... auf der Spur Jesu

Dokumentation eines gemeinsamen Weges


Weiter-Button Zurück-Button 4. "Was ihr einem der Geringsten getan habt" -
für wen Jesus eintrat

Zur Vorbereitung auf den Mittwoch, 20. Februar 2013, in St. Anton

Jesus war kein Einsiedler, er lebte unter und bei den Menschen. Ihn begleiteten Freundinnen und Freunde. Welchen Menschen war er nahe und warum? Was bedeutet das für unser Menschenbild?

Vergleiche hierzu: Hans Küng, Jesus (München 2012) Seite 141-184

Um was geht es?

Jesus erwartet eine ganzheitliche Ausrichtung auf Gott. Das heißt: Gott - nicht Geld und Eigentum, Recht und Ehre, nicht einmal den Eltern und der Familie - soll das ungeteilte Herz gehören. Das biblische Wort für Umkehr ist in diesem Sinne gemeint: Es geht um eine Neuausrichtung des Lebens.

Vorbild für diesen neuausgerichteten Menschen ist für Jesus das Kind. Vielleicht kommt Gottes Sohn genau deshalb als Kind auf die Welt. Ein Kind ist klein, hilflos und selbstverständlich bereit, sich helfen und beschenken zu lassen. Ein Kind braucht auch nichts zu leisten, um Fürsorge und Liebe zu erhalten. Deshalb beginnt die Bergpredigt auch mit den Seligpreisungen und nicht etwa mit neuen Pflichten des Menschen oder Gesetzen, die ihm auferlegt werden.

Wie Eltern von einem kleinen Kind, so verlangt auch Gott nichts für sich oder seine Ehre. Er will das Wohl des Menschen. Im Vordergrund steht demnach Gottes Heilswillen und nicht, dass der Mensch etwas für sein Seelenheil leisten müsse. Weil Gott ein menschenfreundlicher Gott ist, deshalb ist sein Reich auch bestimmt von Leben, Freude, Freiheit, Friede und Glück.

Diese Menschenfreundlichkeit Gottes begründet dann aber die Menschenfreundlichkeit des Menschen. Der Dienst am Mitmenschen ist wichtiger als bloße Gesetzeserfüllung. "Gottesdienst" entschuldigt nie vom Menschendienst. Nicht jeder Menschendienst ist schon Gottesdienst, aber Gottesdienst bewährt sich im Menschendienst. Echter Gottesdienst muss immer Dienst am Menschen sein und echter Menschendienst ist Gottesdienst.

Hier ist wichtig, noch einmal zu betonen, dass Jesus diesbezüglich in der Tradition der alttestamentlichen Propheten steht. Im Blick auf den Menschen in Not wird Jesus - ganz ähnlich wie die Propheten - auch kämpferisch. Jesus war nicht nur mild, sanftmütig, duldsam. Das Jesusbild eines Franziskus oder des Pietismus oder auch das hierarchische Jesusbild des 19. und 20. Jahrhunderts kommen hier an ihre Grenzen. Der Pfarrerssohn Nietzsche konnte das schwächliche Jesusbild seiner Kindheit nicht mit den Aussagen des Evangeliums mit ihrer Kritik an Hierarchie und Theologie zusammenbringen - und er hat dabei Recht.

Liebe zum Nächsten als "Hauptgebot"

Die Ausdrücke "der Nächste" und "Liebe" kommen im Markus-, Matthäus- und Lukas-Evangelium recht selten vor. Nichtsdestoweniger wird die Liebe zum Nächsten als Hauptgebot bezeichnet. Das Handeln Jesu selbst ist geprägt von echter Liebe zum Nächsten. Dies wird schon daran deutlich, dass es den Evangelien nicht um theoretische Abhandlungen über die Liebe geht. Die Tat ist wichtiger als darüber zu reden. Auch macht das Evangelium deutlich, dass Gottes- und Menschenliebe nicht gegeneinander ausgespielt werden können. Liebe zu Gott ist zugleich Liebe zu den Menschen. Gottesliebe wird in der Liebe zum Menschen konkret.

Allerdings sind Gottesliebe und Menschenliebe auch nicht einfach dasselbe. Gott und Mensch sind eben nicht identisch! Gott bleibt der Herr der Welt und der Menschen. Deshalb ist Mitmenschlichkeit noch nicht automatisch Gottesliebe.

