Vorträge von Marieluise Gallinat-Schneider
Frauengemeinschaft St. Paul, 20. März 2018, Bruchsal
Rafa-el "Gott heilt“ Heil und Heilung durch Gott?
Vielleicht nicht so die klassische Idee, statt der Passionsberichte aus den Evangelien oder einer Kreuzwegandacht einen alttestamentlichen Text herzunehmen und dann auch noch einen Text, der in der evangelischen Bibel nicht auftaucht, der nicht zum Kanon gehört.
Beginnen wir mit einem Text Nein und Doch von Andrea Schwarz
Dieser Text, der in der Passion geschrieben wurde, der von unseren Kreuzen berichtet, passt auch zu dem, was die Menschen im biblischen Bericht, den ich meinen heutigen Gedanken zugrunde legte, erfahren mussten. Auch im Alten Testament geht es um Menschen die ihr Leid auf sich nehmen müssen:
Zum Buch Tobit muss man sich klarmachen, dass es tatsächlich eher eine Novelle, eine Geschichte ist, kein historisches Werk, obwohl darin sicher ein Kern steckt, der den Anlass für die Erzählung bot:
Nach der Darstellung des Buches Tobit erlebte der alte Tobit zum Beispiel
•in seiner Jugend noch die Reichsteilung beim Tod Salomos im Jahre 931 v. Chr. (Tob 1,4),
•er wurde dann mit dem Stamm Naftali in Gefangenschaft geführt (Tob 1,5. 10), ein Ereignis, das erst 734 v. Chr. stattfand.
•Und sein Sohn Tobias starb dann gar erst nach der Zerstörung Ninives im Jahre 612 v. Chr. (Tob 14,15).
Diese erstaunlichen Freiheiten lassen sich nur erklären, wenn die Verfasser etwas anderes schreiben wollten als ein Geschichtswerk. Sie gehen zwar in der Regel von tatsächlichen Begebenheiten aus. Diese waren aber nur so etwas wie ein Vorwand für die eigentliche Erzählung. Von geschichtlichen Begebenheiten ausgehend wurde die Darstellung dann nämlich weiterentwickelt.
Dem Verfasser scheint es denn auch ganz besonders auf diese Weiterführungen anzukommen. Sie sind sein eigentliches Werk und enthalten auch seine eigentliche Botschaft.
Es kommt also darauf an, die Aussageabsicht jedes Buches zu bestimmen und die Lehre, die es geben will, herauszuarbeiten
Tobit, die Person, nach der das Buch benannt wurde, stammt aus Obergaliläa und wird von dort zur Zeit der Assyrerbesetzung von den feindlichen Truppen des Königs nach Ninive verschleppt. Es wird berichtet, dass das Haus Naftali, aus dem Tobit stammt, nicht mehr im Tempel in Jerusalem opferte, sondern dem Baalskult folgte. Nur Tobit wallfahrte an den Festtagen nach Jerusalem und hielt die Gesetze Mose. Er berichtet auch, er habe sich eine Frau aus dem väterlichen Geschlecht geheiratet, Hanna. Die beiden bekommen einen Sohn Tobias. In Ninive hält Tobit sich an die jüdische Essensvorschriften und isst nicht die Nahrung der Heiden, wie einige seiner Familie. Er glaubt, daher die Gunst Gottes zu erfahren und wird Einkäufer für Salmassar den Assyrerkönig. So kam er nach Medien und hinterlegte dort bei Gabael Geld. Als Salmanassar starb, wurde Sanherib König. Der war ihm nicht wohlgesonnen und die Wege nach Medien wurden unsicher.
Nun kommt im Buch Tobit eine ganz wichtige Stelle, nämlich die, in der erzählt wird, dass Tobit die Leichen der Israeliten begräbt. Die Assyrer haben sie einfach von der Stadtmauer geworfen und er hat sie dann heimlich begraben, obwohl den Israeliten dies untersagt war.
Früher gab es in Anlehnung an Matthäus 25 nur 6 Werke der Barmherzigkeit, nämlich:
- Hungrige speisen
- Durstige tränken
- Fremde beherbergen
- Nackte bekleiden
- Kranke besuchen
- Gefangene besuchen
In der Aufzählung fehlt das Bestatten der Toten, das von dem Kirchenvater Lactantius im 3. Jahrhundert n.Chr. mit Bezug auf das Buch Tobit hinzugefügt wurde. Dies hat sich in der Folge als Bestandteil der sieben Werke der Barmherzigkeit etabliert.
