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Marieluise Gallinat-Schneider

Gemeindereferentin in Bruchsal

Vorträge von Marieluise Gallinat-Schneider

Frauengemeinschaft St. Peter, 6. März 2007, Bruchsal

"Sterben - und dann?"

1. Vorüberlegungen

Im heutigen Vortrag soll es nicht um das Sterben gehen. In einem Vortrag, den Wolfgang Huber am 12.11.2004 zum Thema "Der Tod - Grenze oder Macht? bei der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften hielt, ging Bischof Huber auf Luthers Verhältnis zum Tod ein. Der Tod ist eine Macht, die bekämpft werden muss. Dies ist deshalb der Fall, weil wir mitten im Leben vom Tod umfangen sind, wie ein vorreformatorisches Kirchenlied besagt. Der Tod greift einfach in unser Leben ein und ändert unsere Pläne. Luther ergänzt zwei Strophen bei diesem Lied, in denen er fragt: "Wo solln wir denn fliehen hin, da wir mögen bleiben?" Das Gefühl der Bedrohtheit kommt zur Sprache. "Wo bleiben?" ist noch existenznäher gefragt als "Was bleibt?" Sie werden sagen, danach kommt das ewige Leben. Aber viele Menschen werden antworten: "Es bleibt nichts!" Jeden Sonntag beten wir im Credo "Ich glaube.... die Auferstehung der Toten" Aber diese Auffassung teilen nicht mehr viele Menschen. Wie stellen wir uns ewiges Leben vor, was passiert, wenn wir gestorben sind? In Psalm 103 heißt es: "Denn er weiß, was wir für Gebilde sind; er denkt daran: Wir sind nur Staub. Des Menschen Tage sind wie Gras, er blüht wie die Blume des Feldes. Fährt der Wind darüber, ist sie dahin; der Ort, wo sie stand, weiß von ihr nichts mehr". Diesen Psalm kennen Sie alle, er wird häufig auf Beerdigungen gebetet und er gibt dennoch die Vorstellung des frühen alttestamentlichen Judentums wider. Ich will im folgenden der Frage nachgehen wie stellt sich das Judentum ein ewiges Leben vor, gibt es Unterschiede in der Jenseitsvorstellung von evangelischen und katholischen Christen?

Wie ich schon erwähnte, glauben immer weniger Menschen an Auferstehung: Innerhalb dieser bedenklichen Gesamtsituation ist jedoch ein Aspekt besonders bedrückend: Je mehr man sich dem Kern des christlichen Glaubens nähert, desto schwächer wird der Glaube: Die Auferweckung Jesu und die Auferstehung der Toten werden von den jungen Leuten kaum noch akzeptiert! Hier hat eine Umfrage des Instituts Allensbach vor Jahren schon Merkwürdiges zutage gefördert: Während die meisten Christen 81 % der Katholiken und 73 % der Protestanten - davon überzeugt sind, dass Jesus gekreuzigt wurde, gestorben ist und begraben wurde, während immerhin noch 70 % aller Christen an einen Schöpfergott glaubten, bekannten sich nur noch 50 % der Katholiken und 25 % der Protestanten zum Glauben an das ewige Leben!

Selbst ein evangelischer Theologe sagt: "Spätestens hier entsteht für den christlichen Glauben jedoch ein Dilemma. Wenn nämlich der historische Rahmen der Geschichtsbücher des Alten Testaments fiktiv ist und es sich beim biblischen Israel, ja selbst bei dem exklusiven Gott Jahwe um theologische Konstrukte handelt, dann sind die biblische Frühgeschichte Israels und damit die Vorgeschichte Jesu Christi vollständig entleert. Sie lösen sich in Nebel auf und mit ihnen bekanntlich auch das neutestamentliche Zentraldatum der Auferstehung Jesu, die als Vision erkannt wurde. Dadurch aber ist der Glaube faktisch falsifiziert." So Gerd Lüdemann: Altes Testament und christliche Kirche, der in Publik-Forum darüber einen Streit entfacht. Das bedeutet, wenn wir feststellen, dass biblische Berichte als symbolisch oder als Erzählungen verstanden werden müssen, dann ist alles nicht so zu verstehen, wie es dasteht und dann stimmen die biblischen Aussagen auch nicht mehr. Ich denke, so mathematisch-logisch können und dürfen wir diesen Fragen aber nicht nachgehen. Um zu erklären, wie unser Glaube sich entwickelt hat, schauen wir am besten zunächst in die Bibel:

