Zur Person &

Modellbahn im Pfarrhaus


"Kennt man Sie?" - "Nö!"

Ein paar Worte über mich

Es war vor etlichen Jahren. Ich war in Berlin. Zusammen mit einer Kollegin und deren beiden Töchtern hatte ich die Möglichkeit den Reichstag zu besuchen: Eine Führung durch den Bundestag mit Hintergrund­informationen und natürlich auch Aufstieg zur Kuppel. Die Sicherheitsvorkehrungen waren enorm: vorherige Anmeldung, Besucherschleuse, Abgleich der Namen mit den bestehenden Listen und so weiter.

Wir hatten die ersten Sicherheits-Checks hinter uns und wurden zur nächsten Station weitergeschickt. Dort kam uns auch schon eine junge Frau entgegen - mit umgehängter Schlüsselkarte und Klemmbrett in der Hand deutlich als offizielle Person zu erkennen - und ging zielgerichtet auf uns zu.

"Herr Dr. Sieger?" fragte sie.

"Oh, man kennt mich!", meinte ich mit einer gewissen Ironie in der Stimme, die man aber nicht zu bemerken schien. Deshalb bekam ich auch zur Antwort: "Nein, Ihr Name steht hier ganz einfach oben auf der Liste."

Kaum hatte sie diesen Satz gesagt, stockte sie auch schon, sah mich intensiv an, wurde leicht verlegen und ergänzte: "... Oder - Kennt man Sie?"

"Nö!", sagte meine Kollegin. - Bis heute für mich ein gleichsam traumatisierendes Erlebnis.

Jörg Sieger

Aufnahme: April 2018.

Und weil dem so ist, gehe ich davon aus, dass auch Sie keine Ahnung haben, mit wem Sie es zu tun haben, und ich mich an dieser Stelle erst einmal vorstellen muss.

Nun, was soll ich schreiben? Natürlich kann ich Ihnen einige Fakten aufzählen. Ich kann Ihnen sagen, dass ich 1960 in Lahr geboren wurde und dort die erste Woche meines Lebens verbrachte. In Ettenheim, ziemlich genau zwischen Offenburg und Freiburg, bin ich aufgewachsen und zur Schule gegangen.

Nach meinem Abitur im Jahre 1979 begann ich in Freiburg Theologie zu studieren, war dann ein Jahr in München und machte 1984 meinen Abschluss wiederum in Freiburg. Zwischenzeitlich hatte ich meine Dissertation bereits fertiggestellt, wurde dann am 16. Dezember 1984 in St. Peter im Schwarzwald zum Diakon geweiht und war während des darauffolgenden Jahres als solcher in Oberkirch tätig. Nach meiner Priesterweihe am 10. Mai 1986 in Ettenheim war ich ein Vierteljahr in Wald in Hohenzollern, dann drei Jahre Vikar in Breisach am Rhein und darauf 6 1/2 Jahre Studentenpfarrer in Mannheim. Im April 1996 wurde ich Pfarrer der beiden Gemeinden St. Peter und St. Paul in Bruchsal. Im September 2002 kam die dritte Bruchsaler Gemeinde, St. Anton, hinzu. Dadurch wurde die Seelsorgeeinheit St. Peter - Bruchsal gegründet, die sich 2008 zur Pfarrei St. Peter mit den Gemeinden St. Peter, St. Paul und St. Anton zusammengeschlossen hat. In einer der zahlreichen Strukturreformen unseres Bistums wurden mir meine Gemeinden zum 1. Januar 2015 gleichsam wegrationalisiert und für die Stadt Bruchsal eine einzige Seelsorgeeinheit errichtet. So wurde ich am 24. November 2014 als Pfarrer von St. Peter in Bruchsal entpflichtet. Seit dieser Zeit bin ich zum Diözesan-Caritasverband Freiburg abgeordnet.

Dies wären einige Zahlen und Fakten, die ich Ihnen mitteilen kann. Aber wenn Sie dies alles wissen, kennen Sie mich dann schon?

Vielleicht müsste ich Ihnen erzählen, dass ich eigentlich immer Mathe und Physik studieren wollte, dass mir der liebe Gott da aber irgendwie einen Strich durch die Rechnung gemacht hat - wie das genau war, weiß ich wahrscheinlich selber nicht ganz. Eine Rolle hat sicher meine Zeit als Pfarrjugendleiter in Ettenheim gespielt. Insgesamt reicht dies aber zur Erklärung sicher nicht aus.