Im Buch Tobit werden auch schon die anderen Werke der Barmherzigkeit erwähnt, so wie wir sie später aus dem Neuen Testament kennen, aber eben darum ergänzt, die Toten zu bestatten. Es heißt dort an anderer Stelle:
Ich gab den Hungernden mein Brot und den Nackten meine Kleider; wenn ich sah, daß einer aus meinem Volk gestorben war und daß man seinen Leichnam hinter die Stadtmauer von Ninive geworfen hatte, begrub ich ihn. (Buch Tobit 1,17-20 )
Als es darum geht, welche Taten dem Herren gefallen, wird herausgehoben, dass Tobit vom Tisch aufgestanden ist, um den Toten den letzten Dienst zu erweisen. Dabei ging es um die Leichen, die von der Stadtmauer in Ninive geworfen wurden. Den Juden war es im babylonischen Exil verwehrt worden, ihre Toten zu bestatten, woran er sich nicht hielt, was zur Konsequenz hatte, dass er erblindete. Er hat das Verbot ignoriert und diesen Dienst geleistet, denn er war von dessen Notwendigkeit überzeugt. Bis heute ist die Ehre der Toten im Judentum so wichtig, dass deren Gräber auch nie zerstört werden dürfen.
Durch diese Taten gerät Tobit jedoch in Ungnade und er ergreift mit seiner Familie die Flucht. Sein Geld wird eingezogen und dem Staatsschatz zugeführt. Allerdings herrscht in der Königsfamilie Chaos und die Thronfolger ermorden sich gegenseitig. Nach knapp 40 Tagen (also auch der Zeit für unsere Fastenzeit) konnte Tobit wieder nach Ninive zurückkehren. Tobias beobachtet, wie ein Israelit ermordet wird und auf dem Marktplatz liegenbleibt und schon wieder begräbt sein Vater unerlaubterweise einen Toten.
Und nun passiert etwas, dass das Leben des Tobit jäh ändert. In der Nacht danach fällt ihm Kot der Vögel auf die Augen und er wird blind. Er ist nun völlig auf die Hilfe seiner Brüder angewiesen. Und nun reagiert Tobit auch noch ungerecht. Seine Frau springt nämlich ein, macht Handarbeiten, um die Familie zu ernähren und als sie neben Geld auch noch ein Ziegenböcklein geschenkt bekommt, unterstellt er ihr, dieses gestohlen zu haben.
Am gleichen Tag wird in Medien Sara, die Tochter Raguels ebenfalls verhöhnt, weil sie 7 Männer hatte und alle gestorben sind.
Die Schicksale dieser beiden Personen kreuzen sich, ihr Gebet wird erhört. Rafa-el wird gesandt, um beiden zu helfen, Sara und Tobit. Sara soll die Frau von Tobias werden und Tobit soll von seiner Blindheit geheilt werden. Aber noch wissen die beiden nicht, dass ihr Gebet erhört wurde.
Tobit erinnert sich jedoch an das Geld, dass er in Medien bei Gabael hinterlegt hat und bittet seinen Sohn nun, es zu holen. Nun wird es in der verarmten Familie dringend gebraucht. Reisen war damals gefährlich.
Tobias fragt seinen Vater außerdem zu recht, ob er das Geld so einfach ausgehändigt bekommt. Aber sein Vater hat vorgesorgt. Hier kommt die eigentliche Wortbedeutung von Symbol ins Spiel, ein symbolon ist ein Zeichen, dass in 2 Hälften geteilt wird und sich wieder zusammensetzen lässt und damit weist der, der die eine Hälfte hat und darum weiß, als berechtigt aus. Und, Tobias braucht einen Reisebegleiter. Draußen steht Rafael, der Engel, aber dass er ein Engel Gottes ist, weiß Tobias nicht. Rafael bietet sich als Reisebegleiter an. Er muss dem Tobit erklären, wer er ist, damit dieser erlaubt, dass er und sein Sohn gemeinsam reisen. Rafael gibt einen falschen Namen an, Asarja, Gott hilft.
