Unser Glaube
Ein Versuch zeitgemäßer Antworten
"Schreib darauf alle Worte, die ich zu dir ... gesprochen habe." (Jer 36,2) - Die Bibel, Wort Gottes oder alles nur symbolisch?
Was sagt uns die Bibel? Ist sie wirklich Gottes Wort? Wie wörtlich ist sie zu nehmen? Ist wirklich alles nur noch symbolisch zu verstehen? Sagt sie tatsächlich das über Gott, was die Theologen dann geschrieben haben?
- Ein Lexikonartikel über das Phänomen Gewitter
- Was ist ein Gewitter wirklich?
- Die Grenzen naturwissenschaftlicher Beschreibung
- Gewitter im Gedicht
- Die vielen Dimensionen der Wirklichkeit
- Eine Verengung des Wirklichkeitsbegriffs
- Unterschiedliche Literaturgattungen und die Wirklichkeit
- Biblische Texte sind keine Lexikonartikel
- Die Evangelien sind keine Biographie
- Die Bibel als "Menschenwort"
- Zur Entstehung der biblischen Schriften
- Texte für den Gottesdienst
- Was macht diese Texte zum "Wort Gottes"?
- Die Bibel – inspiriertes und irrtumsloses Gotteswort
- Gotteswort in Menschenwort
- Wie frei darf man die Schrift interpretieren?
- Die rechte Auslegung der Schrift war immer schon umstritten
- Die entscheidenden Aussagen sind immer noch die gleichen
- Notwendigkeit wissenschaftlich verantworteter Exegese
- Die Grundbotschaft der Bibel
Wenn man zuverlässige Auskunft sucht, dann nimmt man ein Lexikon zur Hand. Dort werden ganz kurz und ganz präzise, wissenschaftlich exakt, Antworten auf die unterschiedlichsten Fragen gegeben.
Ein Lexikonartikel über das Phänomen Gewitter
Wenn wir beispielsweise wissen möchten, was ein Gewitter ist, dann gibt uns das Lexikon umfassende Auskunft. Es heißt dort etwa:
"Die theoretische Erklärung für die Entstehung eines Gewitters ist noch umstritten. Eine notwendige Voraussetzung ist offenbar die Gewitterwolke sowie die ausnahmslos beobachtete Ladungstrennung in ihrem Innern (positive Raumladung oben, negative unten) bei Temperaturen unter 0° C. [...] Wahrscheinlich spielt auch [...] die elektrochemisch nachweisbar größere Affinität von Wasser und Eis zu negativen Ionen eine Rolle, ebenso die noch wenig bekannte elektrische Polarisation der Eiskristalle." (aus: Der Große Brockhaus (1954))"
So etwa beschreibt das Lexikon das Phänomen Gewitter. Das ist ein Gewitter!
Was ist ein Gewitter wirklich?
Aber ist das wirklich ein Gewitter? Ladungstrennungen, elektrochemische Zusammenhänge …? Wäre ein Kind zufrieden, wenn Sie ihm so erklären würden, was ein Gewitter ist? Sind wir selbst mit dieser Erklärung denn zufrieden? - Wirklich zufrieden!? Ist die ganze Wirklichkeit eines Gewitters mit einem Lexikonartikel, mit chemischen, naturwissenschaftlichen Beschreibungen schon eingeholt?
Was ist mit allem, was ein Gewitter sonst noch ausmacht? Was ist mit meiner Erinnerung an meinen Teddy etwa, den ich als Kind beim Gewitter immer ganz fest in den Arm genommen habe? Was ist mit all den Gefühlen, dem, was ich erlebe, was ich empfinde, wovor ich mich fürchte, wenn es ein Gewitter gibt?
Die Grenzen naturwissenschaftlicher Beschreibung
Das Lexikon beschreibt ein Gewitter - und es tut dies wissenschaftlich exakt. Aber wir fühlen eben nicht wissenschaftlich. Und unsere Empfindungen und Erinnerungen kann die Wissenschaft nur schwer umschreiben. Wir empfinden mehr, als die Wissenschaft beschreiben kann. Der Artikel aus dem Lexikon ist deshalb nur ein Teil der Wirklichkeit. Gefühle, Empfindungen - all das, was Gewitter für jeden einzelnen von uns bedeuten kann - bleibt dabei außen vor.
Was aber ist dann ein Gewitter?
Gewitter im Gedicht
"O die roten Abendstunden:
Flimmernd schwankt am offenen Fenster
Weinlaub wirr ins Blau gewunden,
drinnen nisten Angstgespenster.
