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Weiter-ButtonZurück-Button Das Ende des Staates Juda ⋅1⋅

1. Juda unter assyrischer und ägyptischer Oberhoheit

Juda blieb zunächst unter assyrischem Einfluss.

Es wies in König Hiskija (725/24-697/96 v. Chr.) noch einmal eine starke Herrscherpersönlichkeit auf und erlebte durch den Niedergang der Macht Assurs im beginnenden 7. Jahrhundert noch einmal eine Zeit der Selbständigkeit.

König Joschija (639/38-609/08 v. Chr.) führte eine großangelegte Reform durch, die in direktem Zusammenhang mit dem Buch Deuteronomium des Pentateuchs steht. Auf Joschija werden wir in diesem Zusammenhang denn auch noch einmal ausführlicher zu sprechen kommen.

Nach dem Zusammenbrechen des assyrischen Reiches war jedoch ein Machtvakuum entstanden. Im syrisch-palästinensichen Raum hatte nun Ägypten wieder die Vorherrschaft, wenn auch nur für kurze Zeit.

2. Der Aufstieg Babylons

Entscheidend für die weitere Geschichte dieses Raumes war, dass sich die Babylonier und die Meder, die beide die Nachfolge des assyrischen Großreiches antreten wollten, über die Grenzen ihrer Einflusssphären einigten.

Die Meder beanspruchten Ostkleinasien und das iranisch-armenische Hochland während die Babylonier in der Folge das ganze Zweistromland und Palästina-Syrien als ihren Einflussbereich betrachteten.

3. Nebukadnezzars Erfolg über Ägypten

Den Anspruch über Palästina-Syrien konnten die Babylonier endgültig nach 605 v. Chr. geltend machen. Im Frühjahr dieses Jahres besiegte Nebukadnezzar, der damals Kronprinz von Babylon war und die Truppen anstelle seines erkrankten Vaters führte, die Ägypter bei Karkemisch am Eufrat. Die ägyptische Streitmacht wurde geschlagen und in der Provinz Hamat völlig aufgerieben.

Damit kam Palästina-Syrien unter babylonische Herrschaft. König Jojakim von Juda (608/607-598/97 v. Chr.), der ab 608/07 v. Chr. über Juda herrschte, wurde zum Vasallen Nebukadnezzars.

Nebukadnezzar war nach dem Tode seines Vaters am 15./16. August des Jahres 605 v. Chr. König der Babylonier geworden.

In den folgenden Jahren war er in verschiedenen Feldzügen damit beschäftigt, seine Herrschaft in Syrien zu festigen.

4. Juda kündigt die Vasallentreue auf

Als im Jahre 601/600 v. Chr. eine Schlacht zwischen Ägyptern und Babyloniern unmittelbar vor den Toren Ägyptens unentschieden ausging, witterte Jojakim offenbar eine Veränderung der Machtverhältnisse. Vermutlich war diese Schlacht der Anlass dafür, dass Jojakim Nebukadnezzar die Vasallentreue aufkündigte.

Nebukadnezzar unternahm zunächst keine entscheidenden Schritte gegen Juda. Er entbot lediglich babylonische, aramäische, moabitische und ammonitische Streifscharen zu geringfügigen Strafaktionen.

5. Nebukadnezzars Feldzug gegen Juda

Erst im Dezember 598/97 v. Chr. setzte Nebukadnezzar seine Truppen in Marsch. Wahrscheinlich war die Nachricht vom Tod Jojakims der Grund dafür.

König Nebukadnezzar wollte mit seinen Truppen verhindern, dass Jojachin, der Sohn und Nachfolger Jojakims, seine Herrschaft konsolidieren konnte. Es war klar, dass Jojachin die Politik der Unabhängigkeit von Babylon fortzusetzen gewillt war.

Nach kurzer Belagerungszeit und ohne nennenswerten Widerstand kapitulierte Jerusalem am 16. März 597. ⋅2⋅

Um die Verhältnisse in Juda neu zu ordnen und ein Aufflackern des Widerstandes gegen Babylon zu verhindern, setzte Nebukadnezzar Jojachin ab und ließ ihn samt Familie und Hofstaat nach Babylon transportieren. Mit ihnen mussten auch die obersten Beamten, der Adel, die Facharbeiter - unter ihnen wohl vor allem die Festungshandwerker - und die wehrfähigen Männer Jerusalems nach Babylon ziehen. Nach Jeremias Angaben waren es insgesamt 3023 Personen (Jer 52,28).

