Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Kanonentscheidungen in den außerabendländischen Kirchen ⋅1⋅

1. Die alte Ostkirche

Parallel zu dieser Entwicklung in der westlichen Kirche gab es natürlich auch in der griechischen Kirche Auseinandersetzungen um die Frage nach dem Umfang des alttestamentlichen Kanons. Vor allem die Auseinandersetzung um die Ansichten Theodors von Mopsuestia machten eine Entscheidung notwendig.

So wurde im Jahre 692 n. Chr. auf dem im Kuppelsaal von Konstantinopel stattfindenden Konzil, dem sogenannten Trullanum oder auch Synodus trullana, die Bestimmungen der oben genannten nordafrikanischen Plenarkonzilien übernommen. Dadurch erkannte die damals von der lateinischen Kirche noch nicht getrennte, aber doch völlig selbständige Ostkirche den gleichen Kanon an, wie ihn auch die Westkirche festgelegt hatte.

2. Die griechisch-orthodoxe Kirche

Der im Jahre 1638 n. Chr. gestorbene Patriarch Kyrillus Lukaris versuchte dann noch einmal gegen diesen Beschluss des Trullanums den 60. Kanon des Partikularkonzils von Laodizea aus dem 4. Jahrhundert n. Chr., der ja die deuterokanonischen Schriften nicht enthielt, verbindlich zu machen.

Daraufhin bekannten sich aber gegen die Meinung des Patriarchen von Konstantinopel mehrere orthodoxe Synoden zu den deuterokanonischen Schriften; und zwar

  • schon 1638 in Konstantinopel,
  • 1642 in Jassi, im heutigen Rumänien
  • und 1672 eine Synode in Jerusalem.

Erst später begann man in der Ostkirche die deuterokanonischen Schriften zu verwerfen. Dies war vor allem in der russischen Kirche der Fall. Ihre Theologen gerieten verstärkt in den Einfluss der Reformationskirchen.

Eine offizielle kirchenamtliche Stellungnahme der Orthodoxie steht aber bis heute aus. Es handelt sich bei der Verwerfung der Deuterocanonica in der orthodoxen Kirche also eher um eine theologische Lehrmeinung als um eine allgemeine Lehräußerung.

3. Die syrisch-orthodoxe Kirche

In der syrisch-orthodoxen Kirche fehlen ebenfalls einschlägige kirchenamtliche Entscheidungen. Die alten syrischen Bibelübersetzungen und deren bedeutendsten Handschriften, wie etwa der Peschitta-Codex von Mailand und die nach Origenes bearbeitete syrische Bibelübersetzung, die sogenannte "Syro-Hexaplaris", enthalten die Deuterocanonica ganz allgemein.

Im Peschitta-Codex von Mailand ist sogar die syrische Baruch-Apokalypse enthalten.

Auch ist es nachweisbar, dass die syrischen Kirchenschriftsteller die meisten deuterokanonischen Bücher für ihre Argumentation verwendet haben.

4. Die koptische Kirche

Die koptische Kirche hielt ebenfalls an den deuterokanonischen Schriften fest. Sie hat den gleichen Kanon wie die römisch-katholische Kirche.

5. Die äthiopische Kirche

Der Kanon der äthiopischen Kirche enthält von den deuterokanonischen Schriften die Bücher

  • Tobit,
  • Judit,
  • Weisheit,
  • Jesus Sirach,
  • Baruch
  • sowie die beiden Makkäbäer-Bücher

als Anhang. Darüber hinaus betrachtet die äthiopische Kirche dann aber sogar auch die Bücher

  • Henoch,
  • 4 Esra
  • und 3 Makkabäer

als kanonisch. Das Henoch-Buch ist übrigens überhaupt nur durch diesen Umstand und in dieser Version vollständig erhalten geblieben.

6. Die armenische Kirche

Die armenische Kirche scheint unter dem Einfluss der Juden oder einiger griechischer Väter ihren Kanon auf die protokanonischen Bücher beschränkt zu haben. Die früheren führenden armenischen Kirchenschriftsteller des 5. Jahrhunderts n. Chr. haben die Deuterocanonica zwar uneingeschränkt verwendet, später aber werden diese Schriften nicht mehr zitiert.

7. Die anderen Ostkirchen

Ansonsten benutzen die anderen orthodoxen bzw. altorientalischen Kirchen alle den umfangreicheren Kanon der Septuaginta.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkung

1 Vgl.: Lothar Ruppert, Einleitung in das Alte Testament (Teil I) - autorisierte Vorlesungsmitschrift (WS 1984/85) 31-41. Zur Anmerkung Button