Unser Gottesdienst
Verstehen, deuten, neue Wege beschreiten
"Freude vor Jahwe" - konkretes Erleben und Wunsch
Nichts ändert sich - aber das viel zu schnell; Eintöniges Allerlei oder "let's fetz"? Gottesdienst als Versammlung von Alt und Jung. Gruppengottesdienste contra Gemeindemesse; Feiern im Brennpunkt verschiedenster Erwartungen, Vorstellungen und Wünsche
- Farbfernsehen und "erneuerte" Liturgie
- Liturgiereform als Geschichte
- Neues Unverständnis
- Zeichen neuer Erstarrung
- Wann bitte gab's denn ein Konzil?
- Welches Feiern meinen wir eigentlich?
- Keine vorschnelle Rechthaberei
- Liturgie und der einzelne Mensch
- Was ich mir erwarte
- ... so unterschiedlich wie die Menschen
- Vom Auseinanderbrechen in einzelne Gruppen
- Die Gemeinde und ihr Gottesdienst
- Gottesdiensttourismus
- Miteinander glauben feiern
- Was wir wollen und was Gott will...
Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass vor bestimmten Sendungen im Fernsehen ein Würfel eingeblendet wurde. Er drehte sich und unter ihm verkündete eine Schrift, dass das nun folgende Programm "in Farbe" ausgestrahlt würde.
Wir sahen diesen Würfel allerdings immer nur in verschiedenen Grautönen, denn über mehr als einen Schwarzweißfernseher verfügten wir damals nicht.
Wenn man das heute Kindern erzählt, dann schauen die einen ganz ungläubig an. Dass Fernsehen farbig ausgestrahlt wird, das gehört bei uns heute so zur Selbstverständlichkeit, dass sich alles andere wie von einem fernen Stern anhört.
Farbfernsehen und "erneuerte" Liturgie
Ganz ähnlich geht es mir, wenn ich an die "erneuerte" Liturgie denke.
Vor dreißig Jahren wurde der Gottesdienst im Sinne des zweiten Vatikanischen Konzils erneuert - damals ein aufsehenerregender Einschnitt, der mindestens so bahnbrechend wie die Entwicklung des Farbfernsehens gewesen war.
Für mich ist diese "erneuerte" Liturgie die einzige, die ich kenne. Die alte tridentinische Messe, mit der viele - wenn nicht gar die meisten heutigen Gottesdienstteilnehmer - noch groß geworden sind, habe ich nie erlebt.
Liturgiereform als Geschichte
Die Begeisterung, die die Erneuerung der Messe damals ausgelöst hat - die Einführung der Landessprache, die neuen Texte, die neuen Dienste im Gottesdienst und die Entrümpelung der Liturgie -, dieses Aufatmen, das durch weite Teile der katholischen Welt ging, kenne ich nur aus den Geschichtsbüchern.
Und die Traurigkeit über den Wegfall liebgewordener Liedtexte, gottesdienstlicher Formen und überkommener Bräuche, das innere Unbehagen, bei der Übersetzung der Messtexte vom Lateinischen ins Deutsche, all das kann ich nur von Ferne erahnen.
Für mich ist die Form des Gottesdienstes, wie wir sie heute feiern, die einzige, die ich je erlebt habe.
Neues Unverständnis
Vieles bei dieser Art Gottesdienst zu feiern, ist aber nur verständlich, wenn man es auf dem Hintergrund des zähen Ringens mit der Tradition und der fest geprägten Struktur der Messfeier sieht, wie sie das Trienter Konzil im Jahre 1570 geregelt hatte.
Wer dieses jahrzehntelange Ringen aber nicht miterlebt, es sich nicht nachträglich aus Büchern erarbeitet hat oder sich einfach nicht dafür interessiert, dem werden weite Teile unseres heutigen Gottesdienstes völlig unverständlich bleiben - mindestens so unverständlich, wie die lateinische Messe es früher gewesen ist.
Wen die Dynamik des Konzils und die Welle der Begeisterung, die von ihm ausgehend damals unsere Gemeinden erfasste, bis heute noch trägt, der wird vielleicht immer noch voller Begeisterung vom "neuen" Messbuch und all seinen Möglichkeiten schwärmen.
Jugendliche, die nie etwas anderes, noch steiferes und weltfremderes, erlebt haben, werden von den Texten, die in einer Sprache jenseits aller moderner Lebenswirklichkeit verfasst wurden, kaum vom Hocker gerissen; geschweige denn, von den modernem Lebensgefühl immer fremder werdenden Gesten und seltsamen Gewandungen.
