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Marieluise Gallinat-Schneider

Gemeindereferentin in Bruchsal

Seelsorgerliche Begleitung und Präventionsarbeit von Marieluise Gallinat-Schneider

Einführung

Seit 2003 begleite ich Frauen, die Missbrauchserfahrungen haben. Neben der regelmäßigen Teilnahme an den Treffen der Selbsthilfegruppe zählt dazu auch die Öffentlichmachung des Themas, damit das Schweigen gebrochen wird. Immer wieder geht es darum, dieses Thema nicht ins Abseits zu drängen. Seit 2003 bin ich mit dem Thema befasst, 2005 wurde in unserer Bistumszeitung, Konradsblatt, über die Gruppe berichtet, im gleichen Jahr war ich auf dem Studientag "Umgang mit traumatisierten Menschen in der Seelsorge" am 06.04.2005 in Rastatt, 2006 im Januar feierten wir in Weingarten einen Gottesdienst, im Spätjahr war der ACG-Jahresgottesdienst mit diesem Thema befasst. 2007 hat der Caritasverband die Aktion Stolpersteine initiiert, die in der Fastenzeit auf Nöte von Bruchsaler Bürgern aufmerksam machte. Unser Beitrag lautete: „Sexueller Missbrauch ist Seelenmord!" Im selben Jahr war der Kirchentag in Köln mit Podiumsdiskussion und Stand der Arbeit von GottesSuche. 2012 Bundesverdienstkreuzverleihung an Erika Kerstner, 2013 wurde ich für die Sendung „sonntags“ im ZDF über meine Arbeit interviewt.

Ich selbst bin von sexueller Gewalt zwar verschont worden, habe aber in meiner Herkunftsfamilie Menschen mit Kriegstraumata erlebt. Vermutlich hat mich das sensibel werden lassen für dieses Thema. Ich habe in meiner Kindheit erfahren dürfen, dass man Gott so vertrauen kann, wie der eigenen Familie, dass man von Gott so geliebt wird, wie von den Eltern. In meiner späteren Berufszeit bin ich immer wieder Mädchen und Frauen begegnet, die diese Erfahrung nie machen durften, die auf der Suche nach Gott sind, weil sie nie die Erfahrung machen durften, es gibt Menschen, auf die ist Verlass. Da ich selbst weiß, was es heißt, traumatisierende Erlebnisse zu haben, möchte ich die Frauen auf ihrer Suche begleiten und ihnen eine Stimme leihen, wenn sie es selbst nicht mehr schaffen.

Als 2010 die Fälle in der katholischen Kirche öffentlich wurden, war das für die Opfer einerseits gut, denn endlich wurde nicht mehr darüber geschwiegen. Andererseits hat es in ihnen die Erinnerungen wieder wachgerufen, hochkommen lassen, so dass die Wunden aufgerissen wurden.

Seit 2012 versucht die katholische Kirche, darauf zu reagieren, indem sie in der Kinder-und Jugendarbeit Präventionsarbeit leistet. Von Anfang an habe ich diesen Auftrag für die Seelsorgeeinheit, in der ich arbeite, übernommen. Es gibt für Jugendliche, die in Leitungsverantwortung hineinwachsen wollen, die Möglichkeit über die Jugendbüros Schulungen zu machen, oder über die eigene Seelsorgeeinheit. Auch Katechet*innen in Erstkommunion- und Firmvorbereitung, in Leitung von Kinder- und Jugendgruppen oder Projekten müssen entsprechend geschult und sensibilisiert sein.

Seit 2015 müssen alle, die diese Arbeit machen oder auf Ferienlager als Betreuer*innen bzw. Küchenteam mitgehen, ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis beantragen, das alle 5 Jahre erneuert werden muss. Das gilt auch für Hauptamtliche, die in der Pastoral tätig sind. Im Gegensatz zur Schule, in der einmal ein solches Zeugnis erbracht werden muss, dass in Zukunft besser auf den Schutz der Minderjährigen geachtet wird. Auch müssen die Kirchengemeinden Schutzkonzepte erstellen.

Zu meiner Präventionsarbeit siehe auch: Präventionsarbeit in der Seelsorgeeinheit St. Vinzenz Bruchsal

Mir ist es in dem Zusammenhang wichtig, von meiner Arbeit mit Missbrauchsopfern zu berichten, um zu verdeutlichen, wie wichtig der sensible Umgang ist. Nicht nur, um zu verhindern, dass dieses Dinge passieren, sondern auch, weil wir uns immer klar machen müssen, wenn wir in einer Seelsorgeeinheit 10 000 Mitglieder haben, von denen 10 % zum Sonntagsgottesdienst gehen, sind 104 weibliche und 35 männliche Missbrauchsopfer darunter. Daher ist es wichtig, sowohl in der Sprache, als auch den Aktivitäten (z.B. Nachtwanderungen) darauf zu achten, dass Menschen, die traumatisiert sind, nicht getriggert werden.

Am 29.11.2018 und 6.2.2019 fanden im Stadtkloster Karlsruhe Glaubensgespräche für Frauen mit dem Thema „Die Bibel – ein verstörendes Buch" statt. Ps 88 und Ps 22 waren die Grundlage, denn die Psalmen, die Klage, Wut, Trauer, aber auch Lob und Dank herausschreien, sind geeignet, auch auf dem Hintergrund von Gewalterfahrung, Traumatisierung und Leid mit und über Gott zu sprechen. Fromme, wohlgesetzte Worte und Loblieder sind in dem Zusammenhang oft nicht hilfreich.

Zusätzlich gab es Abende mit Vorträgen und Austausch zu verschiedenen Themen aus dem Bereich "Sexueller Missbrauch und Kirche". Es ging um liturgische Sprache, Präventionsarbeit, die Rolle der Opfer im Gottesdienst oder in der kirchlichen Arbeit und verschiedene andere Inhalte. Erika Kerstner, Prof. Helmut Jaschke und ich haben Impulse gegeben. Diese Abende fanden am 03.07.2019 und 14.01.2020 ebenfalls im Stadtkloster in Karlsruhe statt.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage www.gottes-suche.de

(Marieluise Gallinat-Schneider)