Vorträge von Marieluise Gallinat-Schneider
Gedanken zum ökumenischen Frauenbibelabend am 18.01.05
Eine winzig kleine Blume
von irgendeinem wilden Wegrain,
die Schale
die Feder eines Vogel -
das alles verkündet dir;
dass der Schöpfer ein Künstler ist.-
Sagt Tertullian, der Kirchenvater.
Und diese Dinge gibt es überall. Egal, ob es ein sogenanntes reiches oder ein sogenanntes armes Land ist. Auch wir haben solche Gegenstände hier liegen.
Den Reichtum der Schöpfung teilen alle Menschen.
Reich und glücklich, arm und traurig? So einfach ist das nicht, wir dürfen kein Gegensatzpaar daraus machen. Und es gibt nicht nur den materiellen Reichtum und die materielle Armut. Mir fallen viele Geschichten von hartherzigen Reichen und glücklichen Armen ein. Mir fallen auch Menschen ein, die von unserer Gesellschaft bescheinigt bekommen, arm zu sein, es aber gar nicht sind, weil sie glücklich sind. Wir haben heute Abend Lukas Botschaft vom Reich Gottes nachgespürt.
Der Satz: "Selig die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich", besagt, dass die Befreiung aus Armut, egal, ob aus materieller oder psychischer Armut, möglich ist, trotz und wegen aller Sorgen. Wir finden zum eigentlichen Leben , wenn wir Gott und die Menschen lieben, so lehrt uns Jesus. Und wenn wir danach streben, werden wir erhalten, wonach wir uns im Innersten sehnen, jenseits von materiellem Sehnen. Wer glücklich sein will, erfüllt sein will vom Glauben, der muss zunächst erkennen, dass es gut ist, von dem loszulassen, was einen bisher materiell gebunden hat und vom Glück abgehalten hat.
Vollgepackt auf dem Weg
Zu Hause stapelte sich mein kostbarer Besitz...
Als ich mich auf den Weg machte,
wollte ich auf meinen Besitz nicht verzichten.
Vollgepackt trat ich die Wanderung an:
Aber schon bald musste ich Ballast ablegen.
Jedes Stück, das auf meinem Weg zurückblieb,
war mir ans Herz gewachsen.
Es tat weh.
Doch die Last wurde leichter,
und mit jedem Schritt wurde ich freier.
Wir sehen am heutigen Abend vieles von unserer Armut und von unserem Reichtum. Wir können in uns beides entdecken. Spüren wir unserer Armut und unserem Reichtum nach. Gott verspricht den Armen das Reich Gottes und den Trauernden Trost.
"Wir weinen, wenn etwas traurig ist. Und wir vergießen auch gern über etwas Schönes eine Träne. Wenn etwas witzig oder hässlich ist, lachen wir. Vielleicht werden wir auch traurig, wenn etwas schön ist, weil wir wissen, dass es nicht von Dauer ist. Und wir lachen über etwas Hässliches, weil wir wissen, dass es sich nur aufspielt. Wir lachen über den Clown im Zirkus, der weint, wenn er seine Maske abstreift.
Auch im Weinen und Lachen finden wir die Umkehrung der Verhältnisse. Das scheinbare Lachen kann Ausdruck der Trauer sein, die Träne Ausdruck des Glücks. Vieles ist nicht wie es auf den ersten Blick scheint. Vieles scheinbar Gegensätzliche gehört zusammen wie zwei Seiten einer Medaille. Dualismus ist nicht Polarität. Lukas betont die Zweiseitigkeit, Lachen und Weinen, arm und Reich, aber er wendet sich dabei an die Jünger. Er wendet sich auch an uns. Jesus hat nicht unbedingt verschiedene Menschen im Blick, wenn er Wehe und selig sagt, sondern dieses Gegensatzpaar betrifft die selben Menschen.
So gehen wir nach Hause getröstet und beunruhigt. zugleich. Wir wissen, Gott tröstet unsere Trauer, er beunruhigt uns aber in unserer Ruhe und Sicherheit, in unserer Abhängigkeit von unserem Besitz, in unserer Unfähigkeit zu teilen. Gott will uns helfen umzukehren, er will uns helfen, unseren Reichtum und unsere Armut neu zu erkennen, neu zu definieren und neu damit umzugehen. zu Lk 6, 20-26.
(Marieluise Gallinat-Schneider)