... auf der Spur Jesu

Dokumentation eines gemeinsamen Weges


Weiter-Button Zurück-Button 1. Das Besondere des Christentums -
von der Vor-Liebe für Jesus Christus

Zur Vorbereitung auf den Sonntag, 18. November 2012, in St. Peter

Warum sind wir eigentlich Christen? Was unterscheidet uns von anderen Religionen? Warum lohnt es sich, sich für diesen Jesus einzusetzen, und wie kann das geschehen?

Vergleiche hierzu: Hans Küng, Jesus (München 2012) Seite 15-42

Um was geht es?

Hans Küng beginnt sein Buch damit, zu fragen, wer ist Christ, was bedeutet es, Christ zu sein. Im Wochenendseminar mit Gotthard Fuchs haben wir eine Antwort kennengelernt. Gotthard Fuchs sagt: "Christen sind Menschen, die eine Vor-Liebe für Jesus Christus haben." Küngs Antwort ist ganz ähnlich. Auf die Frage, was die 27 Bücher des Neuen Testaments zusammenhält, sagt er: Die Erinnerung an Christus. 20 Jahrhunderte christlicher Tradition werden durch diese Erinnerung zusammengehalten.

Das Besondere am Christentum ist dieser Jesus von Nazareth. Er ist kein Mythos, sein Leben lässt sich datieren. Er war ein wirklicher Mensch. Der Abstand zwischen dem Leben Jesu und der Entstehung des Neuen Testamentes ist kürzer und die Überlieferung zahlreicher als bei anderen Religionsstiftern. Wir haben erhaltene Evangelienhandschriften schon aus dem 3./4. Jh. n. Chr. Fragmente noch älterer Handschriften auf Papyri sind in der ägyptischen Wüste aufgetaucht. Es gibt ein Fragment des Johannesevangeliums vom Beginn des 2. Jh. n. Chr.

Wer aber war dieser Jesus? Markus und Johannes sagen nichts über seine Herkunft. Lukas und Matthäus nennen als Geburtsort Bethlehem, "damit sich die Schrift erfüllt". Auch Nazareth wird als Heimat genannt. Jesus wird häufig "Nazarener" genannt.

Geboren wurde er zur Zeit des Kaisers Augustus (27. v. Chr. - 14 n. Chr.) und des Herodes (27-4 v. Chr.). Vermutlich kam er also bereits 4-6 Jahre "vor Christus" zur Welt. Zur Zeit der Regierung des Kaisers Tiberius ließ er sich taufen, also wohl zwischen 27 und 29. n. Chr.

Wann sein öffentliches Auftreten begann, ist umstritten. Auch weiß man nicht genau, wie lange er öffentlich wirkte. Man rechnet mit einer Zeit zwischen einem oder drei Jahren. Die Evangelien machen hier unterschiedliche Angaben: Ein einziges oder gar drei Pessachfeste (so das Johannesevangelium)? Jesu Weg führte auf jeden Fall von Galiläa nach Jerusalem. Unter Pontius Pilatus wurde er verurteilt und hingerichtet. Dieser war von 26-36 n. Chr. Statthalter.

Die Evangelien sind keine Geschichtsbücher im eigentlichen Sinn. Sie berichten nicht, wie der historische Jesus gewesen ist. Hier schreiben Menschen, die nach Ostern zum Glauben gekommen waren, dass dieser Jesus der erhöhte Christus ist. Der "Sitz im Leben" der Evangelientexte - das heißt der ursprüngliche Entstehungsort und die ursprüngliche Verwendung - war der Gottesdienst der christlichen Gemeinden. Niedergeschrieben wurden sie zur Verlesung im Gottesdienst. Die Evangelien sind Glaubenszeugnisse. Ihr Charakter ist der einer Predigt.

Hintergrundinformation: Wie ist das Neue Testament entstanden?

Nein, niemand hat "Protokoll geführt", während Jesus gesprochen hat und niemand hat aufgeschrieben, was er wann wo genau getan hat. Alles, was wir von Jesus wissen, wurde zunächst mündlich überliefert. Wahrscheinlich wurden die Ereignisse um sein Sterben als erstes schriftlich niedergelegt - einige Exegeten meinen, dass dies schon wenige Jahre nach der Kreuzigung geschehen sein könnte. Die ältesten Schriften, die uns im Neuen Testament überliefert sind, waren Gelegenheitsschriften. Es sind die Briefe des Paulus, der auf konkrete Fragen seiner Gemeinden reagierte. Diese Schriften stammen aus der Zeit um 50 n. Chr.

Allgemein nimmt man heute an, dass das sogenannte "Markusevangelium" der älteste Bericht dieser Art über das Wirken Jesu von Nazareth ist. Er scheint einen bereits vorliegenden Bericht über die Kreuzigung zugrunde zu legen und um weiteres überliefertes Material - Worte Jesu und Wunderberichte - zu ergänzen. Geschrieben wurde dieser Text vermutlich um 70 n. Chr.

Die Evangelien nach Lukas und Matthäus scheinen auf dem Markustext aufzubauen. Sie verwenden darüber hinaus wohl eine Sammlung von Reden Jesu, die man in der Wissenschaft Quelle Q oder Logienquelle nennt. Sowohl das Lukasevangelium als auch der Matthäustext bieten dabei Abschnitte, die den übrigen Verfassern offenbar nicht bekannt waren. Diese nennt man Sondergut des Lukas bzw. des Matthäus. Beide Texte entstanden wohl um 90 n. Chr.

