... auf der Spur Jesu

Dokumentation eines gemeinsamen Weges


Weiter-Button Zurück-Button 3. "Abba, Vater" -
der Gott, den Jesus verkündet

Zur Vorbereitung auf den Dienstag, 22. Januar 2013, in St. Paul

Was war das für ein Reich, das dieser Jesus verkündete? Und von welchem Gott spricht er? Was unterscheidet seine Predigt von der der übrigen Prediger seiner Zeit und was bedeutet das für uns?

Vergleiche hierzu: Hans Küng, Jesus (München 2012) Seite 105-137

Um was geht es?

Jesus sagt nicht: "Ich bin Gottes Sohn, glaubt an mich", so wie es die Wanderprediger um den Philosophen Kelsos im 2. Jh. n. Chr. taten, die mit dem Anspruch auftraten, Gott oder Gottes Sohn zu sein. Stattdessen ist die Sache Jesu "die Sache Gottes in der Welt". Mitte der Verkündigung ist das Reich Gottes. Dies ist ein Reich, in dem Gottes Name wirklich geheiligt wird, sein Wille auf Erden geschieht, die Menschen die Fülle des Lebens haben, Schuld vergeben und das Böse überwunden ist - kurz: ein Reich, in dem die Bitten des Vater-Unser gelten. Die Armen, Hungernden, Weinenden kommen zum Zuge; Schmerz, Leid und Tod haben ein Ende.

Wichtig ist, deutlich zu machen, was dieses Reich Gottes nicht ist: Dass es nicht um eine Königsherrschaft über Israel und die Welt im Sinne irdischer Herrschaft geht, wird bereits von daher deutlich, dass Jesus - wie auch Paulus - mit dem unmittelbar bevorstehenden Ende dieser Welt gerechnet hat. Deshalb ist das Gottesreich auch nicht identisch mit dem institutionalisierten Katholizismus des Mittelalters oder der Gegenreformation, nicht mit Calvins Theokratie (= Gottesstaat) oder dem apokalyptischen Reich Thomas Müntzers. Es geht auch nicht um ein Reich der Sittlichkeit und bürgerlichen Kultur und erst recht nicht um ein Reich, wie es der nationalsozialistischen Ideologie entsprach. Das Reich Gottes, das Jesus verkündet, lässt sich nicht verweltlichen.

Es lässt sich aber genauso wenig nur innerlich verstehen. Es ist keine Projektion unerfüllter Wünsche wie bei Feuerbach, Marx oder Freud.

Gott ist nicht über oder außerhalb der Welt, er ist nicht existentialistisch oder idealistisch in uns. Gemäß der Botschaft Jesu ist Gott vor uns, als der Kommende, Zukünftige. Auch wenn das für die nächste Zukunft erwartete Ende der Welt ausgeblieben ist - wir alle wissen: Menschenleben und Menschheitsgeschichte sind nicht ewig. An deren Ende steht jedoch nicht das Nichts, sondern Gott, das Reich Gottes.

Die Botschaft von Gott, der auf uns zukommt, bedeutet aber nicht, dass die Welt ein Jammertal sei, das es - in Erwartung einer besseren Zukunft - eben auszuhalten gilt. Die Welt kann in ihrem So-Sein nicht einfach als gegeben hingenommen werden. Jede und jeder kann sich für Gott entscheiden und umkehren. Es geht um eine Uminterpretation des Lebens, eine neue Lebenseinstellung, ein neues Leben überhaupt.

Wunder Jesu

Die Worte Jesu bereiten heute, in einer technisch-naturwissenschaftlich aufgeklärten Welt, nicht so viele Schwierigkeiten wie die Wunder, von denen berichtet wird. Zur Zeit Jesu aber fragten die Menschen nicht, ob etwas möglich oder medizinisch machbar war, man fragte nicht danach, ob bei einem Wunder irgendwelche Naturgesetze ausgehebelt wurden. Wunder bedeuteten einfach Gottes Wirken durch einen Menschen bzw. in einem Menschen oder einfach in der Welt.

