Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Die Verfasserfrage der Apostelgeschichte ⋅1⋅

Kommen wir nun zu den übrigen Einleitungsfragen der Apostelgeschichte.

Die Verfasserfrage haben wir eingangs bereits geklärt. Die Apostelgeschichte stammt von demselben Verfasser wie das dritte Evangelium. Beide Werke werden, wie wir bei der Besprechung des Lukas-Evangeliums bereits gesehen haben, seit dem 2. Jahrhundert einem uns unbekannten Mann mit Namen Lukas zugeschrieben.

Dieser Lukas wird in der Tradition mit einem Paulusbegleiter, nämlich mit dem Arzt Lukas, identifiziert. Dies ergab sich schon für die Kirchenväter aus folgender Überlegung:

  • In Apg 16,10-17; Apg 20,5-15; Apg 21,1-18 und Apg 27,1ff wechselt plötzlich der ansonsten in der dritten Person abgefasste Bericht in die erste Person Plural. Der Verfasser spricht plötzlich von "wir". Diese "Wir"-Berichte interpretierte man so, als ob bei den entsprechenden Ereignissen der Verfasser dabei gewesen wäre. Da der Wechsel in den "Wir"-Bericht immer auf Paulus-Reisen der Fall ist, lag der Schluss nahe, dass der Verfasser der Apostelgeschichte ein Paulusschüler und Mitarbeiter des Völkerapostels gewesen ist.
  • Der Bericht der Apostelgeschichte endet während der zweijährigen Haft des Paulus. Vom Tod Pauli wird nicht berichtet. Deshalb schloss man daraus, dass ein Schüler des Paulus die Berichte zu dieser Zeit zusammengeschrieben habe.
  • In 2 Tim 4,11, ein Brief, der dem Paulus zugeschrieben wurde und als kurz vor seinem Tod verfasst galt, heißt es nun, dass nur noch Lukas bei Paulus sei. Damit war klar, dass am Ende also nur noch Lukas in der Begleitung des Paulus gewesen sein könne. Er musste demnach die Apostelgeschichte und folglich auch das Evangelium geschrieben haben.

Diese Folgerungen sind aber, historisch betrachtet, wenig schlüssig.

  • Ein Paulusbegleiter und Paulusschüler hätte mit Sicherheit die Briefe des Paulus an irgendeiner Stelle erwähnt. Von ihnen wird im ganzen Werk aber an keiner Stelle auch nur das geringste gesagt.
  • Auch die theologischen Ausführungen des Paulus, Themen, die er in seinen Briefen so breit ausführt, die Abhandlungen über Glaube und Gesetz oder über Auferstehung und Kreuz, all diese für Paulus doch so wichtigen Gedanken, finden keinen Niederschlag in der Apostelgeschichte.
  • Wenn Paulus zu Wort kommt, dann klingt das, was er sagt, ganz anders als seine authentischen Äußerungen in seinen Briefen. Die Darstellung des Paulus und seine Äußerungen etwa in der Areopagrede sind mit der paulinischen Theologie, wie sie sich in seinen Briefen niedergeschlagen hat, im Grunde unvereinbar.

Wenn man also der Meinung wäre, dass die Apostelgeschichte von einem Paulusbegleiter geschrieben worden sei, dann müsste man erklären, warum von den Briefen nicht gehandelt wird. Entweder weiß dieser Begleiter nichts von den Briefen oder er verschweigt sie absichtlich und bringt auch deren Theologie nicht zum Zuge.

Sinnvoller scheint es nun zu sein, den Verfasser des Doppelwerkes für einen Mann am Ende des ersten Jahrhunderts zu halten, der sich um die Überlieferung der Frühzeit kümmert und nur Teile der Paulustradition kennt. Dieser Verfasser wäre dann nachträglich mit jenem Lukas aus der Begleitung des Paulus identifiziert worden.

Wenn dem so ist, dann müssen wir in einem nächsten Schritt den Versuch unternehmen, die Arbeitsweise dieses Verfassers genauer zu erforschen und die Frage nach seinen Quellen zu stellen.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkung

1 Wo nicht anders vermerkt folge ich meinem Lehrer Rudolf Pesch, Einführung in das Neue Testament II - nicht autorisierte Vorlesungsmitschrift des WS 1980/81 (Albert-Ludwig-Universität Freiburg i. Br.). Zur Anmerkung Button