Das ist eine Entwicklung, die wir zumindest wahrnehmen müssen.
Zeichen neuer Erstarrung
Andererseits entdecke ich daneben eine wachsende Strömung, die mir mindestens genau so viel Sorge bereitet:
Nicht zuletzt bei jüngeren Kollegen kann man nämlich eine ganz ähnliche Entwicklung erkennen, wie sie damals, beim tridentinischen Ritus festzustellen war. Und der Grund dafür scheint mir gleichfalls darin zu liegen, dass man eben nie eine andere Liturgie kennengelernt hat.
Weil gottesdienstliche Feier nur so und nie anders erlebt wurde, gerät unsere Art zu feiern in die Aura des einzig möglichen und genau so und nicht anders von Gott gewollten Gottesdienstes, an dem weder ein Wort noch eine Geste verändert werden dürfe.
Wann bitte gab's denn ein Konzil?
Und als ob dies als Spannungsfeld für unser Nachdenken nicht schon völlig ausreichen würde, gibt es darüber hinaus natürlich auch noch die Beobachtung, dass mancherorts und in manchen Kreisen, das Konzil und seine Erneuerung auch nach über dreißig Jahren einfach noch nicht stattgefunden haben.
Die Situation, die in unseren Gemeinden begegnet, mutet mir manchmal so an, als hätte man vor 25, 30 Jahren einfach den Altar herumgedreht und angefangen Deutsch zu zelebrieren, aber sonst hat sich nichts, aber auch absolut nichts verändert - weder an der Art Pastoral zu treiben, noch am Bewusstsein, in dem wir Gottesdienst feiern.
Welches Feiern meinen wir eigentlich?
Das hat zur Folge, dass fast jeder eine ganz unterschiedliche und je persönliche Geschichte mit dem Phänomen Gottesdienst hat. Und diese Geschichte prägt auch die Vorstellung, das Empfinden und den Zugang zu Gottesdienst und Liturgie.
Wahrscheinlich gibt es deshalb auch so viele Missverständnisse und so viel Unverständnis, wenn wir über Gottesdienst und Liturgie sprechen.
Während die einen den Kopf schütteln, wenn ein Kind auch nur hustet, ist es für die anderen keine Frage, dass Kinder im Gottesdienst auch springen dürfen.
Während die einen nicht genug Action haben können, kann es für die anderen nicht still genug sein. Und wenn man dann miteinander darüber spricht, werden häufig nur noch die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, vor lauter Unverständnis darüber, dass auf der einen Seite die einen so verbohrt sein können, und auf der andere Seite die anderen überhaupt nicht mehr wissen, was sich denn in der Kirche gehöre.
Keine vorschnelle Rechthaberei
Jetzt könnte man natürlich hingehen und sagen: Eigentlich ist es ja ganz einfach. Es gibt amtliche Dokumente, die beschreiben, was Gottesdienst ist und wie man ihn zu feiern hat - da schauen wir doch ganz einfach hinein und dann wissen wir, wie es geht und was nicht geht, wer recht hat und wer eben falsch liegt.
Aber ich glaube, das wäre bei weitem zu einfach und der Sache auch alles andere als angemessen. Erstens ist es eben nicht so, dass die amtlichen Vorgaben alles bis ins Letzte regeln würden - wir werden im Verlauf unseres Nachdenkens feststellen, dass es eine ungeheure Bandbreite all dessen gibt, was selbst nach Vorgabe der liturgischen Richtlinien möglich und erlaubt ist - und dann kann es ja nicht einfach darum gehen, alle, die etwas anders sehen, einfach mundtot zu machen.
Liturgie und der einzelne Mensch
Ich habe das unterschiedliche Erleben von Liturgie eingangs ja ganz bewusst so breit dargelegt, um deutlich zu machen, dass es sich bei den unterschiedlichen Standpunkten nicht nur um irgendwelche Meinungen handelt. Es geht bei all diesem Erleben um einen Teil der jeweils eigenen und ganz persönliche Geschichte des Einzelnen. Und die eigene Geschichte kann man nicht so einfach außen vor lassen, die braucht ihren Raum und die muss in solchen Diskussionen auch Berücksichtigung finden.
Deshalb sollten bei Gesprächen und Diskussionen über Gottesdienst und Liturgie Sätze wie: "Sie haben da absolut nicht recht!" - oder: "Sie sehen das ganz und gar falsch!" eigentlich gar nicht vorkommen.