Staub tanzt im Gestank der Gossen.
Klirrend stößt der Wind in Scheiben.
Einen Zug von wilden Rossen
Blitze grelle Wolken treiben.
Laut zerspringt der Weiherspiegel.
Möwen schrein am Fensterrahmen.
Feuerreiter sprengt vom Hügel
und zerschellt im Tann zu Flammen.
Kranke kreischen im Spitale.
Bläulich schwirrt der Nacht Gefieder.
Glitzernd braust mit einem Male
Regen auf die Dächer nieder."
Diesen Text finden Sie nicht im Lexikon und auch in keiner wissenschaftlichen Abhandlung. Er ist schließlich keine naturwissenschaftliche Beschreibung. Es handelt sich vielmehr um das Gedicht "Der Gewitterabend" des österreichischen Dichters Georg Trakl (1887-1914).
Dieses Gedicht ist alles andere als ein wissenschaftlicher Text, aber doch beschreibt es all die Dimensionen, die für mich bei dem Begriff Gewitter mitschwingen. Und es tut dies viel intensiver, als es jeder nüchterne Lexikonartikel wiedergeben könnte.
Und vielleicht umschreibt es diese Gefühle gerade deshalb viel präziser, weil es eben kein naturwissenschaftlicher Text ist. Vielleicht umfasst es genau deshalb die vielen Dimensionen eines Gewitters viel wirklichkeitsnaher als das Lexikon.
Die vielen Dimensionen der Wirklichkeit
Warum ich das hier so breit schildere? Nun, weil ich denke, dass es uns in vielen Bereichen ganz ähnlich geht. Das, was wir erleben, ist fast immer vielschichtiger, als wir mit Zahlen und Messungen ausdrücken können.
Bei jedem Ding schwingen Gefühle, Empfindungen, Erinnerungen und ganz viel anderes mit. Jeder Bereich unserer Welt ist so vielschichtig und vieldimensional, dass er die Grenzen naturwissenschaftlicher Beobachtung fast immer sprengen muss.
Eine Verengung des Wirklichkeitsbegriffs
Und trotzdem haben wir uns in den letzten Jahrzehnten immer mehr einreden lassen, dass nur die Naturwissenschaft oder die Geschichtsschreibung, die Wirklichkeit exakt beschreiben würden. "Ist das historisch auch so gewesen?", fragen wir, und wenn man dies verneint, dann sagen wir: "Dann ist das also gar nicht wirklich so gewesen!?" Und wir haben dabei schon längst vergessen, dass Wirklichkeit weit mehr ist, als wir in historischen Zahlen und Daten oder physikalisch messbaren Größen wiedergeben können.
Die Wirklichkeit des Gewitters ist eben nicht nur die "Ladungstrennung" oder die "Temperatur" oder die "stärkere Affinität von Wasser und Eis zu negativen Ionen". Zur Wirklichkeit des Gewitters gehören auch meine Angst, die Erinnerungen, die Empfindungen, der Blitzeinschlag und das niedergebrannte Haus. Wirklichkeit besteht nicht nur aus Zahlen.
"Wirklichkeit" ist alles - das steckt in diesem Wort ja schon drin -, was seine Wirkung entfaltet; alles, was auf mich, auf andere und aus sich heraus wirkt.
Unterschiedliche Literaturgattungen und die Wirklichkeit
Viele dieser Dimensionen von Wirklichkeit werden von Gedichten, Bildern und Liedern - ja sogar von Märchen - weit besser und zutreffender beschrieben als von physikalischen oder historischen Abhandlungen.
Deshalb finden wir in der Bibel an den entscheidenden Stellen keine naturwissenschaftlichen Berichte und auch keine exakte Geschichtsschreibung.
Wir finden dort Lieder, poetische Texte, Bildreden, Erzählungen mit märchenhaften Zügen, Legenden und Gleichnisse. Dies alles sind Textgattungen mit denen man die Wirklichkeit, Gott und die Welt, und ihre Bedeutung für uns Menschen eben weit besser umschreiben kann als mit allen Zahlen dieser Erde. Und diese Textgattungen müssen wir auch als solche lesen: als Legenden, Gleichnisse, Bilder ...
Biblische Texte sind keine Lexikonartikel
Gerade diese bildhaften und legendarischen Texte sind in den letzten Jahrzehnten in die Krise gekommen. Der wichtigste Grund dafür dürfte sein, dass man sich in unseren Breiten immer stärker einreden ließ, dass nur das wirklich sei, was wissenschaftlich oder historisch belegt werden könne.