Im Alten Testament heißt es: "Du sollst den Herrn Deinen Gott lieben von ganzen Herzen, mit Deiner ganzen Seele und mit Deinem ganzen Denken..." Jesus verbindet diesen Satz aber mit einem weiteren alttestamentlichen Zitat: "... und Deinen Nächsten wie Dich selbst".

Also bin ich selbst der Maßstab: So wie ich von anderen behandelt werden will, so muss ich mit meinen Mitmenschen umgehen. Dies ist mehr als die sogenannte Goldene Regel besagt ("Was Du nicht willst, dass man dir tut, das füg auch keinem anderen zu")!

Damit meint Jesus aber nicht, dass man an Menschen Gutes tun solle, um vor Gott gut dazustehen. Die Liebe zum Menschen darf nicht verzweckt werden. Die Gesegneten in Jesu Weltgerichtsrede wissen gar nicht darum, dass sie Jesus bekleidet haben sollen, als sie sich der Nackten und Hilfsbedürftigen angenommen hatten. Sie hatten es einfach um der Menschen willen getan.

Es geht allerdings auch nicht um einen abstrakten Humanismus allen Menschen gegenüber. Solch eine allgemeine Haltung ist viel einfacher als die Hinwendung zum konkreten Menschen. Es ist also nicht mit Spenden an die hungernden Kinder in Afrika getan, während ich die kranke Nachbarin links liegen lasse. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter macht klar, wer mein Nächster ist: Es ist der konkret in Not geratene Mensch - ganz egal, ob ich ihn kenne oder ob er ein Fremder ist.

Die Liebe zum Anderen ist nicht ausschließlich dem Christentum eigen. Menschenliebe kannte schon Konfuzius. Nächstenliebe gibt es auch in der hebräischen Bibel. Rabbi Hillel (um 20 v. Chr.) sagt, sie sei die Summe des geschriebenen Gesetzes. Und auch im Islam gibt es die Liebe zum Mitmenschen.

Aber nirgendwo findet man ansonsten Feindesliebe. Dieses Gebot ist Jesus eigen und damit ur-christlich. Während in allen anderen Religionen Ungerechtigkeit vergolten werden soll, kann ich nach Jesus den Menschen mit all seinen Fehlern lieben, weil auch Gott mich bedingungslos liebt.

Hans Küng vermutet, dass Jesus sich nur zu den Juden gesandt fühlte, sonst hätte die Urgemeinde keine solch harten Auseinandersetzungen um die Heidenmission geführt. Jesus habe darüber hinaus aber eine große Offenheit gezeigt - faktisch habe er also doch einen Universalismus im Blick gehabt. Dafür sei der Samariter, den er den Juden als Vorbild nennt, ein gutes Beispiel: Der Gute ist in seinem Gleichnis ein Fremder, ein Nichtjude. Das bedeutet im Letzten: Vollkommene Nachahmung Gottes kennt nicht mehr Freund und Feind und Fremden. Gott ist der Vater aller!

Liebe im Sinne Jesu bedeutet vor allem Vergebung. Deshalb steht diese Bitte auch zentral im Vater-Unser. Sie ist aber auch Dienst. Der Begriff Demut - verstanden als Dien-Mut - ist in diesem Zusammenhang ganz besonders wichtig. Liebe ist darüber hinaus aber auch Verzicht bis hin zur Selbstaufgabe. Dies darf aber nicht als Schwäche gedeutet werden.

Wenn auch die 10 Gebote die Grundlage für alles Zusammenleben bilden, übersteigt die Liebe jedes Gesetz. Paulus sagt, wer liebt, hat das Gesetz erfüllt. Augustinus formuliert dieser Linie folgend: "Liebe und tue, was Du willst".

Die Armen der Bergpredigt

Jesus Verkündigung ist kein leeres Gerede. Sie deckt sich mit seiner Person und seinem Verhalten. Wunderheiler gab es viele und immer wieder. Das alleine wäre nicht besonders aufsehenerregend gewesen.

Dazu muss man wissen, dass Krankheit zur Zeit Jesu als Folge von Schuld galt. Deshalb waren Kranke gesellschaftlich abgestempelt. Nach den Aussagen des Johannesevangeliums hat Jesus diese Ächtung abgelehnt.