Darüber hinaus erhob Nebukadnezzar schweren Tribut aus dem Tempel- und Palastschatz.

6. Juda als Vasallenstaat Babylons

Selbstredend setzte Nebukadnezzar den König Jojachin ab und ernannte dafür einen Onkel des Königs zum neuen König über Juda. Es handelte sich dabei um Mattanja, einen Sohn Joschijas. Er war König von Juda von 597/96-587 v. Chr.

Den Namen des neu eingesetzten Königs änderte Nebukadnezzar von Mattanja in Zidikija. Dies sollte ein Zeichen des Verfügungsrechtes Nebukadnezzars über den neuen König sein.

Nebukadnezzar gliederte Juda also zunächst nicht als Provinz in das Babylonische Reich ein, sondern ließ es als Vasallenstaat unter einem eigenen König bestehen.

7. Aufkündigung der Vasallentreue durch Zidikija

Zidikija hielt die Vasallentreue einige Jahre.

Bald aber gewannen Kreise auf ihn Einfluss, die eine schnelle Wendung der Lage zugunsten Judas erhofften.

Der Prophet Jeremia warnte eindringlich vor einem Abfall von Babylon. Er rief zur Unterwerfung unter den Willen Jahwes auf. Für Jeremia hieß dies in dieser Situation Treue gegenüber dem König von Babylon. Denn dieser wurde, seiner Meinung nach, von Gott als Werkzeug benutzt (vgl. Jer 27-29).

Jeremia wurde daraufhin als Verräter verfolgt.

Unter dem Druck der öffentlichen Meinung und dem Einfluss seiner Ratgeber beging Zidikija schließlich die Torheit, das Vasallenverhältnis zum König von Babylon zu kündigen.

Er tat dies offenbar im Vertrauen auf ägyptische Hilfe.

8. Der zweite Feldzug Nebukadnezzars gegen Juda

Nebukadnezzar beantwortete diesen Abfall mit einem Feldzug gegen Juda. Der Feldzug begann im 9. Regierungsjahr Zidikijas, also im Jahr 589 v. Chr.

Ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen, besetzten die babylonischen Truppen in kurzer Zeit das gesamte Gebiet Judas. Dabei wurden, wie Ausgrabungen erkennen lassen, zahlreiche Siedlungen zerstört und Festungsanlagen geschleift.

Außer Jerusalem vermochten die beiden Festungen Lachisch und Aseka den Angreifern am längsten zu trotzen (Jer 34,7).

In einem der Tortürme von Lachisch wurden auf Tonscherben geschriebene Meldungen von Außenposten an den Festungskommandanten von Lachisch gefunden. Eine dieser Meldungen gibt Nachricht vom Fall der Festung Aseka:

"Wir achten auf die Signalzeichen von Lachisch ... die (Zeichen) von Aseka sehen wir nicht (mehr)." ⋅3⋅

Im Verlauf des Jahres 588 v. Chr. wurde Lachisch erobert und - wie der Ausgrabungsbefund zeigt - durch Brand zerstört.

Tatsächlich eilte ein ägyptisches Heer Zidikija zu Hilfe (Jer 37). Doch Nebukadnezzar musste die Belagerung Jerusalems nur kurze Zeit unterbrechen, um dieses Heer zurückzuschlagen.

9. Der Fall Jerusalems

Nach anderthalbjähriger Belagerung - die Besatzung war durch Hunger und Seuchen geschwächt - gelang es den Babyloniern am 29. Juli 587 v. Chr. eine Bresche in die Festungsmauer Jerusalems zu schlagen und in die Stadt einzudringen.

Zidikija machte den Versuch, in das Ostjordanland zu entkommen, wurde aber von den Babyloniern bei Jericho gefangengenommen und nach Ribla in Syrien gebracht. Dort hielt sich Nebukadnezzar auf.

Vor den Augen Zidikijas ließ Nebukadnezzar die Söhne Zidikijas hinrichten. Zidikija selbst ließ er blenden und gefangen nach Babylon führen.