2. Biblische Vorstellungen im AT

In der Vorstellung des Alten Testamentes gab es keine Auferstehung und kein Jenseits. Normalerweise, so war die Vorstellung, stirbt der Mensch alt, reich an Jahren und Nachkommen. Wenn jemand jedoch jung und oder kinderlos stirbt, so hat er etwas falsch gemacht, dann wurde er gestraft. Wer starb, führte ein Schattendasein in Kommunikationslosigkeit, auch in Kommunikationslosigkeit zu Gott. (Bei diesen Ausführungen stütze ich mich ebenso wie bei der Beschreibung der Entwicklung im Christentum auf: Joseph Ratzinger, Eschatologie - Tod und ewiges Leben, 2. Auflage Regensburg 1978,. dieses Buch ist zwar schon alt und fasst den Stand der Zeit der Professur von Joseph Ratzinger von 1969-1977 zusammen, ist aber dennoch eines der klarsten und umfassendsten theologischen Werke zu diesem Thema).

2.1 Exkurs: Ägyptische Jenseitsvorstellung

Die Nachbarländer Israels hatten einen starken Ahnenkult und wenn wir uns Ägypten anschauen, das ja direkt an Israel grenzt, auch klare Jenseitsvorstellungen. Dort gab es ja einen solch ausgeprägten Totenkult, eine Totenfürsorge und Totenriten. Der Mensch, der starb, wurde mumifiziert, in dem man ihm Darm, Leber, Lunge und Magen herausnahm und in extra Gefäßen aufbewahrte, dann den Körper in Natron legte, um ihm das Wasser zu entziehen, den Körper dann ölte und in Leinenbinden wickelte. Dann wurde der Tote über den Nil in die Totenstadt gebracht. Dort folgten die Klageweiber dem Toten und der Totenpriester sprach Gebete über den Toten, während er immer wieder mit Weihrauch um ihn herschritt. Nach dem sogenannten Mundöffnungsritual wurde der Tote dann mit seinen Grabbeigaben bestattet. In der Vorstellung der Ägypter begann der Tote seine Seelenwanderung, die mit dem Totengericht endete. Dabei wurde in der Vorstellung das Herz des Verstorbenen gegen eine Feder aufgewogen, die ein Symbol für Ma'at, die Göttin der Tag- und Nachtgleiche und des Gleichgewichtes war. So musste das Herz auch im Gleichgewicht mit der Feder sein, wenn es ohne Sünde war. All diese Dinge wurden im Totenbuch festgehalten. (siehe zu diesen Ausführungen auch genauer: www.mein-altaegypten.de/ eine sehr gute Homepage zu diesem Thema) Daher war es auch wichtig, ein gerechtes Leben zu führen. Man ging davon aus, dass den Menschen, die den Westen, das Totenreich, erreicht hatten, dort ein schönes Willkommen erwartete. Und sie glaubten dort kein Schattenreich sondern ein paradiesisches Land vorzufinden. Für sie war unvorstellbar, dass ein von den Göttern belebter Mensch ins Nichts fallen könnte Der Tod kann nur eine Zäsur sein, kein Ende, das Leben geht weiter - auf einer anderen Ebene, in einer tieferen Dimension. "0 Mensch, du gingst von hier, um zu leben, und nicht, um zu sterben!" Vertraue nicht auf die Länge der Jahre ... Wenn der Mensch nach dem Tode übrig bleibt, dann werden seine Taten auf einen Haufen neben ihm gelegt." So steht es im ersten "Fürstenspiegel" der Weltliteratur, bereits um 2200 vor Christus geschrieben. (zitiert nach Die kleine Mumie, Publik-Forum Nr 2, 2007, S. 50-53, Das Leben lieben und den Tod nicht fürchten: Die Lebensweisheit der alten Ägypter von Christian Feldmann

