Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Martin Noth ⋅1⋅

Martin Noth baut nun auf den Ergebnissen von Gerhard von Rad auf.

Er versucht nun die einzelnen Überlieferungen im Pentateuch, entsprechend der These Gerhad von Rads auf eine Sinaitradition und eine Landnahmetradition zu verteilen.

Das ist an einigen Stellen recht einfach. So ist es zum Beispiel einleuchtend, dass die Gesetzestexte mit dem Bundesschluss zusammenhängen und dementsprechend zu einer möglichen Sinaitradition gehören müssten.

Wo aber gehört dann so etwas wie die Josefserzählung dazu? Sie hat ja weder etwas mit einer Sinai- noch mit einer Landnahmetradition zu tun.

Dies ist für Martin Noth der Ausgangspunkt, die von Gerhard von Rad postulierte Landnahmetradition näher zu untersuchen. ⋅2⋅

1. Die Rolle des "kleinen geschichtlichen Credo"

Der älteste Kern der Landnahmetradition war schon für Gerhard von Rad das "kleine geschichtliche Credo" in Dtn 26,5-9, jener Text, den der Bauer bei der Abgabe der Erntedankgaben sprechen sollte. ⋅3⋅

Für Martin Noth ist dieser Text aber mehr als nur ein Hinweis auf das Erntedankfest in Gilgal. In diesem Text sieht Martin Noth nun das Gerüst des ganzen Pentateuchs.

Dieses Credo sei quasi der Kristallisationspunkt gewesen, um den herum die großen Geschichtswerke des Alten Testamentes entstanden. Diese Geschichtserzählungen seien dementsprechend auch so etwas wie eine Illustration dieses Glaubensbekenntnises.

Ausgehend von diesen Untersuchungen versucht Martin Noth, das Entstehen der größeren zusammenhängenden Erzähleinheiten zu erklären.

2. Kristallisation um die Themen des Credos herum

Schirmakazie

Schirmakazie im Sinai, bei Faran.

Foto-Button© Katholisches Bibelwerk Linz, Kapuzinerstr. 84, A-4020 Linz

Er glaubt im kleinen ge­schichtlichen Credo den roten Faden, praktisch die Gliederung des Pen­tateuchs zu ent­decken.

Vier große Themen lassen sich nämlich seiner Ansicht nach aus Dtn 26,5-9 heraus­ar­bei­ten:

  • Verheißung an die Väter,
  • Auszug aus Ägypten,
  • Wanderung in der Wüste,
  • Hineinführung in das verheißene Land.

Diese vier Themen sind für ihn das Gerüst der ganzen Geschichtserzählung.

So hätte jeder der biblischen Autoren genau gewusst, wie er seinen Stoff, also die einzelnen Berichte und Sagen, in einen zusammenhängenden Geschichtsablauf einordnen musste. Er musste nur den Themen des Glaubensbekenntnisses folgen und die einzelnen Texte dementsprechend anordnen.

Er deutet das Entstehen der einzelnen Pentateuchstränge dementsprechend analog einer Kristallisationshypothese. Das Erzählgut hätte sich um das Glaubensbekenntnis herum angelagert. ⋅4⋅

3. Zum Verhältnis von Bekenntnis und Geschichte

Das heißt aber auch, dass die Entstehung der Erzählstrange des Pentateuchs nicht durch den Geschichtsablauf bestimmt worden sei. Bestimmend für die Darstellung der Bibel sei eben das Glaubensbekenntnis gewesen.

Der Pentateuch sei dementsprechend auch kein Geschichtsbuch sondern ein Glaubensbuch. Er habe folglich auch keinerlei Geschichtswert.

Es sei schließlich unmöglich, hinter das Credo zurückzufragen. Die Geschichtsabläufe selbst, von denen dieses Glaubensbekenntnis spricht, seien nicht mehr greifbar und auch nicht relevant. Entweder ist ihr historischer Wert nicht zu entdecken, oder - falls das doch gelingt - ist er im Vergleich zu dem was der Glaube Israels daraus machte völlig unerheblich.

4. Die Kritik an Martin Noths Arbeit

Diese These bestimmte selbstverständlich auch die Kritik an den Ergebnissen Martin Noths.

Arthur Weiser hat beispielsweise darauf hingewiesen, dass Martin Noth einen Aspekt völlig übersieht:

Die Sätze des "kleinen geschichtlichen Credo" in Dtn 26,5-9 können ja kaum am Anfang gestanden haben. ⋅5⋅ Vor dem "Begriff" steht ja grundsätzlich das "Erleben". Woher kommt die Aussage des "kleinen geschichtlichen Credo" wenn nicht aus dem Erleben.

Dann dürfte es aber wohl auch mit Einschränkungen das gleiche Erleben gewesen sein, das auch die übrige Traditionsbildung in Israel in Gang gesetzt hat. Die Wurzeln des "kleinen geschichtlichen Credo", wie auch die Wurzeln der Traditionen des Pentateuchs liegen im Erleben und damit in der Geschichte.

Wenn Martin Noth davon ausgeht, dass am Anfang ein fast inhaltsleeres Erzählgerippe gestanden hat, das erst im Laufe der Zeit durch Erzählstoff ausgefüllt wurde, dann mutet das schon ein wenig abenteuerlich an. ⋅6⋅

Martin Noth selbst hat übrigens einige Schwachpunkte seiner Theorie später eingesehen und teilweise selbst korrigiert. ⋅7⋅

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Vgl.: Annemarie Ohler, Grundwissen Altes Testament (Stuttgart 3. Auflage 1989) I/91. Zur Anmerkung Button

2 Vgl.: Martin Noth, Überlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948. Zur Anmerkung Button

3 Vgl. auch Dtn 6,20-24; Jos 24,2-13. Zur Anmerkung Button

4 Die genannten Themen seien ursprünglich alle selbständig gewesen und hätten lange vor Entstehung der ersten Pentateuchquellen vorgelegen. Später seien die Komplexe, die sich aus ihnen entwickelt hätten, zu einem Ganzen vereinigt worden. Für die parallelen Erzählfäden J und E nimmt Martin Noth eine gemeinsame frühere Grundschrift oder Grunderzählung (G) an, von der J und E abhängig seien. Diese Grundschrift habe bereits die Themen in miteinander verbundener Form enthalten.
(Vgl.: Lothar Ruppert, Einleitung in das Alte Testament (Teil I) - autorisierte Vorlesungsmitschrift (WS 1984/85) 80.) Zur Anmerkung Button

5 Der schwache Punkt seiner Hypothese liegt darin, dass es im Alten Testament nur spät formulierte Texte mit einem "Credo Israels" gibt.
(Vgl.: Annemarie Ohler, Grundwissen Altes Testament (Stuttgart 3. Auflage 1989) I/91.) Zur Anmerkung Button

6 Das heißt nicht, dass die Möglichkeit späteren Zuwachses nicht gegeben bleibt.
(Vgl.: Lothar Ruppert, Einleitung in das Alte Testament (Teil I) - autorisierte Vorlesungsmitschrift (WS 1984/85) 80.) Zur Anmerkung Button

7 Einer dieser Schwachpunkte, den Noth später teilweise selbst korrigierte, war die übertriebene Darstellung der Abhängigkeit der Entstehung eines Textes von örtlichen Gegebenheiten und anderen ätiologischen Aspekten.
(Vgl.: Lothar Ruppert, Einleitung in das Alte Testament (Teil I) - autorisierte Vorlesungsmitschrift (WS 1984/85) 80.) Zur Anmerkung Button