Etwa einen Monat nach der Eroberung Jerusalems zerstörten die Babylonier, offenbar auf Befehl Nebukadnezzars, den Königspalast und andere Großbauten Jerusalems durch Brand. Die Befestigungsanlagen wurden geschleift.

Beim Brand des Tempels wurde höchstwahrscheinlich auch die Bundeslade, das alte Heiligtum Israels, vernichtet. Auf alle Fälle wird sie später nie mehr erwähnt.

Mit der Zerstörung des Tempels wollte Nebukadnezzar alle Hoffnungen, die sich an das Heiligtum hätten knüpfen und so zu neuen Aufständen hätten führen können, zunichte machen.

10. Erneute Deportation

Unter der Bevölkerung nahmen die Babylonier eine soziale Umschichtung vor.

Die Angehörigen der Oberschicht und des Adels, die nach der Deportation von 597 v. Chr. noch im Lande verblieben waren, wurden nun nach Babylon verbannt - nach Jer 51,29 handelt es sich dabei um 832 Personen.

Eine weitere Deportation von 745 Personen erfolgte im Jahre 582 v. Chr. (Jer 52,30). Die Zahl der Deportierten betrug demnach - wenn wir den einzelnen Angaben trauen können - insgesamt 4600.

Im Land verblieben vor allem die unteren Schichten der Landbevölkerung.

Dabei ist anzunehmen, dass die Babylonier die Bevölkerung, die keinen Grundbesitz hatte, mit dem Besitztum des deportierten Landadels belehnten.

Die Deportation der Oberschicht bedeutete für Juda zweifellos einen empfindlichen Verlust. Zahlenmäßig handelt es sich dabei jedoch nur um einen kleinen Prozentsatz der Bevölkerung. Die große Masse des Volkes, vor allem die unteren Schichten der Landbevölkerung, verblieb im Land.

Eine Anzahl von Priestern, Offizieren und Hofbeamten sowie 60 Angehörige des Landadels ließ Nebukadnezzar in Ribla hinrichten. In diesem Personenkreis sah er offenbar die treibenden Kräfte einer Unabhängigkeitsbewegung Judas. Sie waren für ihn somit die Hauptverantwortlichen für den Abfall Judas von Babylon.

All diese Maßnahmen ergriff Nebukadnezzar, um ein Wiederaufflackern des Aufstandes gegen Babylon in Juda künftig unmöglich zu machen. ⋅4⋅

11. Unterschiede zur Deportation der Israeliten durch die Assyrer

Nebukadnezzar machte mit der Eigenstaatlichkeit Judas endgültig ein Ende und gliederte es als Provinz ins babylonische Reich ein.

Er ließ jedoch nicht, wie das einst die Assyrer in dem zur assyrischen Provinz gemachten ehemaligen Nordstaat getan hatten, eine fremde Oberschicht in Juda ansiedeln.

Er setzte vielmehr einen Judäer zum Statthalter ein. Es handelte sich dabei um Gedalja, den Sohn eines hohen Beamten mit Namen Ahikam. Dieser hatte einst unter Jojakim den Propheten Jeremia geschützt (Jer 26,24; vgl. 2 Kön 22,12. 14).

12. Die Ermordung Gedaljas und das Schicksal Jeremias

Gedalja residierte nicht in Jerusalem, sondern in Mizpa (tell en-nasbe) im Norden der Provinz Juda.

Dies tat er entweder, weil Jerusalem zu stark zerstört war, um als Statthaltersitz in Frage zu kommen, oder aber weil Nebukadnezzar bewusst alle Hoffnungen, die sich mit der alten Königstadt hätten verbinden können, zerstören wollte.

Gedalja war nach allem, was wir wissen, ein besonnener Mann. Er verfolgte die Politik der Unterwerfung unter die Babylonier.

Nach kurzer Regierungszeit wurde er von einem gewissen Ismael aus uns unbekannten Gründen ermordet.

Im Zusammenhang mit der Ermordung Gedaljas ließ Ismael 80 Pilger aus dem Gebiet des ehemaligen Staates Israel, die auf dem Weg nach Jerusalem waren, um dort Opfer darzubringen, und nun Station in Mizpa machten, ermorden. Er tat dies wahrscheinlich, um ein schnelles Bekanntwerden der Ermordung Gedaljas zu verhindern.