2.2 Entwicklung im AT

Diese Vorstellungen waren den Israeliten sicher nicht fremd. Aber wie sie sich gegen die Götter der Nachbarn abgrenzten, so grenzten sie sich auch gegen deren Toten- und Ahnenkult ab. Sie sahen sicher die Gefahr, dass bei einer zu starken Konzentration auf das Jenseits, Gott in den Ahnen gesehen wird, was dem personalen Gott des Alten Testamentes widersprach. Gott ging im hier und jetzt mit mir. Alles was mit Tod zu tun hatte war unrein und kultunfähig. Aber dieses Denken kam an seine Grenzen. Zunächst blieb die Frage, wenn Gott allmächtig und allumfassend ist, kann er nicht nur diesseitig sein. Außerdem stellte man fest, die Vorstellung, dass der Mensch, der zu früh oder kinderlos stirbt, eben schuldhaft ist, die anderen nicht, zu kurz griff. Bei Kohelet und im Buch Ijob wird sich gerade mit den Fragen dieses Tun-Ergehen-Zusammenhangs auseinandergesetzt. Kohelet stellt fest, dass es gerechte Menschen gibt, die zu früh sterben und Ungerechte, die ein langes Leben führen. Bei ihm führt die Frage, warum dies so ist, zu einem starken Fatalismus, er erkennt, dass alles vergänglich ist, alles ist Windhauch. So heißt es auch in Ps 103 wir sind nur Staub. Ich denke, es ist wichtig, sich zum Verständnis vieler alttestamentlicher Bibeltexte diese Ausführungen vor Augen zu halten.

Aber in Ps 16, Ps 73 und bei Jesaja wandelt sich das theologische Denken insoweit, dass es zwar ohne Seelenbegriff und Auferstehungsgedanken dennoch schon Vorstellungen gibt, dass bei Gott Rettung ist, wenn es in Ps 16 heißt:

Ich habe den Herrn beständig vor Augen. Er steht mir zur Rechten, ich wanke nicht. Darum freut sich mein Herz und frohlockt meine Seele; auch mein Leib wird wohnen in Sicherheit. Denn du gibst mich nicht der Unterwelt preis; du läßt deinen Frommen das Grab nicht schauen. Du zeigst mir den Pfad zum Leben. / Vor deinem Angesicht herrscht Freude in Fülle, zu deiner Rechten Wonne für alle Zeit.

Oder in Ps 73 heißt es: "Ich aber bleibe immer bei dir, du hältst mich an meiner Rechten. Du leitest mich nach deinem Ratschluß und nimmst mich am Ende auf in Herrlichkeit"

Durch die hellenistischen Judenverfolgungen entwickelten sich diese Gedanken immer weiter, so dass wir in den griechischen Büchern des AT, bei Daniel, im Buch der Weisheit und im Makkabäerbuch schon weiterentwickelte Vorstellungen haben. So heißt es beispielsweise in der Jesaja-Apokalypse (Jes 26,19) vom endzeitlichen Israel:

"Deine Toten werden leben, die Leichen stehen wieder auf; wer in der Erde liegt, wird erwachen und jubeln. Denn der Tau, den du sendest, ist ein Tau des Lichts; die Erde gibt die Toten heraus." (Jes 26,19)

Diese Auferstehung der Toten, die hier Israel prophezeit wird, bleibt aber nicht auf Israel beschränkt. Bei Daniel (Dan 12,2) wird dieses Ereignis bereits in einem universalen Horizont gesehen:

"Viele von denen, die im Staub der Erde schlafen, werden aufwachen, die einen zu ewigem Leben, die andern zur Schmach, zu ewiger Schande." (Dan 12,2)

So beginnt das neue Testament nicht mit völlig neuen Gedanken, sondern baut auf diesen Vorstellungen, die im Judentum seiner Zeit bekannt waren, auf.

