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Marieluise Gallinat-Schneider

Gemeindereferentin in Bruchsal

Vorträge von Marieluise Gallinat-Schneider

Ökumenischer Frauenbibelabend, 24.01.06, Martin-Lutherhaus, Bruchsal

In diesem Jahr befassen wir uns in der ökumenischen Bibelwoche wieder mit einem alttestamentlichen Buch, wir wechseln ja immer ab. Ich weiß, dass viele sich mit Texten wie den Seligpreisungen bei Lukas im letzten Jahr wesentlich leichter tun. Der Text der diesjährigen Bibelwoche ist eigentlich nur durch den Abschnitt Alles hat seine Zeit bekannt, der schon abgedroschen ist. Aber ansonsten ist dieses Buch Kohelet oder Prediger nicht bekannt. Daher will ich am Anfang eine kurze Einführung geben, vor allem auch, weil ja einige nur eine Veranstaltung der Bibelwoche besuchen. Ich denke, es ist wichtig zu wissen, um was für einen Text es sich handelt, ihn zeitlich und von seinen Aussagen her einordnen zu können, zumal heute der erste Abend ist.

Zunächst war die Frage, ob Kohelet ein Name ist, so wie man vom Anfang des Buches her vermuten könnte. Davon geht man heute jedoch nicht aus, Kohelet leitet sich vom hebräischen Wort q h l ab .und ist ein feminines Partizip vom Stamm q h l, sammeln, versammeln, ein Abstraktum. Daher bleibt die Frage, wie übersetzt man dieses Wort, was wird hier gesammelt oder versammelt? Was sammelt Kohelet? Sammelt er Menschen, sammelt er Sprichwörter? Leitet er Versammlungen, geht er auf Straßen und Marktplätze? Predigt er auf Straßen oder in Schulen? In griechischen Bibeltexten wurde das Wort Kohelet mit Ecclesiastes übersetzt, Luther hat das Wort kohelet mit Prediger übersetzt, weil er es in einem kirchlich religiösen Zusammenhang verstanden hat. Wenn man davon ausgeht, dass dieser Mensch religiöse Versammlungen geleitet hat, in der Synagoge gepredigt hat, stimmt es. Aber der Verfasser predigt nicht, er sammelt auch keine Sprüche, aber er lehrt vielleicht vor Schülern. Er war ein Weiser. Beim Buch Kohelet spricht man auch vom Königstestament, weil sich der Verfasser eines Rückgriffs auf Salomo bedient. Er spricht von sich als König, was mit Sicherheit Fiktion ist oder in dem Sinne zu verstehen ist, wie noch in der Barockzeit Verfasser pädagogische Werke schrieben, die der Erziehung des künftigen Königs dienten (in Frankreich finden wir solche Werke "l'éducation d'un dauphin), die mehr der Ermahnung eines jungen oder zukünftigen Herrschers dienten.

Das Buch Kohelet gehört zu den Weisheitsbüchern der Bibel. Insgesamt gibt es fünf Weisheitsbücher, wenn man die deuterokanonischen Schriften hinzuzählt, die ja in der evangelischen Bibelausgabe als apokryph gelten. Hierzu noch kurz eine Erklärung. Es gibt den Kanon der hebräischen Schriften, hinzu kamen später in der Septuaginta, der griechischen Bibelübersetzung noch einige griechische Bücher, zu denen auch Jesus Sirach und das Buch der Weisheit zählen. Mit diesen beiden Ijob und dem Buch der Sprüche sind es fünf Weisheitsbücher. Gewöhnlich wird auch noch das Hohe Lied, das ja auch auf König Salomo zurückgreift, hinzugezählt. Martin Luther orientierte sich bei seiner Übersetzung des Alten Testamentes am jüdisch hebräischen Kanon, der in seinem heutigen Umfang um ca 100 n. Chr festgelegt wurde und nicht an dem, in katholischen Kreisen üblichen Kanon der griechischen Bibelübersetzung von ca 200 v. Chr, der sogenannten Septuaginta. Es war unter anderem, neben der Einigung auf eine bestimmte Sprache, also Übersetzung die große Leistung der Einheitsübersetzung, dass sie im Alten Testament den umfangreicheren "katholischen" Kanon umfasst, was ökumenische Bibelarbeit wesentlich erleichtert, denn nun können alle in die gleichen Schriften schauen.