Wenn ein biblischer Bericht nicht Geschichtsschreibung oder naturwissenschaftlich exakte Darstellung ist, dann sind viele schon versucht zu sagen: "Dann stimmt ja alles gar nicht, dann ist es ja nicht wirklich so!" Biblische Berichte sind aber keine Lexikonartikel. Die Bibel will sagen, was die Dinge für uns bedeuten, nicht wie sie geworden sind oder was sich genau dabei zugetragen hat.
Wenn die Bibel dennoch zum Beispiel die Schöpfung schildert, dann ist es nicht ihr Anliegen, uns darüber zu informieren, wie die Welt genau entstanden ist. Sie will sagen, dass Gott die Welt geschaffen hat und dass die Dinge, die Gott ins Dasein ruft, gut sind. Nicht der genaue Ablauf der Ereignisse ist wichtig, sondern was diese Ereignisse mit Gott zu tun haben und vor allem, was sie für uns bedeuten.
Die Evangelien sind keine Biographie
Ähnlich ist es im Neuen Testament: Wenn zum Beispiel die Evangelien eine Biographie Jesu von Nazaret hätten sein wollen, dann hätten ihre Autoren sie von vornherein anders angelegt. In einer Biographie halten wir ganz andere Dinge fest, als sie die Evangelien berichten. Da schreiben wir davon, was sich wann und wo genau ereignet hat. Wir beschreiben denjenigen, um den es geht. Wir sagen, wie er sich zu kleiden pflegte, welche Ausbildung er durchlaufen hat, was ihn zu dieser oder jener Zeit bewegte …
Aber davon berichten die Evangelien nichts - weder die Körpergröße Jesu, noch seine Haar- oder Augenfarbe. Über den Zeitraum von beinahe 20 Jahren seines Lebens wird sogar gar nichts gesagt. All dies aber sind doch Themen, die einen Biographen brennend interessiert hätten!
Die Evangelien aber haben nur eingeschränkt biographisches Interesse. Es geht um die Bedeutung, die Jesus für uns hat: eine Dimension, die mit Zahlen und Fakten nur sehr schwer eingeholt werden kann.
Deshalb sind die Evangelien auch nicht so sehr die Geschichte des Jesus von Nazaret. Sie sind vielmehr niedergeschriebene Predigten über den Gottessohn, der in die Welt gekommen ist. Sie beschreiben in letzter Linie Historie. Sie berichten zuallererst, welche Bedeutung der menschgewordene Christus für uns Menschen hat.
Die Bibel - das sind Predigten über Gott und seinen Sohn Jesus Christus, Predigten von Menschen, gesammelt von Menschen, überliefert von Menschen und von Menschen niedergeschrieben.
Die Bibel als "Menschenwort"
Wenn ich das so formuliere, spreche ich von der Bibel als wäre sie reines Menschenwort. Für manche ist dies sicher schon eine Ungeheuerlichkeit. Aber es ist so: Mit Ausnahme vielleicht der Worte, die von Jesus selbst her überliefert sind, stammt jedes Wort der Bibel von Menschen.
Jedes Buch der alttestamentlichen und neutestamentlichen Schriften hat einen oder mehrere menschliche Verfasser, die in ihren Schriften deutlich ihre Spuren und die Spuren ihrer Zeit hinterlassen haben. Selbst unterschiedliche Stile lassen sich in den biblischen Büchern ausmachen.
Wenn die Bibel aber doch von Menschen niedergeschrieben wurde, wieso können wir trotzdem davon sprechen, dass sie Gottes Wort sei? Sie ist doch dann - wie jede andere antike Literatur - Menschenwort. Was macht sie zu etwas Besonderem: zu Gottes Wort, zur Heiligen Schrift?
Zur Entstehung der biblischen Schriften
Eine Zeit lang hat man es sich so zu erklären versucht, dass der Heilige Geist den biblischen Schriftstellern die Schriften gleichsam Wort für Wort ins Ohr geflüstert bzw. in die Feder diktiert habe.
Aber solch eine Vorstellung ist zu einfach. Die meisten Schriften der Bibel sind wie jede andere Schrift auch entstanden: einfach indem sie jemand geschrieben hat. Und die meisten biblischen Autoren haben nicht im Traum daran gedacht, dass sie jetzt heilige Schriften verfassen würden. Wenn Paulus sich hinsetzte, um einen Brief an eine vom ihm gegründete Gemeinde zu diktieren, dann wollte er einen Brief schreiben und keine Heilige Schrift.