3. Vorstellung des Judentums

Allerdings gab es im Judentum keine einheitliche Auffassung zu diesem Thema. Die Saduzzäer haben nie an ein Leben nach dem Tod geglaubt, die Pharisäer dagegen schon. So traf Jesus auch diese Auseinandersetzung im Judentum an. Auch heute herrschen unterschiedliche Vorstellungen. Die jüdische Überlieferung pflegt den Glauben an ein Leben nach dem Tod, ohne dass irgendwelche Details geschildert werden, wie wir uns dies vorstellen können. Der Tod gilt als Tor zum nächsten Leben. Orthodoxe Juden glauben, dass der Messias vom Tempelberg her durch die goldene Pforte ins Kidrontal in Jerusalem gehen wird, und dort die ersten Toten auferweckt. Daher wollen dort auch besonders viele gläubige Juden begraben sein. Dies wird der Tag des Jüngsten Gerichts sein, an dem die Toten wieder zum Leben erwachen, um Gottes Urteil zu erwarten. (Gedanken teilweise entlehnt aus Elaine Mc Greery, Religionen kennen lernen: Judentum, Verlag an der Ruhr, Mülheim 1998). Die Juden beten bei der Beerdigung und an jedem Jahrestag des Verstorbenen ein Kaddisch, das jüdische Totengebet. Auch wird eine Kerze angezündet. Das Kaddisch heißt: Gepriesen, gerühmt und verherrlicht sei der Name des Heiligen, gelobt sei er. Er, der Frieden an hohem Ort schafft, möge er Frieden auch für uns schaffen und das ganze Haus Israel, sprechet: Amen>

Weil der Messias erst am jüngsten Tag kommen wird, dürfen jüdische Gräber auch nie eingeebnet werden, alle Gräber bleiben bestehen, damit die Toten dann von Gott auferweckt werden. Alleine aus diesem Grund ist eine Grabschändung für die jüdische Religion ganz besonders schlimm.

4. Christliche Vorstellungen im Wandel der Zeit

Innerhalb des Judentums hatte sich um 150 v. Chr schon eine Vorstellung entwickelt, an die das Christentum anknüpfte. Es gibt ein sogenanntes "Henochbuch" des äthiopischen Judentums aus dieser Zeit, in dem beschrieben wird, wie die Scheol, das Schattenreich, aussieht. Dort finden sich Höhlen, in denen die Gerechten und die Sünder getrennt sind. Die Sünder warten im Dunkeln auf das Gericht, die Gerechten im Licht, dort finden sich auch lebensspendende Wasserquellen. Die Märtyrer machen unter den Gerechten noch einmal eine besondere Gruppe aus. Diese Formulierung findet sich auch im christlichen Verständnis, wenn es in Kanon 1 des Totengedächtnisses heißt: " Wir beten für die im Zeichen des Glaubens Heimgegangenen, die im Frieden Schlafenden, dass Gott ihnen einen Ort des Lichtes, des frischen Wassers und des Friedens zuweisen möge." (zitiert nach Ratzinger)

Bei diesem Ort geht es um die Frage, was passiert mit dem Menschen zwischen Tod und jüngstem Gericht, zwischen Tod und Auferstehung? Früher war man davon überzeugt, dass dieser Zwischenzustand eine Art Schlaf war. Besonders anschauungsstark drückt dies Paul Gerhardt aus, der ja am 12. März 1607 geboren wurde und dessen 400. Geburtstag wir bald feiern, wenn er in "Nun ruhen alle Wälder" sagt:

"Der Tag ist nun vergangen, / die güldnen Sternlein prangen / am blauen Himmelssaal; / also werd ich auch stehen, / wenn mich wird heißen gehen / mein Gott aus diesem Jammertal. // Der Leib eilt nun zur Ruhe, / legt ab das Kleid und Schuhe, / das Bild der Sterblichkeit; / die zieh ich aus; dagegen / wird Christus mir anlegen / den Rock der Ehr und Herrlichkeit. // Das Haupt, die Füß und Hände / sind froh, dass nun zum Ende / die Arbeit kommen sei. / Herz, freu dich, du sollst werden / vom Elend dieser Erden / und von der Sünden Arbeit frei. // Nun geht, ihr matten Glieder, / geht hin und legt euch nieder, / der Betten ihr begehrt. / Es kommen Stund und Zeiten, / da man euch wird bereiten / zur Ruh ein Bettlein in der Erd."