Man kann diese Wunderberichte der Evangelien nicht einfach als unhistorisch abtun. Spektakuläre bzw. anstößige Heilungen - etwa diejenigen am Sabbat - müssen stattgefunden haben, sonst hätte es darüber kaum eine solche Aufregung gegeben.

Auffallend ist, dass Jesus nur Glaubende heilen konnte. In Nazareth zum Beispiel konnte er "keine Machttaten wirken", weil die Menschen ihm nicht glaubten.

Eine besondere Rolle spielen die Dämonenaustreibungen. Dämonen galten oft als Ursache von Krankheiten. Solche Heilungen kann man durchaus als Heilungen von psychischen Zwängen durch die Hinwendung zu Gottes heiler Schöpfung betrachten. Unter keinen Umständen geht es hier um einen Kampf zwischen Gott und dem Teufel. Jesus lehrte nicht auf dem Hintergrund des persischen Dualismus, der davon ausgeht, dass dem guten Gott eine böse Macht gleichwertig gegenübersteht.

Wichtig ist auch, dass die eigentlichen Worte für Wunder (thaumata im Griechischen bzw. miracula im Lateinischen) im Neuen Testament keine Verwendung finden. Bei Johannes wird von Zeichen gesprochen, die um des Glaubens willen geschehen seien. Die Evangelien sprechen ansonsten einfach davon, dass Jesus mit göttlicher Vollmacht auftritt. Ausgangspunkt für eine Zeichenhandlung ist häufig Jesu Sympathie und Mitleid mit den Kranken, Schwachen, Vernachlässigten und von der Gesellschaft Ausgestoßenen.

Gesetz und Gebot

Jesus tritt als Verkünder und Ratgeber, als Heilender und Helfender auf. Er vertritt die Sache Gottes.

Gottes Sache wird von vielen frommen Menschen mit dem Befolgen des Gesetzes gleichgesetzt. Das Gesetz gibt Sicherheit, man weiß, woran man sich halten kann. Gesetze bieten nämlich Schlupflöcher. Deshalb neigt man ja auch dazu, Gesetzeswerke immer weiter zu verfeinern. Das mosaische Gesetz etwa kennt 613 Vorschriften, der Codex Iuris Canonici (= Das Gesetzbuch der Kath. Kirche) weist 1752 Canones (entspricht den Paragraphen eines Gesetzbuches) auf. Aber je feiner die Gesetze werden, desto zahlreicher auch die Schlupflöcher.

Jesus fühlt sich nicht als neuer Gesetzgeber. Er erlässt nicht einmal eine Ordnung für das Gebet. Das für Christen so wichtige Vater-Unser wird vom ältesten Evangelium nicht einmal überliefert und Matthäus und Lukas bringen es in ganz unterschiedlichen Fassungen. Das macht schon deutlich, dass es Jesus nicht um irgendeinen Wortlaut geht. Es geht ihm um die innere Einstellung im Sinne des Liebesgebotes und des Gehorsams gegenüber Gott.

Deswegen ist für ihn das geoffenbarte Gottesgesetz des Mose nicht die oberste Norm. Im Blick auf die Liebe setzt er sich darüber hinweg. Andererseits verschärft er Aussagen des Mose, etwa in den Antithesen der Bergpredigt. Es geht ihm immer um die Sache Gottes, nie um den Buchstaben eines Gesetzes.

Deshalb greife man nach Hans Küng auch zu kurz, wenn man von Jesus her ein sittliches Naturgesetz ableiten möchte. Jesus betrachte immer den einzelnen Fall. Von daher sei es auch zu einfach, beispielsweise die ablehnende Haltung der Kirche gegenüber der künstlichen Geburtenregelung - unter Verweis auf die Autorität Jesu - mit einem solchen sittlichen Naturgesetz zu begründen.