Aus Furcht vor der Rache Nebukadnezzars flüchteten die Mörder Gedaljas zu den Ammonitern. Die Einwohner Mizpas flohen aus dem gleichen Grund nach Ägypten. Sie zwangen dabei den Propheten Jeremia mit ihnen den Weg anzutreten. Jeremia hatte zuvor eindringlich vor der Flucht nach Ägypten gewarnt. Über ihr weiteres Schicksal und das des Propheten ist nichts mehr bekannt.

Wir haben auch keine Nachricht darüber, wie Nebukadnezzar auf die Ermordung seines Statthalters reagierte. Es ist auch nicht geklärt, ob er als Nachfolger Gedaljas wiederum einen Judäer oder nun einen Angehörigen eines fremden Volkes einsetzte. Vielleicht machte er Juda aber auch zu einem Teil der Provinz Samaria. Zu Beginn der persischen Zeit war dies schließlich der Fall (2 Kön 25; Jer 39-44).

AUSBLICK

Mit dem Hinweis darauf, dass die Deportierten, als eben die Perser die babylonische Herrschaft abgelöst hatten, nach 538 v. Chr. wieder nach Palästina zurückkehren konnten, soll dieser Überblick zunächst einmal unterbrochen werden. Wir werden ihn, wenn wir die Zeit zwischen den Testamenten in den Blick nehmen, wieder aufnehmen.

Nun aber wollen wir uns den Schriften des Alten Bundes selbst zuwenden.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Vgl.: Martin Metzger, Grundriß der Geschichte Israels (Neukirchen 5. Auflage 1979) 135-140. Zur Anmerkung Button

2 In der "Babylonischen Chronik" findet sich über dieses Ereignis folgende Notiz:
"Im 7. Jahre im Monat Kislew bot der König von Akkad seine Truppen auf und zog in das Hattu-Land (=Palästina/Syrien). Gegen die Stadt von Juda (=Jerusalem) schlug er sein Lager auf, und im Monat Adar am 2. Tage nahm er die Stadt ein. Er nahm den König gefangen. Einen König nach seinem Herzen setzte er in ihr ein. Ihren schweren Tribut nahm er entgegen und ließ ihn nach Babylon bringen"
(Vgl.: 2 Kön 24,10-17; 2 Chr 36,10).
[Näheres zur Interpretation und Bedeutung dieser Notitz: Martin Noth, Die Einnahme von Jerusalem in Jahre 597 v. Chr. (Zeitschrift des Deutschen Palästinavereins 74, 1958, S. 133-157; = Aufsätze I, S. 111-132.]
(Vgl.: Martin Metzger, Grundriß der Geschichte Israels (Neukirchen 5. Auflage 1979) 136.) Zur Anmerkung Button

3 Zitiert nach: Martin Metzger, Grundriß der Geschichte Israels (Neukirchen 5. Auflage 1979) 137. Zur Anmerkung Button

4 Aus Sach 7,2 und 8,19 geht hervor, dass man in der Exilszeit mehrere Male im Jahr an bestimmten Terminen zu Klagefeiern zusammenkam. Sie waren mit Fasten verbunden und fanden aller Wahrscheinlichkeit nach vor den Trümmern des zerstörten Heiligtums statt. Einen erschütternden Einblick in die Verhältnisse unmittelbar nach der Katastrophe von 587 v. Chr. bieten die Klagelieder, in denen uns die Liturgie jener Klagefeiern erhalten ist: Das Land hat schwer gelitten. Der Krieg forderte zahlreiche Tote (Klgl 1,20c; 2,21), entsetzlicher Hunger wütete bei der Belagerung (Klgl 1,11; 2,11. 20; 4,4; 4,10), Frauen wurden geschändet (Klgl 5,11). Die Festungen sind zerstört (Klgl 1,2; 2,8-9). Dadurch ist das Land den streifenden Beduinenhorden schutzlos preisgegeben, so dass die Ernte nur unter Lebensgefahr eingebracht werden kann (Klgl 5,9). Die Bevölkerung wird zu Frondiensten herangezogen (Klgl 5,13). Eine Steuer liegt auf Wasser und Holz (Klgl 5,4). Die Rechtsprechung liegt im argen (Klgl 3,35-36).
(Vgl.: Martin Metzger, Grundriß der Geschichte Israels (Neukirchen 5. Auflage 1979) 138-139.) Zur Anmerkung Button