Aber was mit dem toten Leib passierte und wie man sich das ganze erklären konnte, hat zu allen Zeiten die Köpfe der Theologen bewegt. Vorstellungen der griechischen Philosophie drangen ebenso in die Theologie ein wie das jüdische Denken. Durch den Sieg der Heidenchristen über die Judenchristen wurde das Verständnis der Christen bald schon sehr römisch-griechisch geprägt und das Zentrum verlegte sich von Jerusalem nach Rom für die Westkirche. Dies hatte auch große Bedeutung für die Theologie, die sich vom semitisch geprägten Kulturkreis zur Philosophie griechisch-römischen Mittelmeerraumes umkehrte.

Wenn wir zunächst die Zeit betrachten, in der die Evangelien geschrieben wurden, dann war das eine Zeit des großen Umbruchs, als nach dem Tod Jesu sich die Gemeinden zunächst zwischen Juden- und Heidenchristen finden mussten. Durch den jüdischen Krieg und die Zerstörung des Tempels in Jerusalem hatten die Menschen das Gefühl, alles verändert sich, was ja auch wirklich der Fall war. So hatten viele gläubige Christen den Eindruck, die Welt geht bald unter. Es gab eine große Endzeiterwartung, die Stimmung war sehr depressiv und gespannt oder eben eher von einer starken Todessehnsucht geprägt. Dies hat das Handeln der Urgemeinden beeinflusst. Wenn im Vater unser vom Reich Gottes die Rede ist, ist natürlich fraglich, ob es dabei um ein Himmelreich im Jenseits oder den Beginn des Gottesreiches hier und jetzt geht. Himmel darf jedoch in diesem Kontext als Synonym für Gott verstanden werden, die Evangelisten, die noch in der Tradition des Judentums standen, nannten nach wie vor den Gottesnamen nicht und redeten vom Himmel, andere sind schon im Denken so weit christlich geprägt gewesen, dass sie von Gottes Reich sprachen. Ist dies aber schon angebrochen oder warten wir im Jenseits darauf? Dabei denke ich an ein religiöses Kinderlied meiner Jugend: "weißt du wo der Himmel ist, außen oder innen? Und als Fazit heißt es - du bist mitten drinnen!"

Im Verlauf der weiteren Entwicklung gab es große Unterschiede in den Vorstellungen des einfachen Volkes und den Überlegungen mittelalterlicher Gelehrter. In der Volksfrömmigkeit herrschte die Angst vor dem Endgericht vor, nicht mehr eine Freude auf die Parusie wie im Urchristentum. Die Vorstellung, dass man ganz besonders viel für das Seelenheil der Toten machen muss, damit sie am Ende der Zeiten auch wirklich in die Herrlichkeit Gottes eingehen, stand im Vordergrund. Die dafür verwendeten Bilder, erinnern auch an Bilder, die z.B. vom ägyptischen Verständnis her bekannt sind. So hat man sich ebenso wie die Menschen dort sehr intensiv um das Seelenheil gekümmert, wenn auch mit anderen Elementen wie Ablassbriefen, Wallfahrten, Reliquienkult usw. All diese Dinge dienten ja nach mittelalterlicher Vorstellung dazu, sich das Heil der Seele und ein Anrecht auf ewiges Leben zu verschaffen. So gab es auch ähnliche Vorstellungen wie das Wiegen der Seele durch Ma'at. Der Erzengel Michael wurde in der mittelalterlichen Kunst oft als Seelenwäger dargestellt. Er zieht an der einen Seite der Waage, auf der die Seele sich befindet, der Teufel an der anderen und je nach Sündhaftigkeit entscheidet er dann für Himmel oder Hölle.

Torhalle Freiburger Münster

Theologisch geht es um ganz andere Fragestellungen. Wenn wir im Glaubensbekenntnis beten, gestorben, begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am 3. Tage auferstanden von den Toten, so war das Verständnis so, dass Jesus in das Schattenreich ging, um die dort befindlichen Menschen, angefangen von Adam, aber auch die Urväter Abraham, Isaak und Jakob und viele mehr, mit sich zu nehmen. Auf dem Foto der Torhalle des Freiburger Münsters sieht man den gekreuzigten Jesus auf dem Totenschädel des Adam ruhen. Dies macht diese Vorstellung deutlich.