Der Begriff Weisheit hat im israelitischen Denken weniger theoretischen Charakter, als praktischen, es geht um die Beobachtung und Schilderung von Lebenszusammenhängen, von Erfahrungen und Alltagsfähigkeiten, die Beobachtung von Lebensvorgängen. Diese Weisheit war vor allem im Umfeld des Königshofes bekannt und war nichts spezifisch israelitisches sondern allgemein orientalisch, aber auch mit Wurzeln ägyptischen Einflusses.

Wie lässt sich Kohelet nun zeitlich einordnen?

Aus der Sprache und aus einigen persischen Wörtern, die erst in nachexilischer Zeit (also nach dem Exil in Babylon im 7. Jh) bekannt waren, können wir schon davon ausgehen, dass trotz aller Berufung auf Salomon dieser Text nicht aus der Zeit stammte. Außerdem gibt es in dem fatalistischen Denken Kohelets Einflüsse, die aus der epikureischen und stoischen Philosophie stammen könnten, auch aus ägyptischen Dichtungen. Diese Einflüsse sind typisch für die Ptolemäerzeit, insgesamt ist Kohelet aber im semitischen Denken verhaftet. Außerdem hat man in den Qumranhöhlen auch Fragmente des Kohelettextes gefunden, die auf ca 150 v. Chr. datiert werden. Allerdings benutzte Jesus Ben Sirach das Buch bereits, der im 2. Jh. v. Chr lebte. So geht man davon aus, dass der Text aus dem 3. Jh. v. Chr. stammt, also aus der Ptolemäerzeit, der Zeit, als nach dem Tod Alexander des Großen das Hellenistische Reich unter ägyptischen Königen, die auf Ptolemaos zurückführen, aufgeteilt wurde und die ganze Welt (des Mittelmeerraumes) unter hellenistischem, also griechischen Einfluss stand. Diese Herrscher wurden in Israel zur fremden Besatzungsmacht, die Steuern einzog, aber auch ihr griechisches Denken in den hebräisch jüdischen Raum einfließen lässt..

Nach heutigem Forschungsstand kann also davon ausgegangen werden, dass dieser Kohelet, dieser Versammlungsleiter oder Prediger im 3. Jh. v. Chr. lebte und er das Buch verfasst hat, weil es eine Einheitlichkeit aufweist. Es gibt einige Ergänzungen, die von einem Schüler stammen, der das Buch zusammenstellt und einen Schluss hinzufügt. Die Gottesfurcht ist mit Sicherheit ein Nachsatz eines Schülers. Wir können davon ausgehen, dass der Kohelet in Jerusalem wohnt, auch wenn es Vermutungen gab, er könne aus Alexandria stammen, weil er vom Meer und Häfen schreibt, aber da ja auch Israel unmittelbar am Mittelmeer liegt, kann er diese Dinge ja durchaus kennen. Er schreibt über den Tun-Ergehen-Zusammenhang. Warum kann ein böser Mensch ein glückendes gelingendes Leben erfahren, während der Gerechte Schicksalsschläge ertragen muss? Diese Frage kennen wir schon von Ijob. Kohelet zeigt sich ratlos. Er erkennt, dass der Mensch sich in scheinbares Glück flüchtigt, dieses aber keine wirkliche Befriedigung darstellt. Das Leben endet mit dem Tod und alles, was davor kommt, ist Windhauch. Der Tod trifft jedoch jeden, Reiche und Arme, Glückliche und Traurige, am Ende ist also alles gleich, scheinbare Gerechtigkeit. Kohelet ist ein fatalistischer Text, eines bleibt jedoch für ihn, trotz dieser Frage, was bleibt, wozu das Ganze, hält er an seinem Glauben fest. Das Buch entstand in einer Wendezeit. Während für die Israeliten mit dem Tod alles aus war, kam in der Makkabäerzeit eine Hoffnungsbewegung auf, es gab Fragen über den Tod hinaus. Daher sind die evangelisch als apokryph geltenden Schriften unter anderem die Makkabäerbücher sehr wichtig, weil sie das Verbindungsglied zwischen AT und NT darstellen. Hier gibt es schon Anzeichen für das, was dann im NT durch Jesus, durch den Glauben an Tod und Auferstehung, an ein ewiges Leben seine endgültige theologische Wende nimmt. Für Kohelet ist es soweit aber noch nicht.