Texte für den Gottesdienst
Aber die Texte des Neuen Testaments sind schon sehr früh gesammelt worden. Und vor allem: man hat sie im Gottesdienst vorgelesen. Und im Verlauf der ersten - sagen wir - 300 Jahre hat sich dann neben der hebräischen Bibel ein regelrechter "Katalog" von Schriften herausgebildet. Das waren Schriften, die man für geeignet hielt, sie im Gottesdienst vorzutragen.
Zeitweise verwendete man an manchen Orten noch andere Schriften, an anderen Orten verwendete man einige Texte überhaupt nicht, am dritten Ort wurde darum gestritten, ob man dies oder jenes nicht auch noch dazurechnen dürfe... Alles in allem war es ein jahrhundertelanger Prozess. Man hat ausgewählt, ausgeschieden, ausprobiert und wieder verworfen …
Allmählich hat sich dann in allen Teilkirchen eine einheitliche Sammlung heiliger Schriften herauskristallisiert.
Ein Historiker kann diesen relativ klar fassbaren Prozess geschichtlich beschreiben. Aber nirgendwo - von der Abfassung der Texte bis zur Sammlung als Kanon Heiliger Schriften - wird er das Eingreifen Gottes nachweisen können.
Was macht diese Texte zum "Wort Gottes"?
Sind diese Schriften dann tatsächlich mehr als andere antike Literatur? Was macht die Bibel dann zum Wort Gottes?
Es ist die Glaubensüberzeugung, dass nichts in der Geschichte einfach rein zufällig geschieht. Wir glauben daran, dass jede Zeit Gottes Zeit ist. Und wir glauben daran, dass Gottes Geist immer und überall "seine Finger mit im Spiel" hat - auch wenn dies kein Historiker und kein Naturwissenschaftler feststellen kann.
Ich habe ja eingangs zu zeigen versucht: Wirklichkeit ist viel umfassender als Geschichte oder Naturwissenschaften beschreiben können.
Dass in der kirchlichen Praxis am Ende des geschichtlichen Prozesses genau diese Schriften überall anerkannt waren, das ist - nach unserer Glaubensüberzeugung - im Letzten vom Geist so gefügt worden.
Die Bibel – inspiriertes und irrtumsloses Gotteswort
Wir sprechen davon, dass die Bibel Gottes Wort enthält. Und wir meinen damit, dass letztlich Gott selbst es gefügt hat, dass wir genau diese Schriften als Heilige Schriften betrachten. Er hat dafür gesorgt hat, dass zum einen in diesen Büchern im Blick auf das, was er uns sagen möchte, nichts Falsches steht. Und er hat dafür gesorgt, dass wir all das, was er uns offenbaren möchte, auch aus ihnen entnehmen können.
Die Texte der Bibel sind zwar von Anfang bis Ende Menschenwort, aber in diesem Menschenwort begegnet uns Gott mit seiner Offenbarung.
Gotteswort in Menschenwort
Genauso wie Jesus davon sprechen kann, dass er uns in unseren Brüdern und Schwestern begegnet, so begegnet Gottes Wort in dem, was Menschen niedergeschrieben haben. So ist die Bibel gleichzeitig Gottes Wort und Menschenwort - oder noch besser: Gottes Wort in Menschenwort.
Wie frei darf man die Schrift interpretieren?
Das mag alles furchtbar kompliziert klingen. Es wird noch komplizierter dadurch, dass diese Schriften dann "nach allen Regeln der Kunst" ausgelegt, verglichen, interpretiert und wieder neu ausgewertet werden müssen.
Wie frei aber darf man die Schrift interpretieren?
Da sie immer auch Menschenwort ist, kann und darf ich sie mit den Mitteln der Literaturwissenschaft als Literatur analysieren - und auch hinterfragen. Ich kann fragen wann sie verfasst wurde, wer dafür verantwortlich war, welche Hintergründe zu entdecken sind, und um was für eine Gattung es sich handelt.
Die Bibel-Enzyklika Pius XII. aus dem Jahre 1943 und das Zweite Vatikanische Konzil ermutigen die Theologen ausdrücklich zu solch einem Umgang mit der Schrift. Und die Untersuchungen am Text haben in der Vergangenheit wichtige Erkenntnisse zutage gefördert.
Freilich mag es so aussehen, dass nun jener dieses und dieser jenes aus den Texten herausholt. Das Problem mit den vielen verschiedenen Auslegungen der Heiligen Schrift ist ja hinlänglich bekannt. Offensichtlich ist die Auslegung der Bibel so kompliziert wie ihr Entstehungsprozess.