Gottesdienst ist ja nicht nur ein Ritus, den eben irgendjemand festgelegt hat. Und er ist auch nicht lediglich eine Pflichtveranstaltung, die ich nach bestimmten Regeln über mich ergehen lassen muss. Gottesdienst hat mit mir zu tun. Er ist ein Teil meines religiösen Erlebens und meines religiösen Empfindens.
Und wer da vorschnell von richtig und falsch spricht, der gerät rasch in die Gefahr, eben nicht über eine objektive Sache zu urteilen, sondern implizit auch mein religiöses Empfinden zu beurteilen und letztlich dieses Empfinden - und damit auch mich - abzuqualifizieren.
Was ich mir erwarte
Weil aber Gottesdienst feiern und mein Empfinden und meine Erwartung ganz stark miteinander verbunden sind, deshalb möchte ich, noch bevor wir irgendein Dokument anschauen oder nach irgendeiner Bedeutung fragen, zuallererst uns selbst in den Blick bringen.
Was erwarte ich mir eigentlich, wenn es um Gottesdienst geht? Was erhoffe ich mir? Und welche Erwartung knüpfe ich an solche Feiern?
... so unterschiedlich wie die Menschen
Da aber wird es dann endgültig unüberschaubar.
Eben haben wir auf die persönlichen Erfahrungen und die je eigene Geschichte mit Liturgie und Gottesdienst geschaut. Und schon da sind die unterschiedlichsten Zusammenhänge ans Tageslicht gekommen. Wenn es aber um Erwartungen und Wünsche geht wird das Feld erst wirklich uferlos.
Das wird mir manchmal bewusst, wenn ich vom Altar aus in die Reihen der Mitfeiernden blicke: Da sitzt die alte Frau, die rein akustisch Schwierigkeiten hat, überhaupt noch etwas zu verstehen. Dort sitzt die junge Familie, die während der ganzen Predigt Mühe hat, die Kinder einigermaßen beschäftigt zu bekommen. Dort sitzt die Mutter, die eigentlich nur hier ist, weil sie während der Erstkommunionvorbereitung pflichtbewusst ein gutes Beispiel für ihre Tochter sein möchte. Da ist der Lehrer, der sich eine Predigt erwartet, von der er etwas mitnehmen kann; dort die Hausfrau, die nur hofft, dass sie rechtzeitig zu Hause ist, weil um 12 Uhr das Essen auf dem Tisch stehen muss. Da ärgert sich jemand darüber, dass jener Verwandte, mit dem man doch schon seit Jahren Krach hat, sich tatsächlich traut, hierher zu kommen und dann auch noch zur Kommunion zu gehen. Und dort schläft eine Frau gerade ein, nachdem die Nacht wieder so furchtbar gewesen ist und in der Kirche doch wenigstens ein wenig Ruhe einkehrt - die allerdings an diesem Sonntag wieder dadurch zunichte gemacht wird, dass irgendeine Kindergruppe irgendeine lautstarke und unruhige Einlage vorbereitet hat.
Das soll ein Mensch unter einen Hut bringen! All diese unterschiedlichen Bedürfnisse, all diese ganz anders gearteten Erwartungen lassen sich doch gar nicht harmonisieren.
Vom Auseinanderbrechen in einzelne Gruppen
Ist es da verwunderlich, dass in der Folge des Konzils immer mehr Gruppengottesdienste entstanden sind? Je mehr man zur Kenntnis und auch ernst nahm, dass jeder einzelne ja auch seine ganz eigenen Bedürfnisse in diese Feier mitbrachte, desto stärker bildeten sich separate Feiern aus, die jeweils einem Anliegen gerecht werden wollten:
Frauen feiern extra ihre Frauenmesse, eigene Jugendgottesdienste sollen Jugendliche einbinden, das Altenwerk feiert seinen Altengottesdienst, und für Schüler gibt's den Schülergottesdienst. Das Choralamt zieht die Freunde des gregorianischen Chorals an, während Eltern mit kleinen Kindern, wenn der Kirchenchor singt, in den sogenannten Familiengottesdienst flüchten.
Solche Gruppengottesdienste, die spezielle Zielgruppen vor Augen haben, waren eine Antwort auf die eben skizzierte Situation.
Die Gemeinde und ihr Gottesdienst
Jetzt kann man darüber philosophieren, ob das eine glückliche Entwicklung war oder nicht; sie ist weithin Vergangenheit und - ob wir es wollen oder nicht - sie wird immer seltener werden.