Die Praxis der Gemeinde

Auffallend ist, dass manche der Aussagen Jesu schon in den Evangelien entschärft werden. Die radikalen Forderungen Jesu, dass jeglicher Zorn unterbleiben, man nicht schwören solle und die Scheidung zum Schutz der rechtlich benachteiligten Frau bedingungslos verboten sei, werden beispielsweise schon im Matthäusevangelium mit Ausnahmen versehen. Dort werden (nur) bestimmte Schimpfworte und Schwurformeln genannt, die man nicht verwenden dürfe, und beim Verbot der Ehescheidung Ausnahme "außer wegen Unzucht" angeführt.

Jesus hat kein allgemeingültiges Gesetz erlassen. Er hat in konkrete Situationen hineingesprochen und in anderen Situationen und anderen Zeiten musste jeweils neu Position bezogen werden. Auch in der Frage des Eigentums gibt Jesus zum Beispiel keine klaren Anweisungen. Er spricht sich weder für noch gegen Eigentum aus. Die christlichen Gemeinden mussten ihre Position erst finden.

Das macht deutlich, dass die Worte Jesu schon in frühester Zeit heruntergebrochen werden mussten in einen Alltag, der schon nicht mehr von der Naherwartung des kommenden Reichs bestimmt war. Die Urgemeinde musste versuchen, Antworten auf Fragen zu geben, die das wirkliche Leben stellt. Es standen schließlich Menschen mit konkreten Problemen vor den Gemeindeleitungen.

Zum Weiterdenken:

Hans Küng verweist darauf, dass eine Wundergeschichte in der Regel einen geschichtlichen Kern hat. So betont er, dass die Erzählung von der Sturmstillung durchaus von einer Rettung aus der Seenot nach Gebet und Hilferuf ihren Anfang genommen haben kann. Damit können wir uns glaubend und fragend auseinandersetzen:

Der Gang Jesu auf dem Wasser

"In der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen; er ging auf dem See. Als ihn die Jünger über den See kommen sahen, erschraken sie, weil sie meinten, es sei ein Gespenst. Und sie schrien vor Angst. Doch Jesus begann mit ihnen zu reden und sagte: Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht! Darauf erwiderte ihm Petrus: Herr, wenn du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme. Jesus sagte: Komm! Da stieg Petrus aus dem Boot und ging über das Wasser auf Jesus zu. Als er aber sah, wie heftig der Wind war, bekam er Angst und begann unterzugehen. Er schrie: Herr, rette mich! Jesus streckte sofort die Hand aus, ergriff ihn und sagte zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?" (Matthäus 14, 25-31)

Der Text lädt ein, sich Gedanken zu machen, wie weit unser Vertrauen in Jesus und seine Botschaft gewachsen ist, zumal er bei Matthäus 28,20 spricht: "Seid gewiss. Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt".

Fragen wir uns: Wie kann unser Vertrauen in Jesu Worte wachsen?

Elisabeth Storck

Der Sturm auf dem See

Wolken

Foto: Elisabeth Storck

"Eines Tages stieg er mit seinen Jüngern in ein Boot und sagte zu ihnen: Wir wollen ans andere Ufer des Sees hinüberfahren. Und sie fuhren ab. Während der Fahrt aber schlief er ein. Plötzlich brach über dem See ein Wirbelsturm los: das Wasser schlug in das Boot und sie gerieten in große Gefahr. Da traten sie zu ihm und weckten ihn; sie riefen: Meister, Meister, wir gehen zugrunde! Er stand auf, drohte dem Wind und den Wellen, und sie legten sich und es trat Stille ein. Dann sagte er zu den Jüngern: Wo ist euer Glaube? Sie aber fragten einander voll Schrecken und Staunen: Was ist das für ein Mensch, dass sogar die Winde und das Wasser seinem Befehl gehorchen?" (Lukas 8, 22-25)

am 10. Oktober 2009 in der Bruchsaler Lutherkirche

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