Pikanterweise sagt Tobit dann zu Tobias, er soll sich reisefertig machen, Gott werde ihn beschützen und durch seinen Engel begleiten, obwohl er gar nicht weiß, wie wahr dieser Wunsch ist. Dann kommt noch ein herrlicher Satz, und der Hund (des jungen Tobias) folgte hinterher. Sie alle kennen vielleicht Bilder des Schutzengels, ein Junge bzw. ein Kind, ein Engel und ein Hund. Das wurde in der Kunst oft so dargestellt.
Hanna, die Mutter weint sehr, als ihr Sohn geht. Tobit tröstet sie und sagt, sie werden unter Gottes Schutz stehen und sein Engel wird sie begleiten. Wie viele von ihnen kennen das, wenn die Kinder das Haus verlassen, gerade die Mütter trauern sehr. Aber auch Tobit macht sich sicher Sorgen: Wird die gefahrvolle Reise klappen? Werden sie noch leben, wenn der Sohn zurückkehrt?
Tobias und Rafael gehen los und kommen an den Fluss Tigris, wo ein großer Fisch den Tobias zu verschlingen droht. Rafael sorgt dafür, dass der Fisch getötet wird und sie ihn essen, außer Leber, Herz und Galle, die brauchen sie später, was Tobias aber nicht weiß.
So kommen sie zu Raguel, einem Verwandten von Tobias, der eben die Tochter Sara hat. Rafael möchte, dass Tobias ihrem Vater einen Heiratsantrag macht, damit er sie auf der Rückreise heiraten kann. Tobias weiß aber um die Geschichte der Sara und hat Angst, als ihr 8. Ehemann zu sterben. Wer wird dann seine Eltern begraben? Er ist der einzige Sohn. Aber Rafael weiß Abhilfe, wenn Tobias Herz und Leber des Fisches auf den Räucherofen im Brautgemach legt, wird der Dämon weichen. Der Ehevertrag mit ihrem Vater wird gemacht. Und Tobias überlebt die Hochzeitsnacht, er und Sara fangen an, etwas füreinander zu empfinden, der Bann des Dämon ist gebrochen.
Daraufhin will Tobias auch nicht aus dem Haus von Raguel weg, sondern bittet den Engel, als Geldbote zu Gabael zu reisen und das Geld zu holen.
Nach der Rückkehr des Engels mit dem Geld kann Hochzeit gefeiert werden.
Tobit allerdings zählt zu Hause die Tage, die für die Reise nach Medien und zurück nötig sind und wird unruhig, als Tobias nicht nach der errechneten Dauer heimkehrt. Hanna ist überzeugt, dass ihrem Sohn etwas zugestoßen ist.
Nach der 14-tägigen Hochzeitsfeier wird Tobias unruhig, er weiß, dass seine Eltern sich Sorgen machen und er will zu ihnen gehen. Raguel will, dass er einen Boten schickt, aber Tobias möchte selbst zu ihnen und so gibt Raguel ihm Diener, Tiere, Hausrat und die Hälfte des Vermögens mit. Als sie in die Nähe von Ninive kamen, sagt Rafael zu Tobias, dass die beiden alleine vorgehen sollen, um den Eltern alles zu erzählen, während Sara mit der Dienerschaft hinterherzieht.
Jetzt kommt die Galle des erlegten Fisches zum Einsatz, Rafael erklärt, damit kann Tobit von seiner Blindheit geheilt werden. Tobias streicht sie auf die Augen seines Vaters und der kann sehen, allerdings sagt der Engel voraus, dass es ein schmerzhafter Prozess sein wird. Danach kann Tobit seiner Schwiegertochter entgegengehen.
Tobit will jetzt auch den Reisebegleiter seines Sohnes entlohnen, aber der lehnt ab. Kapitel 12:
Tut Gutes, dann wird euch kein Unglück treffen. Es ist gut, zu beten und zu fasten, barmherzig und gerecht zu sein. Lieber wenig, aber gerecht, als viel und ungerecht. Als ihr zu Gott flehtet, du und deine Schwiegertochter Sara, da habe ich euer Gebet vor den heiligen Gott gebracht. Und ebenso bin ich in deiner Nähe gewesen, als du die Toten begraben hast. Auch als du ohne zu zögern vom Tisch aufgestanden bist und dein Essen stehen gelassen hast, um einem Toten den letzten Dienst zu erweisen, blieb mir deine gute Tat nicht verborgen, sondern ich war bei dir. Nun hat mich Gott auch gesandt, um dich und deine Schwiegertochter Sara zu heilen. Ich bin Rafael, einer von den sieben heiligen Engeln, die das Gebet der Heiligen emportragen und mit ihm vor die Majestät des heiligen Gottes treten. Da erschraken die beiden und fielen voller Furcht vor ihm nieder. Er aber sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Friede sei mit euch. Preist Gott in Ewigkeit! Nicht weil ich euch eine Gunst erweisen wollte, sondern weil unser Gott es wollte, bin ich zu euch gekommen. Darum preist ihn in Ewigkeit!