Der Rückgang der Priesterzahlen, das Zusammenlegen von Gemeinden und die Reduzierung von Gottesdiensten machen den Gruppengottesdiensten in der gewohnten Form langsam aber sicher ein Ende. Die Gemeinde, die noch zum Gottesdienst kommt, wird immer stärker auf den einen Gemeindegottesdienst verwiesen werden.
Und der soll jetzt all den verschiedenen Situationen, in denen Menschen zum Gottesdienst kommen, gerecht werden...
Für diejenigen, die gerade einen Todesfall in der Familie haben, soll er nicht zu fröhlich sein, für diejenigen, die gerade Fasnacht feiern, darf er nicht zu trist sein, für die Senioren nicht zu modern und für die Jugendlichen nicht zu altbacken.
Eine Herausforderung, der man auf den ersten Blick eigentlich gar nicht gerecht werden kann.
Gottesdiensttourismus
Im eher städtischen Bereich entwickelt sich auf Grund dieser Gegebenheiten deshalb schon so etwas wie ein Gottesdiensttourismus. Ich setze mich halt ins Auto und suche mir die Gemeinde oder das Gottesdienstangebot, das meinen zeitlichen Vorstellungen meinen Erwartungen und meinem Gottesdienstsbild am ehesten entspricht. Dort treffen sich dann alle, die den Gottesdienst so und nicht anders haben wollen, und alle anderen fahren halt irgendwo anders hin oder bleiben eben weg.
Miteinander glauben feiern
Aber das kann ja nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Dann könnten wir den Gedanken an Gemeinde eigentlich gleich begraben.
Ich denke, dass noch etwas anderes möglich ist:
Wenn ich der Entwicklung, die wir augenblicklich wahrnehmen können, überhaupt einen Sinn abringen kann, wenn ich irgendwo meine - auch nur ganz von Ferne -, das Wirken des Heiligen Geistes ausmachen zu können, dann genau in der Tatsache, dass die momentanen Gegebenheiten die Menschen in den Gemeinden in einer Art und Weise wie sie vielleicht noch nie da gewesen ist, dazu zwingen zusammenzurücken.
Was wir wollen und was Gott will...
Und das verweist mich darauf, dass es da ja noch jemanden gibt, der Erwartungen an den Gottesdienst hat. Den aber haben wir bisher ganz außen vor gelassen. Und vielleicht meldet der sich hier ja.
Denn manchmal mutet es mir so an, als wolle der Gott, der uns beigebracht hat, dass er uns im anderen begegnet, und dass er dort ist, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, als wolle er gerade, dass diese unterschiedlichen Menschen mit all ihren unterschiedlichen Bedürfnissen über alle Schranken der Gesellschaft hinweg in dieser Feier zusammenfinden.
Das macht die Situation vor der wir stehen, nicht einfacher, aber sie wäre dann unsere große Aufgabe und die große Herausforderung unserer Zeit.
Es ginge dann darum, diese Feier so zu gestalten, dass sie uns einerseits zusammen und damit auch zu Christus führt, dass aber andererseits die jeweilige Geschichte des einzelnen, und seine Bedürfnisse - kurz: der Mensch und das Leben - in ihr vorkommt und eine Rolle spielt.
Wenn wir uns dieser Aufgabe stellen wollen, dann gilt es eine Fülle von Aspekten zu berücksichtigen. Und dazu möchte ich hier einfach ein paar Thesen vorlegen:
Erste These
Wenn unser Gottesdienst Menschen zusammenführen soll, dann muss der gemeinschaftliche Charakter auch im Vordergrund stehen.
Bei aller Notwendigkeit von Besinnung, Stille und persönlicher Meditation - diese gottesdienstliche Feier ist dann nicht zuerst der Platz zur Befriedigung solcher Bedürfnisse.
Spätestens jetzt wird es deshalb notwendig sein, sauber zu unterscheiden. Ich habe bisher bewusst ganz unterschiedslos und allgemein von Gottesdienst und Liturgie gesprochen. Wenn wir überhaupt eine Lösung finden wollen, dann sollten wir ab jetzt differenzieren.
Das Bedürfnis nach Stille und Meditation, die persönliche Begegnung mit meinem Gott haben ihren Platz dann nämlich zum einen im privaten Gebet dann aber auch in einer Fülle von Wortgottesdiensten, Andachten, Taizégebet, Bußfeiern und so weiter. Wenn es also um die persönliche Besinnung geht, müssen wir von solchen Gottesdiensten sprechen.
Der Gottesdienst am Sonntag, die Messfeier, ist die gemeinsame Feier der Gemeinde. Und auch wenn in ihr selbstverständlich Elemente der Besinnung und der Stille ihren Platz haben müssen, zunächst einmal geht es in der Messe um ein gemeinsames Feiern und dementsprechend auch um erlebbare Gemeinschaft.