In den Weisheitstexten wird nicht mehr hingenommen, wie ungerecht die Welt ist, aber es gibt noch keine Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod, es herrscht Ratlosigkeit. Auch Psalm 73 gehört als Weisheitsgedicht in diesen Zusammenhang. Auch zeitlich liegt er beim Kohelettext.. Dort heißt es:

Sie sagen: "Wie sollte Gott das merken? Wie kann der Höchste das wissen?" Wahrhaftig, so sind die Frevler: Immer im Glück, häufen sie Reichtum auf Reichtum. Also hielt ich umsonst mein Herz rein und wusch meine Hände in Unschuld. Und doch war ich alle Tage geplagt und wurde jeden Morgen gezüchtigt. Hätte ich gesagt: "Ich will reden wie sie", dann hätte ich an deinen Kindern Verrat geübt. Da sann ich nach, um das zu begreifen; es war eine Qual für mich, bis ich dann eintrat ins Heiligtum Gottes und begriff, wie sie enden. Ja, du stellst sie auf schlüpfrigen Grund, du stürzt sie in Täuschung und Trug. Sie werden plötzlich zunichte, werden dahingerafft und nehmen ein schreckliches Ende, dort jedoch keimt schon Hoffnung auf: Du leitest mich nach deinem Ratschluß und nimmst mich am Ende auf in Herrlichkeit. Was habe ich im Himmel außer dir? Neben dir erfreut mich nichts auf der Erde. Auch wenn mein Leib und mein Herz verschmachten, / Gott ist der Fels meines Herzens und mein Anteil auf ewig. Ja, wer dir fern ist, geht zugrunde; du vernichtest alle, die dich treulos verlassen. Ich aber - Gott nahe zu sein ist mein Glück. / Ich setze auf Gott, den Herrn, mein Vertrauen. Ich will all deine Taten verkünden.

Kohelet bleibt noch davor stehen Auch im Buch Kohelet gibt es zwar Freude, der Text steckt nicht nur voll Melancholie: In Kapitel 8, heißt es: 15 Da pries ich die Freude; denn es gibt für den Menschen kein Glück unter der Sonne, es sei denn, er ißt und trinkt und freut sich. Das soll ihn begleiten bei seiner Arbeit während der Lebenstage, die Gott ihm unter der Sonne geschenkt hat." Alle Freude kommt von Gott unserem Schöpfer her. Natürlich betont Kohelet stärker die Melancholie, weil für ihn die Endlichkeit im Blick ist und für den gläubigen Juden gibt es keine Jenseitsvorstellungen. Es ist jedoch immer wieder Betonung der Freude, "Denn selbst wenn ein Mensch viele Jahre zu leben hat, freue er sich in dieser ganzen Zeit, und er denke zugleich an die dunklen Tage: Auch sie werden viele sein... der Mandelbaum blüht, doch ein Mensch geht zu seinem ewigen Haus, der Staub auf die Erde zurückfällt als das, was er war, und der Atem zu Gott zurückkehrt, der ihn gegeben hat.

Auch hier wird ja betont, dass der Atem wieder zu Gott zurückfällt, es ist nicht nur düsteres Jammertal, das beschrieben wird. Immer wieder ruft Kohelet, der Prediger uns zum Glück auf, er mahnt uns zum glücklich sein trotz und bei aller Endlichkeit, die ja auch von Gott kommt. Er fordert ein carpe diem.

In unserem Textausschnitt schildert der Prediger ein Leben an einem orientalischen Königshof, mit all dem, was dazu gehört. Er schlüpft in die Rolle des Königs mit all seinen unbegrenzten Möglichkeiten der Lebensgestaltung. Auch dieser Text ist für die zeitliche Einordnung des Buches hilfreich, denn der Garten, der geschildert wird, war im Orient in Persien oder Babylon zu finden und die Oberschicht Israels hat erst in der Ptolemäerzeit solche bewässerten Gärten angelegt. Das Wort paraden, der Paradiesgarten, war vorher auch nicht bekannt. Die Rückführung auf Salomo, der sicher trotz aller Pracht einen solchen Garten noch nicht besaß, lässt sich auch mit den paradisischen Zuständen zur Zeit Salomons, der als einziger König keinen Krieg führte, erklären. Kohelet beschreibt in unserem Ausschnitt dieses Leben mit aller Pracht, mit Harem und Sklaven, allem, was zu einem Königshof gehört. Dann jedoch stellt er fest, dass auf Reiche und Arme, für Wissende und Unwissende das gleiche Schicksal wartet, sie sterben. Auf einen gerechten/weisen König folgt ein törichter, nichts bleibt, wie es war. Die Frage ist " Was bleibt vom Leben"? Wozu die ganze Plackerei? Der Besitz kann vergehen, am Ende stehen alle gleich da. Es ist Windhauch. Nach unserem Abschnitt kommt dann die Feststellung, dass Glück allein von Gott kommt, nur vom Schöpfer her gibt es überhaupt einen Sinn.

(Marieluise Gallinat-Schneider)