Ich kann Ihnen verraten, dass am Ende alles gut ist, Rafael verschwindet, nachdem er sich offenbart hat, Sara und Tobias bekommen Kinder und es könnte sein wie im Märchen. "wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute“
Musikstück Flöte Frau Gruber
Rafa-el Gott heilt, der Name ist Programm. Wie oft wünschen wir uns, dass ein Engel mitgeht, dass Gott unsere Gebete erhört und jemanden schickt, der uns beisteht. Aber wir vertrauen oft nicht darauf.
Wenn Sie jetzt innehalten und nachdenken, können Sie sich bestimmt an Situationen erinnern, die bei ihnen ähnlich waren.
• Da haben wir Tobit, der seine Heimat verlassen muss, der in die Fremde verschleppt wird.
• Klar, er macht dort Karriere, aber dann plötzlich wird er blind, wird plötzlich mit einer Behinderung konfrontiert
• Er verliert auch seinen einflussreichen Job, sein Geld und damit sein Ansehen.
• Sara ist von einem Dämon besessen. Das ist etwas, womit ich mich auch schwer tue. Aber wir wissen heute um psychische Erkrankungen, um Besessensein von so vielen Dingen, die uns unfrei machen. Vielleicht sind das die Dämonen?
• Da sind die Eltern, die ihren Sohn gehen lassen müssen. Erwachsen, mit Ehefrau kehrt er zurück. Wie sehr es schmerzt, wenn die Kinder erwachsen werden, sich abnabeln und ausziehen, wissen viele von uns.
• Dann ist da noch ein Punkt. Als Tobit blind wird, wird er verbittert und aggressiv. Er macht seiner Frau Vorhaltungen, glaubt ihr nicht. Solche Wunden schmerzen genauso wie Krankheiten oder andere Lebenskrisen. Bibelvers Ps 147,3 „Er heilt die gebrochenen Herzen und verbindet ihre schmerzenden Wunden.“ Gebrochene Herzen haben wir oft aus vielen Gründen, Trauer, Trennung, böse Worte, Streit, Sorgen…
Lied Wer unterm Schutz des Höchsten steht GL 423
Rafa-el, Gott heilt!
Wo haben wir solche Engel erfahren?
Text Palmsonntag
Haben wir Situationen erlebt, wo unser Gebet plötzlich erhört wurde, wo wir Hilfe erfahren haben?
Wo ist bei in mir etwas unheil?
Wo will ich Heilung erfahren?
Es gibt sicherlich Situationen, da können wir nichts tun. Aber es gibt auch die Situationen, wo wir selbst Anteil an unserem Schicksal haben. Da wo wir verbittert sind, da wo wir von etwas besessen sind, wo wir andere nicht loslassen können, wo wir alte Konflikte nicht ruhen lassen können, wo uns Ärger und Haß scheinbar auffressen, in all diesen Momenten müssen wir uns der Frage stellen, was kann ich selbst tun, um frei zu werden.
Kann ich etwas für meine innere Heilung tun?
Habe ich Raubbau mit meinem Körper getrieben?
Der Engel Rafael erscheint in dieser Geschichte ganz als Werkzeug Gottes. So enthüllt er und verbirgt zugleich das Wirken Gottes in dieser Erzählung. Demnach ist eine Hauptabsicht des Verfassers, die Aufmerksamkeit des Lesers auf dieses verborgene Wirken Gottes zu lenken.
Gottes Vorsehung im Alltag erkennen und diesen Gott, der alles zum Guten lenkt, nahe zu wissen, dazu lädt das Buch ein.
(Marieluise Gallinat-Schneider)