Aber Jesus war mehr als ein Wunderheiler. Er wandte sich ganz den Armen zu. Zu Beginn der Bergpredigt preist er sie selig.

Wer sind nun diese Armen? Das Matthäusevangelium spricht von "Armen im Geiste". Das Lukasevangelium lässt diesen Zusatz weg und spricht neben den Armen auch von den Weinenden, Hungernden und am Rand Stehenden. Damit ist Lukas Jesus - nach Hans Küng - wohl näher.

Jesus selbst wird bei Lukas als arm geschildert - dafür steht der Stall, in dem er zur Welt kam. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Zimmermannshaushalt, in dem Jesus groß wurde, nicht wirklich für eine Herkunft aus der Schicht der Armen spricht. Zu ihnen gehörten die Handwerker in Israel sicher nicht. Aber sein Dasein als Wanderprediger und seine Botschaft waren auf die Armen und das Arm-Sein ausgerichtet. Jesus bezeichnet Reichtum als gefährlich für das Heil.

Wenn Jesus auf der Seite der Armen steht, ist das nicht im kommunistischen Sinn zu verstehen. Jesus lebte zwar von dem, was seine Anhängerinnen und Anhänger ihm gaben, aber er predigt keinen generellen Verzicht. Den gibt es auch in der Urgemeinde nicht.

Die Botschaft an die Armen ist bei Jesus keine Vertröstung auf das Jenseits. Er spricht vom Glück der Armen, da Gott ihnen bereits voraus ist und Tröstung gibt.

Jesu Sprechen von Sorglosigkeit ist - nach Hans Küng - durchaus auf dem Hintergrund seiner Zeit und seinem geographischen Ort zu sehen: Nahrung gab es auf dem Feld, besondere Kleidung brauchte man nicht und eine Hütte konnte man leicht bauen. Auf unsere Gesellschaft ist das nicht eins zu eins zu übertragen. Dahinter steht aber die Botschaft von genügsamer Anspruchslosigkeit und vertrauender Sorglosigkeit. Es geht um eine innere Freiheit von Besitz. Nach Jesus können ökonomische Werte nie den ersten Rang einnehmen. Für ihn gibt es weit mehr als Bedürftigkeit nach materiellen Gütern. "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein!" - wie er sagt.

Jesus in schlechter Gesellschaft

Jesus ruft Menschen zu sich, die in äußerer Not - so das Lukasevangelium - oder in innerer Bedrängnis - so das Matthäusevangelium - sind. Aber er umgibt sich nicht minder mit den moralischen Versagern seiner Zeit. So heißt es im Evangelium: Er sei gekommen um Sünder zu berufen, nicht Gerechte. Jesus begab sich demnach in schlechte Gesellschaft: Er umgibt sich mit Zöllnern, Prostituierten und Ehebrecherinnen. Er setzte sich mit diesen Menschen nicht nur auseinander, sondern zusammen! Das ist für Juden unerträglich.

Er biedert sich nicht an, sondern zieht die Sünder zu sich hinauf. Dabei ist wichtig, dass er Gnade vor Recht ergehen lässt. Im Judentum gibt es Vergebung erst nach der Umkehr. Erst danach findet wieder eine Aufnahme in die Mahlgemeinschaft statt. Jesus aber isst mit den Sündern.

Wie bei der Liebe geht es auch bei Gnade und Barmherzigkeit nicht um eine theoretische Abhandlung. Auch diese Worte kommen als Begriffe im Neuen Testament selten vor. Es geht um den wirklichen Vollzug, wie er im Gleichnis vom verlorenen Sohn geschildert oder konkret im Umgang beispielsweise mit den Zöllnern zum Ausdruck gebracht wird.

Dabei verkündet Jesus die Liebe des Vaters. Er spricht den Sündern zwar die Vergebung zu, sagt damit aber, dass Gott diesem Menschen vergibt. Auch wenn er sich damit nicht an Gottes Stelle setzt, ist diese autoritative Art und Weise Gnade auszuüben ein Skandal. Daraus entsteht ein Konflikt auf Leben und Tod.