Zweite These
Deshalb muss in der Messe auch zum Ausdruck kommen, dass hier eine Gemeinschaft feiert - und das insbesondere am Sonntag.
Selbstverständlich wird ein Gottesdienst immer von einzelnen Personen und Persönlichkeiten geprägt sein. Es kann aber nicht angehen, dass einzelne, auch nicht der Pfarrer, die Messe zur Spielwiese der eigenen Vorlieben verkommen lassen, und auf die konkrete Gemeinde und ihre Situation keinerlei Rücksicht genommen wird. Wenn die gemeinsam Feiernden in der gemeinsamen Feier gar nicht vorkommen, dann geht die Feier an den Menschen, für die sie ja eigentlich da sein soll, vorbei.
Dritte These
Wenn aber die Gemeinschaft im Gottesdienst zum Ausdruck kommen soll, dann muss sich auch die Unterschiedlichkeit der einzelnen Menschen in der konkreten Feier widerspiegeln.
Es kann dann nicht nur eine Musikrichtung etwa alle Gottesdienste dominieren. Die Bandbreite der Musik muss dann eben auch von der Hausmusik bis zum Sacro-Pop reichen, weil so unterschiedlich wie diese Musik auch die Geschmäcker der Menschen sind, die hier zusammenkommen.
Vierte These
Das wird manchmal zu ästhetischen Problemen führen.
Während des Jahres kann man sicher am einem Sonntag den Akzent eher auf diese am anderen Sonntag eher auf jene Gestaltung legen. Wenn aber beim zurückgehenden Angebot an Messen, an einem Festtag, der eine Gottesdienst der Gottesdienst der ganzen Gemeinde sein soll, dann wird die Gestaltung sicher nicht immer stilrein sein können.
Auch hier muss der Unterschiedlichkeit der Menschen Rechnung getragen werden.
Wenn beim musikalisch anspruchsvoll vom Chor gestalteten Gottesdienst ein Element, von Jugendlichen eingebracht wird oder ein Lied gesungen werden soll, das einem guten Teil der Mitfeiernden wichtig ist, obwohl es eigentlich zum übrigen Rahmen nicht so recht passen will, dann werden ästhetische Fragen erst einmal zurückstehen müssen. Toleranz den Bedürfnissen des anderen gegenüber ist da wichtiger als stilreine Gestaltung.
Fünfte These
Toleranz scheint sowieso das wichtigste Stichwort zu sein.
Wenn nicht einfach ein Ritus abgespult, sondern den Bedürfnissen der Einzelnen Rechnung getragen werden soll, dann muss ich auch bereit sein zu akzeptieren, dass dieses oder jenes Element andere anspricht, während es mich vielleicht sogar abstößt.
Gottesdienstliche Gemeinde ist dann wie eine Familie. In einer Familie werde ich die anderen Familienmitglieder auch nicht immer aus vollem Herzen lieben. Das ist aber auch gar nicht notwendig. Manchmal reicht es schon, wenn ich den anderen in seinen Eigenarten in Liebe ertrage.
Sechste These
Bleibt abschließend nur zu bemerken, dass mir bei all dem wichtig zu sein scheint, dass die Grundstimmung der Messfeier von Hoffnung und Freude geprägt ist.
Nicht jeder Tag ist zwar dazu geeignet, die Puppen tanzen zu lassen. Aber wir feiern am Sonntag in der Messe, dass Jesus Christus den Tod überwunden hat und dass er lebt. Das ist eine Frohe Botschaft und diese Freude und Erlöstheit, muss demnach auch in unseren Feiern zum Ausdruck kommen.
Gottesdienst, der mit Trübsal blasen einhergeht, dient vielleicht allen Göttern, nur nicht dem Gott, den die Bibel verkündet. Denn dieser Gott, ist der Gott des Lebens, ein Gott, der uns zum Leben führen möchte und der uns in Jesus Christus die Fülle des Lebens geschenkt hat. Ihn und unseren Glauben an ihn zu feiern, heißt ein Freudenfest zu begehen.
Deshalb muss in unseren Gottesdiensten auch zum Ausdruck kommen, dass wir auf der Grundlage unseres biblisch begründeten Glaubens miteinander feiern.
Und biblisch betrachtet, ist Gottesdienst nun einmal nichts anders als Freude vor Jahwe.
(Dr. Jörg Sieger)
Unser Gottesdienst -
verstehen, deuten, neue Wege beschreiten