Im Osterlied Wir wollen alle fröhlich sein (Gotteslob Nr. 223) singen wir in der 3. Strophe: “Er hat zerstört der Höllen Pfort, die Seinen all herausgeführt und uns erlöst vom ewgen Tod.“ Wie ist es aber zu verstehen, wenn wir von Auferstehung reden und dann von " von dort wird er kommen, zu richten, die Lebenden und die Toten". Gibt es Menschen, die schon bei Gott sind, andere die erst noch hinkommen? Wenn Adam, die Urväter, Maria, wie es uns ja das Dogma verkündet, und die Heiligen und - was gerade in den ersten drei Jahrhunderten der Ausbreitung des Christentums in der Verfolgungszeit nicht unwichtig war, auch Märtyrer bei ihm sind, warum andere dann erst später? Theologisch gibt es den Zwischenzustand, das Fegfeuer zur Reinigung von Sünden. Nach der Vorstellung, die aus der griechischen Philosophie kommt, wird zwischen Leib und Seele unterschieden. Es ist ein Zwischenzustand, der Körper befindet sich in einem schlafesähnlichen Zustand, die Seele ist unsterblich, (außer bei Maria) vereinigen die beiden sich erst wieder beim Endgericht. Wie sehen die Menschen dann aber aus? Paulus weist auf den auferstandenen Christus hin, der auch körperlich verändert war, wir denken nur an die Geschichte von den Emmausjüngern, die Jesus, der die ganze Zeit mit ihnen ging, erst beim Brotbrechen erkannten.

Heute gehen viele Theologen davon aus, dass Vorstellungen von Raum und Zeit nur im hiesigen Leben greifen. Das bedeutet, wenn ich sterbe, durchbreche ich Raum und Zeit, wie eine Art Schallmauer und komme in ein anderes Leben, in dem diese Begriffe nicht gelten. Dort hat Ewigkeit schon angefangen. Im Zustand des Sterbens und des Todes erleben viele Läuterung an der Schwelle durchaus, aber wenn ich dann die Grenze endgültig durchbrochen habe, bin ich bei Gott.

Ratzinger weist in seinem Buch darauf hin, dass er davon ausgeht, dass es keine endgültige Erlösung, keinen Zustand des endzeitlichen Festmahles geben kann, solange Menschen hier auf der Erde noch unter den Sünden eines Menschen leiden, der bereits gestorben ist, denn mit dem Ende des Lebens ist durchaus nicht alles vorbei, was Menschen anderen angetan haben. Umgekehrt gilt auch, dass Menschen, die schon tot sind, nicht im Zustand himmlischer Glückseligkeit sein können, wenn ihre Kinder hier leiden. So kann es für ihn nur eine endgültige Erlösung nur durch das Weltgericht geben.

Im Laufe der Jahrhunderte geriet die Jenseitsorientierung des Christentums stark in die Kritik, es wurde gesagt, dass Christentum vertröstet die Menschen damit nur und verhindert, dass die Missstände der Gegenwart in Angriff genommen werden. So begann im 19. Jahrhundert zunehmend eine Diesseitigkeit in der Theologie zu entstehen. Dies ist ja dann auch in der Befreiungstheologie und anderen Strömungen immer weiter ausformuliert worden. Ich denke, es kann jedoch weder darum gehen, dass Menschen eine Jenseitssehnsucht haben und daher hier ihr Leben klaglos hinnehmen, noch ein Leben am Limit, im Überfluss, im absoluten hier und jetzt gelebt werden, bei dem es absolut verpönt ist, überhaupt einen Gedanken an Sterben und Tod zu verschwenden. Beide Extreme sind schlecht, weil sie Enden des Pendels markieren, auch hier liegt wie so oft die Ausrichtung eines sinnerfüllten Lebens in der Mitte.