Hintergrundinformation: Gesetz und Liebe

Die Wortwurzel des arabischen Begriffs "taslim" (Ergebenheit) ist die gleiche wie die für das Wort "Frieden" ["salam"] und "Islam". Von daher kann man Islam - vom Begriff her - beschreiben als: "Ergebenheit gegen den im Gesetz geoffenbarten Willen Gottes". Nach Hans Küng wäre das für einen Christen aber zu wenig. Liebe bedeutet das Ende der Kasuistik. Sie kann sogar Gebote aufheben. Maßstab der Liebe ist nämlich der Nächste, der Mensch. Wenn mein Nächster in Not ist, wiegt das schwerer als etwa das Gebot, den Gottesdienst zu besuchen.

Zum Weiterdenken:

Vögel des Himmels

Vögel

Foto: Elisabeth Storck

"Deswegen sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, dass ihr etwas anzuziehen habt. Ist nicht das Leben wichtiger als die Nahrung und der Leib wichtiger als die Kleidung? Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie? Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine kleine Zeitspanne verlängern? Und was sorgt ihr euch um eure Kleidung? Lernt von den Lilien, die auf dem Feld wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Doch ich sage euch: Selbst Salomo war in all seiner Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen.

Wenn aber Gott schon das Gras so prächtig kleidet, das heute auf dem Feld steht und morgen ins Feuer geworfen wird, wie viel mehr dann euch, ihr Kleingläubigen! Macht euch also keine Sorgen und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen? Denn um all das geht es den Heiden. Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles braucht.

Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben.

Sorgt euch also nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jeder Tag hat genug eigene Plage." (Matthäus 6, 25-34)

Wie schwer ist es, diesen Text anzunehmen!? Krankheit, Schule, Arbeit, Druck, die täglichen Sorgen, sie machen uns vertrauende Sorglosigkeit, wie sie Jesus fordert, sehr schwer. Wie gern möchte ich mich in Gottes Hand fallen lassen, glaubend vertrauen, aber dann wache ich morgens auf - früh - zu früh - und all die Gedanken, Fragen des Alltags quälen mich...

Marieluise Gallinat-Schneider

Wie kann ich Jesu Nähe erfahren?

Welchen Menschen war Jesus nahe und warum? Eigentlich sollte es heißen: "Welchen Menschen ist Jesus nahe". Dabei stellt sich sofort die nächste Frage: "Wie kann ich Jesu Nähe erfahren"?

Wer den täglichen Druck in Schule oder im Beruf erfährt und aushalten muss - wie oft gilt das für Mütter mit Kindern - und dabei ein sensibles und feines Einfühlungsvermögen besitzt, kann trotz positiver Einstellung zum Leben Gefahr laufen, mit Angstzuständen konfrontiert zu werden. Natürlich ist der erste Gedanke, solch ein feinfühliger Mensch müsse zunächst in therapeutische Behandlung, um zu lernen, mit seinen Ängsten umzugehen - was ja auch nicht falsch ist. Wie ergeht es dem Menschen nach so einer Therapie? Er wird ins freie Leben geworfen. "Du hast nun alles über deine Ängste erfahren - auch, wie damit umzugehen." Und nun steht dieser Mensch da vor seinem ersten Arbeits- und Schultag. Wenn man sich in die Lage dieser Person versetzt, kann man spüren, wie es Jesus am Ölberg in seiner Angst erging.

Es gibt da ein hilfreiches Wort im Evangelium: "Seid gewiss. Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt." (Matthäus 28,20)

Elisabeth Storck

Verdienst für den Himmel

Gutes tun
Gebote halten
in die Kirche gehen
....
alles für das Konto bei Gott
Nein, sagt Jesus, so nicht
Kein Anspruch
Keine Aufrechnung
Kein Lohn für "Leistungen"
Sondern
Gnade
Barmherzigkeit
Geschenk

Gertrud Willy

Ein besonderer Impuls:

begleitende Veranstaltung am Samstag, 16. März 2013
Beginn: 16.00 Uhr im Pfarrzentrum St. Paul.

Die Bildwerke des Mittelalters sind lesbare Verkündigung. Durch diese Bilder haben die Menschen, die nicht lesen und schreiben konnten, ihre Bildung erhalten.

Anhand der Tafel des Isenheimer Altares soll dem Christusbild des Meister Mathis und damit der Christusbotschaft des Mittelalters nachgespürt werden. Es ist eine Botschaft insbesondere für den leidenden Menschen und der Versuch einer Antwort auf die drängende Frage, wie man dem Leid in diesem Leben begegnen kann.

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