Wenn Sie danach fragen, was das für ein Mensch ist, dieser Jörg Sieger, dann müsste ich vielleicht davon berichten, dass ich mit großer Leidenschaft an meiner Modelleisenbahn gebastelt habe. Mit der größte Schmerz meines Wegganges von Bruchsal war, die Anlage nicht mitnehmen zu können. Ich bin froh darüber, dass der größte Teil davon bei der "Interessen­gemeinschaft Eisenbahn - Fle­hingen" unterkommen konnte. Die hier zu findenden Seiten sollen auch an diese Anlage im Bruchsaler Pfarrhaus erinnern.

Vielleicht gehört an diese Stelle auch, dass ich mich immer schon ganz besonders für Geschichte interessiert habe. Biographien habe ich während meines Studiums geradezu verschlungen. Ich denke, dass man die großen und kleineren Gestalten unserer Geschichte am besten dann kennenlernen kann, wenn man nicht nur auf die wenigen Jahre schaut, in denen sie wirklich weltgeschichtliche Bedeutung hatten, sondern ihr Leben von Grund auf, von Geburt an, verfolgt.

So hat auch meine Dissertation mit einer Lebensbeschreibung zu tun. Ich war schon als Kind von der Gestalt des letzten Straßburger Fürstbischofs, des Kardinals Louis René Edouard, Prince de Rohan-Guémené, fasziniert. Das war jener Kardinal, der 1785 in die berühmte "Halsbandaffäre" verstrickt war. Nach Ausbruch der Französischen Revolution musste er aus Straßburg fliehen und hat sich dann 13 Jahre in seine rechtsrheinischen Besitzungen - eben nach Ettenheim - zurückgezogen. Als Kind schon bin ich in unserer Kirche über sein Grab "gestolpert" und so habe ich versucht die Geschichte dieser 13 Jahre, unter dem Titel "Kardinal im Schatten der Revolution", nachzuzeichnen.

In meiner Mannheimer Zeit, vor allem im Zusammenhang mit meinem Lehrauftrag an der Uni in Mannheim, hatte ich dann meine alte Leidenschaft für das Alte Testament wieder neu ausgegraben und ausgebaut. Vor allem die Beschäftigung mit der hebräischen Sprache und der Gedankenwelt der Semiten, hat mir geholfen diese grandiose Welt der Bilder jener Bücher des ersten Bundes zu erschließen. Immer mehr habe ich dabei begriffen, was für ein bodenloser Unsinn es ist, wenn Menschen heute vom "Rachegott des Alten Testamentes" sprechen. Ich denke, dass man vor allem in meinen Predigten wie auch auf den Seiten des "Bruchsaler Glaubenskurses" einiges von dieser Begeisterung für die "Bibel Jesu", wie mein Lehrer Alfons Deissler das Alte Testament immer wieder nannte, spüren wird.

In Bruchsal hat sich aus einem Hebräischkurs dann ein regelrechter Exegesekreis entwickelt, in dem wir das Büchlein Jona, das Buch der Richter, das Buch Jeremia, Teile der Genesis und vor allem dann auch das Buch Amos übersetzt und ausgelegt haben. Die Botschaft des Propheten Amos drängte uns dann, seine Forderungen für soziale Gerechtigkeit in einem großangelegten "Amosprojekt" in die Gemeinden und die Gesellschaft hineinzutragen.

Neben dem Einsatz für die Ökumene prägten diese Fragen der sozialen Gerechtigkeit ganz stark meine insgesamt fast 19 Bruchsaler Jahre.

Von daher entbehrt es nicht einer gewissen Logik, dass mich meine weitere Tätigkeit als Priester nach meiner Bruchsaler Zeit zu denen führte, die im Augenblick in unserer Gesellschaft mit am meisten auf unseren Beistand und unsere Hilfe angewiesen sind: zu den Asylsuchenden und Flüchtlingen nämlich. Von 2014 bis 2018 war ich Referent im diözesanen Projekt "Nah an Menschen von weit weg" des Diözesan-Caritasverbandes und der Erzdiözese Freiburg und dort vor allem in der Unterstützung der bürgerschaftlich Engagierten in der Flüchtlingsarbeit tätig. In diesem Zusammenhang habe ich eine Ausbildung zum "Interkulturellen Trainer" gemacht. Was zur Folge hatte, dass ich jetzt in der Nachfolgemaßnahme des oben genannten Projektes, der "Werkstatt Integration", unter anderem die interkul­turellen Öffnungsprozesse der örtlichen Caritasverbände im Bereich des Erzbistums Freiburg begleite.

Als mein Patenkind - sie war damals in Berlin mit dabei und weiß heute noch zu berichten, "dass man mich nicht kennt" - mich vor einiger Zeit fragte, was ich denn jetzt genau mache, konnte ich - mein Trauma bei­nahe überwindend - mit dem Brustton der Überzeugung sagen: "Ich habe eine Visitenkarte. Ich bin jetzt wichtig!"

Liebe Grüße
Ihr
Jörg Sieger