Diese drei Evangelien ähneln sich sehr stark. Sie bieten zum Teil wörtliche Übereinstimmungen. Man kann sie nebeneinanderlegen und gemeinsam betrachten. Von daher nennt man sie auch "synoptische Evangelien" (Synopse bedeutet soviel wie "Zusammenschau").

Das Johannesevangelium nimmt eine Sonderrolle ein. Es bietet wenig Material, das auch die anderen drei Evangelien berichten. Vielfach scheint es auf sehr alte Überlieferung zurückzugreifen, dürfte aber insgesamt erst um 100 n. Chr. entstanden sein.

Diese Theorie der Entstehung der Evangelien entstammt dem 19. Jahrhundert. Schon früh hat man um die ihr zugrundeliegenden Zusammenhänge aber gewusst. Auf dem Breisacher Altar aus dem 16. Jahrhundert etwa sind die vier Evangelisten dargestellt. Matthäus, Markus und Lukas tragen ähnliche Tracht, schreiben auch ineinander verschlungen, während Johannes - ganz anders gekleidet - abseits sitzt und sogar den Buchdeckel so hält, dass ihm keiner der anderen ins Konzept schauen kann.

So oder vielleicht ganz anders?

Schaferde in Israel

Nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel
oder zu allen "Schafenherden" dieser Erde...?

Foto: Ursula Groß

Auf Seite 36 schreibt Hans Küng: "Eine äußere und insbesondere eine innere, psychologische Entwicklung Jesu lässt sich aus den Evangelien nicht heraus-, sondern bestenfalls hineinlesen." Dies stimmt mit der Meinung sehr vieler Menschen überein. Der Gottessohn Jesus kann sich schließlich nicht entwickeln. Gott weiß doch alles - und dementsprechend muss auch Jesus allwissend gewesen sein. Dann aber muss er auch seine eigentliche Sendung von Anfang an gekannt haben. Und er muss sein eigenes Geschick dann doch bereits vorher gewusst oder zumindest geahnt haben!

Man kann an all diesen Vorstellungen jedoch durchaus Fragezeichen anbringen. In Jesus ist Gott wahrhaft Mensch geworden - kirchliche Lehre sagt: "In allem uns gleich, außer der Sünde." Dass Menschen lernen müssen und sich entwickeln gehört aber konstitutiv, also wesentlich, zum Menschsein dazu. So scheint es Jesus von Nazareth anfangs einzig und allein um Israel gegangen zu sein: "Geht nicht zu den Heiden, und betretet keine Stadt der Samariter" (Matthäus 10,5), sagte er seinen Jüngern, denn offensichtlich fühlte sich Jesus "nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt" (Matthäus 15,23).

Ein Ereignis in seinem Leben scheint dann aber so etwas wie ein Umdenken anzuzeigen: Im Gebiet von Tyrus kam eine Syrophönizierin - eine Heidin also - und bat ihn darum, dass er ihre Tochter gesund machen möge. Die grausame Art, auf die Jesus dieser Mutter gegenüber reagiert, dürfte man kaum im Nachhinein erfunden haben. Man legt dem Messias schließlich kaum etwas in den Mund, was ihn, den man verehrt, im Nachhinein schlecht macht. Jesus weist die Mutter hier aber auf grausamste Art und Weise ab: "Lasst zuerst die Kinder satt werden" - und damit meint er Israel -, "denn es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen" (Markus 7,27). Die Frau aber zieht sich nun nicht beleidigt zurück. Sie antwortet selbstsicher und mit einem ganz eigenen Stolz: "Ja, du hast recht, Herr! Aber auch für die Hunde unter dem Tisch fällt etwas von dem Brot ab, das die Kinder essen" (Markus 7,28). Diese Frau muss einen ungeheuren Eindruck auf Jesus gemacht haben. Er reagiert daraufhin, als ob es ihm wie Schuppen von den Augen fiele. Er heilt ihre Tochter und versteht seine Sendung in der Folge immer mehr als Sendung für alle Menschen.

Zum Weiterdenken:

leere Krippe

Diese Krippe ist bewusst leer. Sie will verhindern, dass man sich vorgefertigte Bilder macht, kann aber Projektionsfläche sein. Hier liegt nicht der niedliche Jesus, das blondgelockte Baby mit reinlichen Windeln. Das ist nicht das, was wir an Weihnachten feiern.

Es geht um die Menschwerdung, um den "heruntergekommenen" Gott, der Mensch wurde, der sich erniedrigt hat, um den Menschen gleich zu sein. Das Kleinmachen ist eine Stufe der Solidarität mit den Menschen.

Es geht an Weihnachten nicht darum, ob der 25. Dezember oder der 6. Januar das richtige Datum sind, ob Nazareth, Bethlehem, der Stall oder eine Höhle der Geburtsort sind, es geht um das Ereignis selbst. Und dieses Ereignis haut uns um. In der Krippe liegt all das, was sich Menschen erhoffen und ersehnen, der Friedensfürst, die Güte, die Gnade, die Liebe.

Was wünschen und erhoffen Sie sich in der Krippe?

Marieluise Gallinat-Schneider

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