Alle Erklärungsversuche schließen aber eines mit ein, wir können nur in Raum und Zeit, nur im Diesseits denken. Alles andre übersteigt unser Vermögen, auch das der Theologen. Wenn aber unser Tod ein Durchbrechen dieser Dimension ist, sind alle Überlegungen darüber, wie es genau zu verstehen ist, nur diesseitig. Also ist die Frage nach Zwischenzustand, Himmel, Hölle, Fegefeuer, immer vom menschlichen Denken geprägt. Wenn wir für unsere Toten beten, so vertrauen wir einerseits auf Gottes Barmherzigkeit und beten nicht, weil wir daran zweifeln, aber wir zeigen Solidarität und Gemeinschaft über Grenzen des für uns Denkbaren hinaus.

5. Unterschiede evangelisch/katholisch

In den Leitsätzen der Evangelischen Landeskirche in Baden heißt es unter Was wir glauben in Punkt 8: "Unser Leben ist mit dem Tod nicht zu Ende. Wir glauben an die Auferstehung der Toten" Nach dem, was uns die Statistiken sagen, ist dieser zentrale Satz, bei dem wir eigentlich sagen, logisch, so ist das, nicht selbstverständlich für Christen. Daher ist es so wichtig, dies immer wieder zu betonen und als eine der wichtigsten Glaubensaussagen in den Mittelpunkt zu stellen. So ist es, das glauben Christen!

"Jesu Tod am Kreuz ist nicht eine kurze Unterbrechung, nach der alles so weitergehen kann wie zuvor. Das christliche Bekenntnis unterstreicht das besonders durch den descensus ad inferos, den Hinabstieg in das Reich des Todes. Deshalb hängt für die liturgische Erinnerung dieses Geschehens und für seine Vergegenwärtigung im Kirchenjahr so viel daran, ob man den Samstag zwischen den Tagen der Kreuzigung und der Auferstehung als Karsamstag oder als Ostersamstag versteht, als Tag des Verharrens unter der Todesgewalt oder als vorweggenommenes Osterfest. Nur das erste wird dem inneren Sinn gerecht, in dem diese drei Tage - Karfreitag, Karsamstag und Ostersonntag - sich zueinander verhalten.". So zitiere ich eingangs erwähnten Artikel von Bischof Huber. Er betont die Einheit von Sterben, Tod und Auferstehung Jesu als reale Ereignisse. Da diese Ereignisse aber außerhalb von Raum und Zeit stattfinden, gibt es Unterschiede zwischen persönlicher Auferstehung und Tag des Gerichts. Durch die Auffassung der modernen Theologie, in der persönlicher Tod und Auferstehung zusammenfallen, wie ich schon beschrieb, nähern sich evangelische und katholische Theologie über Sterben, Tod und Auferstehung einander immer näher an. Desgleichen gibt es in beiden Konfessionen immer mehr Menschen, die diese existenziellen Glaubensweisheiten, die wir auch allsonntäglich gemeinsam beten, bezweifeln. Ich finde Hubers Betonung auf dem Karsamstag auch ganz wichtig, immer weiter wird dieses Verständnis von den Medien ausgehöhlt, überall lesen wir „einkaufen am Ostersamstag“ und dergleichen. Unsere Liturgie der Osternacht geht aber sehr konsequent aus dem Todesdunkel heraus langsam mit Christus dem Licht der Auferstehung entgegen. Erst im Gloria beginnt in der hell erleuchteten Kirche der Osterjubel, der sich dann im Evangelium fortsetzt. Dies sollten wir als Christen auch immer wieder betonen und gemeinsam darauf achten, dass auch unsere Sprache ausdrückt, was wir glauben!

Evangelische Christen beten nur am Tag der Beerdigung im Fürbittgebet für den Verstorbenen, ansonsten kennen sie keine Gebete für die Verstorbenen, die sie sicher bei Gott wissen. Allerdings beruft sich die katholische Praxis, für Verstorbene zu beten , auch auf die Bücher der zwischentestamentlichen Zeit des Judentums, die die evangelische Kirche nicht in den Kanon aufnahm. In diesen Büchern wurde vom Fegefeuer berichtet und um in der Zeit für ein Heil der Seele zu sorgen, damit beim jüngsten Gericht Gott ein gnädiger Richter sein möge, ist es nach dem Tod auch nötig Seelenämter und weiteren Gedenkgottesdienste abzuhalten.

