... auf der Spur Jesu

Dokumentation eines gemeinsamen Weges


Predigt beim 2. Treffen

am 10. Dezember 2012 in Paul-Gerhardt

Wer ist dieser Jesus und was ist er nicht? - Versuch einer Annäherung

Achim Schowalter

Jesus faszinierte damals die Menschen.

Er faszinierte Menschen so sehr, dass sie ihn immer wieder aufsuchten. Ab und an hielt sich Jesus am See Genezareth auf, und die Menschen sammelten sich um ihn. Er war in Häusern, und es wird erzählt, dass die Häuser so voll waren, dass niemand mehr hineinpasste. Der Zöllner Zachäus ist auf einen Baum gestiegen, um Jesus wenigstens zu sehen und vielleicht ein paar Wörter von ihm mitzubekommen. Eine kranke Frau wollte einfach heimlich in der Nähe Jesu sein. Und im Evangelientext (Mk 1,21-28) haben wir gerade gehört, wie die Menschen fasziniert und entsetzt waren: Seine Art von Gott zu reden und im Auftrag Gottes zu handeln ist von einer "anderen" Wirklichkeit und Macht getragen.

Die Faszination und der Rummel um Jesus waren so groß, dass er manchmal in den frühen Morgenstunden in die Einsamkeit geflohen ist, um alleine zu sein und Zeit für das Gespräch mit seinem Vater zu haben

Jesus faszinierte damals die Menschen.

Aber es gab auch schwierige Stunden bei Jesus.

Als Jesus einmal seine Predigt beendet hatte, wandten sich viele von ihm ab. Was er gesagt hatte, hatte viele verstört und geärgert. Da fragte Jesus seine Jünger: "Und ihr, wollt ihr auch gehen?"

Lukas erzählt, wie die Menschen von Jesus nach seiner "Antrittspredigt" in seiner Heimatstadt Nazareth zuerst begeistert waren und dann so verärgert, dass sie Jesus aus der Stadt hinaus getrieben haben und ihn umbringen wollten.

Und kurz vor seiner Gefangennahme war Jesus im Tempel. Als er sah, wie der Tempel eher einer Räuberhöhle als einem Gebetshaus glich, stieß er die Tische der Geldwechsler und Verkäufer um und trieb diese mit seiner Peitsche hinaus; dabei dürfte er sich nicht nur Freunde gemacht haben.

Jesus fasziniert - und Jesus provoziert und ist anstößig.

So wie Lea im Anspiel (Anm: Theaterstück im Gottesdienst) gerade, dürfte es damals vielen Menschen gegangen sein: Jesus ist irgendwie anders.

Jesus ist anders als die Menschen der führenden religiösen Gruppen:

Anders als die Priester und Sadduzäer, die Religion und Politik und philosophisches Wissen geschickt verbinden, um ihre Macht und ihren Einfluss zu erhalten.

Anders als die Zeloten, die Eiferer, die so von der Durchsetzung des Reiches Gottes entflammt waren, dass sie auch Schwert und Dolch in die Hand nahmen, um den Reich Gottes nachzuhelfen.

Anders als die Pharisäer, die Gottes Gebote so ernst nahmen, dass sie diese Gebote durch viele andere Gebote schützten - bis es oft nicht mehr um Gottes Gebote ging, sondern nur noch um die Gebote.

Auch anders als die Essener, die den Abstand zu der oft so gottlosen Welt suchten und sich daraus in die Gemeinschaft der vermeintlichen Heiligen zurückziehen.

Jesus teilte die Leidenschaft für die heiligen Schriften, die innige Erwartung des Reiches Gottes, die Ernsthaftigkeit des täglichen Glaubens und die notwendige Distanz zu gottlosem Treiben.

Aber das führte ihn nicht aus der Welt hinaus, sondern hinein; das ließ ihn den Geist von Gottes Wort suchen und nicht den Buchstaben; das ließ ihn den Menschen als Bild Gottes, als ein Gegenüber Gottes sehen - mit seinen Schönheiten und Stärken, mit seinen Schwachheiten, mit seiner Schuld und mit seiner Bedürftigkeit nach Liebe - und den Menschen in den Mittelpunkt stellen.

Wer war diese Jesus?

Er faszinierte - und er provozierte und war anstößig

Wir stehen heute noch am Anfang des Weges mit der Spurensuche - wir wollen uns an diesen Jesus herantasten, wir wollen uns ihm annähern. Den großen Themen Kreuz und Auferstehung vom Ende des Weges Jesu, die noch einmal ein neues Licht auf das Leben Jesus werfen, haben wir eigene Abende reserviert. Bleiben wir einmal am Anfang. Hermann Hesse hat in einem Gedicht einmal gesagt: "Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne." (Gedicht vom 4.5.1941) Ich glaube, dass dieser Anfang heute etwas Kostbares ist.

Ich möchte Ihnen heute zwei Fragen mitgeben: Was fasziniert Sie an Jesus? Und: Was provoziert Sie und ist für Sie anstößig?

Wir alle haben - wenn wir an Jesus denken - Bilder und Geschichten im Kopf, die unsere Ansichten von Jesus prägen.

Welches sind ihre Bilder, ihre Geschichten?

Die Geschichte oder das Bild

  • von der Anmut eines kleinen Kindes in der Krippe - wenn auch in widrigsten Verhältnissen;

  • von einem interessierten 12-jährigen Jungen, der die Theologen im Tempel verblüfft;

  • von einem beeindruckenden Prediger, der die Menschen in seinen Bann schlägt;

  • von einem mutigen Menschen, der sich den vermeintlich Frommen in den Weg stellt und ihre Heuchelei entlarvt;

  • von einem Sozialkritiker, der seinen Finger in die gesellschaftlichen Wunden gelegt hat;

  • von einem Feierfreudigen, der sich bei Zöllnern und Sündern einladen lässt und ihnen Gottes Reich verkündigt;

  • von einem Helfer, der Kranke heilt und ihnen neue Hoffnung gibt;

  • von einem Mann, der eine Frau, die beim Ehebruch ertappt wurde, vor dem Tod durch Steinigung rettet und ihr sagt. "Ich verdamme dich nicht!"

  • ...

Was prägt Ihr Jesus-Bild? Was fasziniert Sie? Was provoziert Sie?

Ich möchte jetzt keine Lösungen anbieten - nach dem Motto: "So sollen Sie es sehen ...", "aber das müsste man auch noch berücksichtigen...", "und überhaupt und so...". Ich möchte Sie losschicken auf Spurensuche. Ich möchte Sie losschicken und Sie ermutigen: Tasten Sie sich ran!

Eine Frau, die sich einmal an Jesus herangetastet hat, hat erlebt, dass Jesus die größte Wunde Ihres Lebens heil gemacht hat und ihr eine neue Lebensperspektive gegeben.

Was wäre, wenn das auch bei uns passieren würde? Gehen wir auf Spurensuche! Amen.

(Achim Schowalter)