kardinal bei seinem Metropoliten in Mainz Unterkunft erhalten werde.⋅16⋅
Obschon Rohan zu Beginn des Jahres 1792 das Haus kaum noch ohne größere Begleitung verließ,⋅17⋅ wurden die Sicherheitsvorkehrungen, als im Mai das Gerücht laut wurde, 16 verkleidete Jäger seien mit dem Auftrag ausgesandt worden, den Kardinal zu ermorden, noch einmal verstärkt.⋅18⋅
Die auf Druck der Anliegerstaaten geschehene Verlegung des Regiments 'Royal Rohan' verstärkte die Befürchtungen des Kardinals, obwohl am 31. Mai 134 Mann österreichischer Soldaten als Schutztruppe für den Kirchenfürsten nach Ettenheim verlegt wurden,⋅19⋅ weiter. Am 17. und 18. November 1792 waren erneut einige Ettenheimer unterwegs, um Rohan'sche Habe ins Ausland - dieses Mal nach Villingen - zu befördern ⋅20⋅ und im März 1793 ließ der Kardinal, unter dem Vorwand, ungestört spazieren gehen zu können, einen 'Ausfall' anlegen,
"... durch deß H:
pfarers garthen über die stattmauren durch
in deß H: Laibliß garten, eine stegen hinundter
in daß finster weldelin, auff deß caßpar
=Jegers prelaten guet, Etliche stapflen
hinauff, alß dann kaner fürst ßpaziren
gehn, od(er) flien wo mann will, amen." ⋅21⋅
Anmerkungen
dort auch die Rolle des Landvogts von Blittersdorf in dieser Angelegenheit.
den Gerüchten um eine Auflösung der Hofhaltung wurde in Ettenheim widersprochen.
(Vgl.: GLA 74-6284,23v-24r.)
am 17. Dezember hieß es, dass Charlotte bereits nach Trier abgereist sei. Da Ende April erneut von einer Abreise der Prinzessin und ihres Vaters gesprochen wurde, scheint jene Nachricht unzutreffend zu sein.
(Vgl.: GLA 74-6284, 170r; vgl. auch: GLA 74-6286, 79r/v, 92r/v.)
Pläne, schon früher abzureisen, waren durch einen Reitunfall ihrer Hofdame von Weishals zunichte gemacht worden.
(Vgl.: GLA 74-6285, 20r/v.)
(Vgl.: GLA 74-6284, 199r/v.)
der Ettenheimer Stadtschreiber und der Amtschultheiß sandten Teile ihres Besitzes ins Ausland (GLA 74- 6285, 20r/v.).
Hofrat Stuber schickte seine Frau im Januar 1792 in Sicherheit (vgl.: GLA 74-6285, 53v) und ließ, wie auch Amtschultheiß Fischer, einpacken (vgl.: GLA 74-6285, 53v).
auch dem Kloster Ettenheimmünster war von französischer Seite gedroht worden, da auf seinem Territorium Soldaten der Mirabeau'schen Legion beherbergt und die Fahnen der genannten Legion geweiht worden waren.
(Vgl.: GLA 74-6285, 20v.)
Das Kloster brachte daher ebenfalls seine wertvollsten Besitztümer in Sicherheit.
(Vgl.: GLA 74-6285, 20v.)
In der Nachbarschaft des Hochstiftes schenkte man trotz alledem Rohans Befürchtungen keinen Glauben.
(Vgl.: GLA 74-6285, 40v.)
im April 1792 scheint Rohan das Schloss aus diesem Grund besichtigt zu haben.
(Vgl.: GLA 74-6286, 73v.)
der Wahrheitsgehalt all dieser Angaben über einen möglichen Zufluchtsort des Kardinals bleibt unsicher.
(Vgl.: GLA 74-6285, 80r.)
"Sogar jene, so mit einem Gefährte nach Ettenheim kommen, werden wegen der Ausfrage auf die Schloß Wache geführt."
(GLA 74-6286, 139r.)
alle zehn Tage wurde dieses Kommando abgelöst. Die drei Offiziere speisten an der fürstlichen Tafel und für die Versorgung der übrigen Soldaten kam die fürstbischöfliche Verwaltung auf.
(Vgl.: Joann Conrad Machleid, Diarium II, *150v-*151r, *151v, *152v, *157v; vgl. auch: *150r, weiter: GLA 74-6287, 108r/v, 109r/v.)
man rühmte übrigens die gute Bezahlung, die ihnen zuteil wurde.
(Vgl.: Joann Conrad Machleid, Diarium II, *155v.)