Die rechte Auslegung der Schrift war immer schon umstritten
Aber - und damit können wir uns trösten -, das war schon immer so! Um das rechte Verständnis der biblischen Texte haben die Theologen gestritten, seit es die Bibel gibt. Wenn manche heute den Eindruck haben, dass früher alles viel einfacher gewesen sei und man erst seit neuestem mal dieses und mal jenes sagt, dann ist das so nicht richtig.
Früher haben sich lediglich weit weniger Menschen an diesen Diskussionen beteiligt. Diskutiert wurde eigentlich nur innerhalb der theologischen Fakultäten. Heute aber, wo jede Veröffentlichung gleich tausendfach aufgelegt wird und alle die theologisch interessiert sind, solche Publikationen geradezu "verschlingen", heute werden viele theologische Diskussionen in aller Öffentlichkeit ausgetragen. Und die Medien, die angeblich brisante Neuigkeiten entsprechend vermarkten, tragen oftmals ein Übriges zur Verunsicherung bei.
Hinzu kommt, dass immer mehr Menschen in unseren Gemeinden sich mit Theologie beschäftigen - sei dies im Rahmen theologischer Kurse oder auch auf dem Hintergrund ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit. Und das ist auch gut so.
Nur ist das eben die Kehrseite der Medaille: In der Theologie gibt es klare und einfache Antworten nur dann, wenn man an der Oberfläche bleibt. Sobald man auch nur ein wenig tiefer geht und hinterfragt, tun sich mit jeder beantworteten Frage zehn neue auf.
Die entscheidenden Aussagen sind immer noch die gleichen
Es gilt, sich nicht ins Bockshorn jagen zu lassen, wenn man mal jenes und wieder einmal dieses hört. Denn all dies ändert nichts daran, dass die entscheidenden Aussagen der Schrift immer noch die gleichen sind.
Letztlich entscheidend ist, dass Jesus Christus Mensch geworden ist - wohlgemerkt nicht wo und nicht wann und auch nicht wie ist entscheidend, sondern dass er Mensch geworden ist, gelitten hat - und zwar für uns - und dass er von den Toten auferweckt wurde. Das ist entscheidend - nicht die Datierung jeder einzelnen Wundergeschichte.
Solche Dinge sind dann oftmals lediglich Spitzfindigkeiten einer immer stärker ins Detail gehenden und daher immer undurchsichtiger werdenden Theologie.
Notwendigkeit wissenschaftlich verantworteter Exegese
Wir sollten jetzt aber nicht den Rückschluss ziehen, dass das, was Theologie sagt, deshalb vernachlässigbar, ja vielleicht sogar suspekt sei. Das ist meist der Vorwurf, der in diesem Zusammenhang gemacht wird - nach dem Motto: "Ohne die Theologie wäre die Bibel ganz einfach zu verstehen. Nur die Theologen machen mit ihrer Spitzfindigkeit alles so furchtbar kompliziert!"
Was dabei herauskommt, wenn man Texte wie die Bibel einfach unkritisch liest, kann man bei den vielen fundamentalistischen Gruppen schnell entdecken. Und auch viele islamische Strömungen zeigen sehr deutlich, welchen Gefahren man erliegen kann, wenn man mit den eigenen heiligen Schriften unkritisch - und eben nicht theologisch verantwortet - umgeht.
Die Theologie macht den Umgang mit der Schrift nicht einfacher, sie "verdreht" die Schrift jedoch nicht.
Die Grundbotschaft der Bibel
Hinter allen Aussagen der Schrift steht immer nur eines: das Wort, mit dem das Sprechen über Gott in der Bibel im Grunde begann; jenes Wort, mit dem Gott selbst begonnen hat, sich dem Menschen mitzuteilen.
Auf die Frage: "Wer bist Du?" hat er selbst gesagt: "Ich bin der, der für euch da ist, wann, wo und wie es auch sei" (vgl. Ex 3,14).
Alle Berichte der Bibel, alle Aussagen der Theologie sind im Grunde nichts anderes als immer wieder neue Illustrationen zu dieser Selbstoffenbarung Gottes in immer wieder neuen Bildern. Gott hat sich selbst verfasst als ein Gott für Welt und Mensch. Er ist der, der für uns da ist, wann, wo und wie es auch sei. Er ist Jahwe.
Das allein genügt!
(Dr. Jörg Sieger)
Unser Glaube - Ein Versuch zeitgemäßer Antworten