Im November hat das Thema Tod in unserer Gesellschaft plötzlich doch das Recht, angesprochen zu werden. In dem Monat, in dem von Allerseelen bis Totensonntag die ganzen Gedenktage für unsere Toten stattfinden, sind und waren die Zeitungen voll von Gedanken zu Tod und Sterben, Bilder von Friedhöfen, Berichte über Hospize etc. In einem dieser Berichte fand ich folgende Worte: Endlich kann man öffentlich über das Sterben sprechen. Nach dem Sex wird nun auch dieses Thema langsam enttabuisiert. (publik forum Nr. 23 vom 1. Dezember 2006)

Ist das wirklich so? Ich habe mir durch meine eigene Biographie bedingt schon sehr oft und früh Gedanken über meinen Tod gemacht, darüber wie es dann wohl weitergeht. Wie das Sterben sein wird, wie ein Leben nach dem Tod aussieht. Wie das mit der persönlichen Auferstehung eines jeden Menschen wohl ist? Daher hatte ich wohl auch nicht so viel Angst, als klar war, dass zu meinem Tätigkeitsfeld auch der Beerdigungsdienst gehört. Aber ich spüre, wenn ich mit Bekannten und Freunden, die nicht im kirchlichen Dunstkreis beheimatet sind und nicht von Berufswegen (wie Theologen und Ärzte) mit diesem Thema zu tun haben, dann spüre ich, wie groß das Tabu ist und wie wenig die anderen von dem Thema wissen wollen. Und ich darf die andren auch keinesfalls überfordern, denn für sie ist das Thema oft noch ferner, als für mich und daher wollen sie auch nicht an das Ende unseres Lebens, an unsere Endlichkeit und unser Sterben erinnert werden.

Ich habe sicher Angst vor dem Sterben und Angst vor Verlust von lieben Menschen, aber ich bin eigentlich neugierig auf das Jenseits. In dem oben zitierten Artikel las ich weiter: "längst kann man Nahtod-Erfahrungen nicht mehr nur als durch Sauerstoffmangel erzeugte Produkte individueller Vorstellungskraft beiseite tun". Das sehe ich auch so, ich glaube, dass Nahtoderfahrungen nicht nur das Ergebnis von Ausschüttungen irgendwelcher Substanzen im Gehirn sind, sondern reale Erlebnisse, die uns die Angst vor dem Tod nehmen können. Die Erfahrung, wie wunderschön sphärisch dieser Zustand zwischen Leben und Tod ist, nimmt mir die Angst und gibt mir den Glauben, dass am Ende des Tunnels, in diesem Licht, von dem ja fast alle Menschen reden, die diese Erfahrung gemacht haben, wirklich ein Gott auf mich wartet und dass es dort einfach nur schön ist. Grenzenlose Liebe wartet auf mich. Auferstehung muss schön sein.

Nur weiß ich natürlich nicht, wie es wirklich sein wird. Es ist eines der letzten Geheimnisse der Menschheit, wie wir uns das Leben nach dem Tod wirklich vorstellen können. Wie beten wir in jedem Gottesdienst? Geheimnis des Glaubens: Deinen Tot oh Herr verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit! Und ich denke, dieser ganze Themenkreis, der sich um Tod und Auferstehung, nicht nur von Jesus rankt, eines der letzten und größten Geheimnisse ist, die es noch gibt. Und nur, weil wir uns dies wirklich nicht erklären können, wäre es völlig falsch, davon auszugehen, dass daher Jesus nicht von den Toten auferstanden ist. Dann hat auch mein irdisches Leben keinen Haltepunkt, denn ich glaube an ein ewiges Leben bei Gott. Ich denke, das Leben hier wäre sinnlos und oft würde ich mich wirklich angesichts all des Leids fragen, was all das soll, wenn nicht die Hoffnung da wäre, dass es eine zweite Geburt, ein weiteres Leben in dieser grenzenlosen Liebe Gottes gibt. Ich würde keine Beerdigungen halten können, wenn ich den Glauben nicht hätte.

(Marieluise Gallinat-Schneider)