Kleine Kirchengeschichte
Armutsbewegung, Häresien und Inquisition
Als Reaktion auf die im Grunde machtpolitischen Auseinandersetzungen sowie die verheerende Auswirkung der Kreuzzüge, finden wir im 12. Jahrhundert erneut eine starke Bewegung, die das Christsein wieder auf das Wesentliche führen wollte.
Ruine Montségur. In den Palisaden der Burg
wurden 1244 ca. 200 Katharer verbrannt.
Foto: Jörg Sieger, August 2016
Nur - wie so oft, wenn das Pendel so stark in eine Richtung ausgeschlagen hatte -, ging es auch hier nicht ohne Übertreibung und Extreme ab.
1. Die Waldenser und Katharer
So gründete in Lyon Petrus Waldes (*1173/76) die nach ihm benannte Laienbewegung der Waldenser. Waldes verschenkte sein ganzes Vermögen und predigte ein radikales Christentum, das immer extremere Formen annahm. 1184 wurde seine Bewegung verboten.
An dieser Stelle ist auch die Katharerbewegung zu nennen. Von Kreuzfahrern wurde dieses manichäisch-dualistische Gedankengut ins Abendland gebracht. Die Lehre der Katharer besagte, dass die Welt vom Teufel - der sei nämlich der böse Gott des Alten Testamentes - geschaffen worden sei. Der gute Gott des Neuen Testamentes habe dann seinen Engel, nämlich Jesus Christus, gesandt, um die Menschen zu befreien und sie als die Reinen, die "katharoi", daher Katharer, zum Himmel zu führen.
In Köln lässt sich dieses Gedankengut 1143 nachweisen, von dort aus verbreitete es sich über Frankreich nach Italien. Diese Gruppen der Katharer waren recht radikal und scheuten vor Streit nicht zurück. Die eigentlichen Auseinandersetzungen entzündeten sich letztlich, als in einigen Gebieten katharische Gruppen die jeweilige Obrigkeit angriffen.
2. Die Inquisition
Das Endergebnis war, dass Peter II. von Aragon die Katharer im Jahre 1197 zu Staatsfeinden erklärte.
Wie eng hier aber Staatsinteressen und die Sache der Kirche bereits miteinander verflochten waren, zeigt die Tatsache, dass bereits das 3. Laterankonzil harte Beschlüsse gegen die Katharer erlassen hatte - dies aber jetzt nicht zuerst auf Betreiben der Kirche, sondern vor allem auf Intervention von Ludwig VII. von Frankreich und Heinrich II. von England hin.
Und dass die staatliche Macht diese kirchliche Verurteilung auch gerne in die Tat umsetzte, war nicht zuletzt dadurch motiviert, dass die Güter der Verurteilten durch den Staat eingezogen werden konnten. Dies bedeutete in jedem Fall eine nicht unbeträchtliche Zusatzeinnahme des Staates.
Vom Begriff "Katharer" leitet sich dann übrigens in der weiteren geschichtlichen Entwicklung das Wort "Ketzer" ab.
Damit sind wir auch bereits bei einem der dunkelsten Kapitel der Kirchengeschichte angelangt. Papst Innozenz III. versuchte nämlich, das Vorgehen gegen solche ketzerischen Gruppierungen zu ordnen. Er ließ daher nach dem üblichen kirchlichen Prozessrecht ein Verfahren entwickeln, das als Inquisitionsverfahren in die Geschichte eingegangen ist.
Im Jahre 1231 führte die Anwendung dieses Verfahrens gegen die Ketzer zur Bestellung regelrechter päpstlicher Inquisitoren. Und im Jahre 1252 ermächtigte Innozenz IV. diese Inquisitoren dazu, die jeweiligen Geständnisse selbst mit der Folter zu erpressen. Damals ein sicher nicht unübliches Verfahren auch im weltlichen Bereich - es bedarf dennoch keinerlei Kommentierung. Schweigen wir lieber beschämt angesichts der Gräueltaten, die von hieraus ihre Spuren in der Geschichte hinterlassen haben.
3. Die Bettelorden
Es gehört zu den bemerkenswertesten Zusammenhängen in der Geschichte unserer Kirche, dass parallel zu und im Zusammenhang mit diesen Ereignissen ein Aufbruch zu verzeichnen war, der das Erscheinungsbild von Kirche letztlich verändern sollte.
a. Franz von Assisi und die Franziskaner
Im Jahre 1209/10 zog nämlich Franz von Assisi (*1181/82) mit seinen Gefährten nach Rom, um von Papst Innozenz III. die Bestätigung seiner Gemeinschaft und die Beauftragung mit dem Predigtdienst zu erlangen. Hier haben wir einen Aufbruch vor uns, der ebenfalls vom Bemühen getragen war, dem Anspruch des Evangeliums gerecht zu werden. Und aus der Tat dieses einzelnen Mannes erwuchs eine Bewegung, die wenige Jahrzehnte später ganz Europa erfasste.
Im Jahre 1221 gab Franz seiner Bewegung eine Regel, bevor er am 3. Oktober 1226 verstarb.
Bereits 1212 hatte sich der weibliche Zweig, der Orden der Heiligen Klara, unter die geistige Führung des Franz von Assisi gestellt und im Jahre 1221 wurde der sogenannte III. Orden gegründet, eine Bewegung, die Menschen im Alltag ermöglichen sollte, nach den Prinzipien des Heiligen Franz zu leben.
Der Zulauf zu diesen Orden und die Popularität war so groß, dass sie für die etablierten kirchlichen Einrichtungen bald sogar zu einem Dorn im Auge wurden.
b. Dominikus und die Dominikaner
Im gleichen Atemzug wie Franz ist auch der 1170 in Kastilien geborene Dominikus zu nennen. Im Jahre 1204 hat er die Katharerbewegung und die verderblichen Auswirkungen dieser Bewegung kennengelernt. Von daher legte er in seiner Gründung großen Wert auf eine fundierte theologische Ausbildung. Von Franz von Assisi hingegen übernahm Dominikus das strenge Armutsidal, was auch seiner Bewegung ihre Überzeugungskraft gab. Im Jahre 1216 wurde der Priesterorden bestätigt. 1217 entstand der Zweig der Dominikanerinnen.
c. Weitere Orden
Als weitere Orden aus dieser Zeit sind die Augustiner-Eremiten und die Karmeliten zu nennen, von denen letztere im Jahre 1228 aus dem Heiligen Land nach Europa übersiedelten. 1452 wurde deren weiblicher Zweig gegründet.
Alle diese Orden gewannen ungeheure Bedeutung, was die Volksseelsorge anging. Und sie brachten nicht zuletzt die bedeutendsten Theologen des Mittelalters hervor.